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Unterschätzte Risiken für Mensch und Umwelt


Biozide zählen, wie die hauptsächlich in der Landwirtschaft verwendeten Pflanzenschutzmittel, zu den Pestiziden. Anders als diese begegnen uns Biozidprodukte jedoch in sehr vielen Bereichen unseres täglichen Lebens – und zwar immer dann, wenn die Gesundheit von Mensch oder Tier oder Materialien (inklusive Gebäuden) geschützt werden sollen. Sie werden eingesetzt, um Bakterien, Viren, Pilze (zum Beispiel Schimmel), schädliche Insekten (zum Beispiel Lebensmittelmotten oder Mehlkäfer), Wirbeltiere (zum Beispiel Ratten) und andere Schadorganismen zu töten, zu bekämpfen oder fernzuhalten.
Der Begriff Biozid wird jedoch inhaltlich oft falsch verstanden. So halten viele Anwender*innen aufgrund des Wortteils „Bio“ diese Mittel für harmlos und ihnen ist nicht bewusst, dass Pestizid-Wirkstoffe in den Produkten enthalten sind. Während Pflanzenschutzmittel im Handel nur in abgesperrten Schränken und mit ausführlicher Aufklärung angeboten werden dürfen, sind Biozidprodukte frei verkäuflich.
Sie enthalten ein oder mehrere Biozide und werden aufgrund der vielfältigen Anwendungsbereiche in vier Hauptgruppen unterteilt:
- Desinfektionsmittel: Hierzu gehören beispielsweise Desinfektionssprays, Handgele mit desinfizierender Wirkung, antibakterielle Seifen oder desinfizierende Reinigungsprodukte
- Schutzmittel: Hierzu gehören beispielsweise Holz- oder Fassadenschutzmittel oder Konservierungsmittel für Lacke, Farben etc.
- Schädlingsbekämpfungsmittel: Zum Beispiel Anti-Mücken-Sprays, Ameisenköder oder Mittel gegen Ratten
- Sonstige Biozidprodukte: Zum Beispiel Anti-Fouling-Anstriche gegen Algenbewuchs an Booten
Wo kommen Biozide im Haushalt vor?
Im Haushalt finden Biozide zunehmend in Form von Desinfektionsmittel Verwendung, die mit mehr Hygiene beim Putzen, Wischen oder Waschen werben. Im Zuge der Covid-19 Pandemie haben solche Produkte zeitweise einen enormen Zuwachs erfahren. Manche Waschmittel, Reiniger, Seifen, Geschirrspülmittel und ähnliche Alltagsprodukte werden damit beworben, dass sie antimikrobiell, antibakteriell, antiviral oder ähnlich wirken oder behaupten ihre Mittel entfernen „99,9 Prozent aller Viren, Bakterien und Pilzen“. Hier ist also eine desinfizierende Funktion des Produktes durch Biozide beabsichtigt und es handelt sich somit um ein Biozidprodukt.
Der wachsende Einsatz von Desinfektionsmitteln im Haushalt wird von vielen Expert*innen jedoch kritisch beäugt. Das RKI (Robert-Koch-Institut), das BfR (Bundesinstitut für Risikobewertung) und das UBA (Umweltbundesamt) halten die Verwendung von Desinfektionsmittel in der Regel für nicht notwendig. Die Risiken für Mensch und Umwelt, die sich durch falsche Anwendung ergeben können, werden oft unterschätzt.
Es ist jedoch manchmal gar nicht so einfach zu erkennen, worin Biozide sonst noch vorkommen. Vermehrt sind es Gebrauchsgegenstände wie Müllbeutel, Schneidebretter, Arbeitsflächen, Duschvorhänge oder Textilien wie (Perioden-)Unterwäsche, Kleidung, Vorhänge und Teppiche, die mit bioziden Funktionen ausgerüstet und mit „Hygienefunktion“ oder „geruchshemmenden“ Eigenschaften beworben werden. Da die biozide Wirkung bei solchen Produkten jedoch oft nur sekundär ist, gelten diese Gegenstände als behandelte Waren ohne primäre Biozidfunktion.
Alle genannten Produkte versprechen mehr Hygiene im Alltag. Jedoch ist vielen nicht bewusst, dass ihre Nutzung mit verschiedenen Risiken verbunden ist. Dazu gehört die Bildung von resistenten Bakterien, Kreuzresistenzen gegen Antibiotika oder allergische Reaktionen. Eine Studie von Stiftung Warentest hat außerdem ergeben, dass antimikrobielle Reiniger, Waschmittel & Co. keine wesentliche Reduktion von Keimen gegenüber konventionellen Produkten bieten.
Desinfektionsmittel sind in manchen Fällen, insbesondere im öffentlichen Gesundheitswesen unabdingbar, jedoch im Privathaushalt oft unnötig, da einfache Hygienemaßnahmen wie regelmäßiges Händewaschen und Reinigen von Wohnbereich und Oberflächen mit handelsüblichen Reinigern ausreichen.
Gründe, auf Biozidprodukte zu verzichten
Eine überflüssige oder fehlerhafte Verwendung von Biozidprodukten in der Wohnung oder rund um das Haus kann die Umwelt unnötig belasten und negativ beeinträchtigen. Auch wenn die Anwender*innen, beispielsweise bei Schädlingsbekämpfungsmitteln, nur bestimmte Organismen bekämpfen wollen, sind Biozide – ähnlich wie die in der Land- und Fortwirtschaft eingesetzten Pflanzenschutzmittel – meist nicht selektiv wirksam. Das heißt, es werden nicht nur sogenannte Schädlinge bekämpft, sondern auch viele weitere Organismen ungewollt geschädigt oder getötet, weshalb sie als Nicht-Ziel-Organismen bezeichnet werden. So werden bei der Verwendung von antikoagulanten, also blutgerinnungshemmenden, Mitteln gegen Nagetiere (Rodentizide) in hohem Maße auch Nicht-Ziel-Organismen wie Greifvögel, Füchse oder Marder geschädigt.
Zahlreiche Biozidprodukte, wie Schädlingsbekämpfungsmittel (zum Beispiel Ameisengift, Rattengift, Insekten-Sprays), werden im Außenbereich, auf Balkonen oder Terrassen eingesetzt und gelangen so unmittelbar in die Umwelt. Fassadenschutzmittel mit Algiziden gegen Algenbewuchs werden bei Regen ausgewaschen und gelangen anschließend ins Grundwasser oder in Flüsse, Bäche etc. Auch über indirekte Wege, wie Kläranlagen, gelangen Biozide in unsere Umwelt, da sie von diesen oft nicht herausgefiltert werden können.
Vorbeugen statt Chemiekeule
Statt zu Biozidprodukten und behandelten Waren zu greifen, ist es für Mensch und Umwelt besser, vorbeugende Maßnahmen zu treffen und zu umweltfreundlicheren Alternativen zu greifen. In den meisten Fällen reichen einfache Hygienemaßnahmen wie beispielsweise regelmäßiges Saugen beziehungsweise Waschen von Teppichen, Polstern und anderen Textilien und eine regelmäßige Reinigung von Arbeitsflächen und -geräten mit handelsüblichen Reinigern wie milde Allzweck-, oder Zitronenreiniger aus, um Keime zu reduzieren.
So schafft man durch einen sauberen Wohnbereich ein unattraktives Umfeld für Schädlinge, so dass man auf Schädlingsbekämpfungsmittel wie Ameisengift, Mäuseköder, Insekten-Sprays gegen Kleider- oder Lebensmittelmotten, Schaben, Wanzen etc. verzichten kann.
Im Folgenden finden sich einige grundlegende Reinigungs- und Hygienetipps, Empfehlungen für umweltfreundliche Labels und Apps sowie weiterführende Links zum Thema.
Reinigungs- und Hygienetipps für den Haushalt
- Ein milder Allzweckreiniger, Spülmittel, Reiniger auf Zitronensäurebasis und Scheuermilch (ohne Bleichmittel) sind im Alltag ausreichend
- Regelmäßiges Händewaschen, vor jedem Zubereiten von Speisen und bei Verschmutzungen etwa eine halbe Minute lang nicht vergessen! Benutzen Sie dafür eine einfache, aber hautfreundliche Seife.
- Immer in die Armbeuge niesen
- Tägliches (Stoß-)Lüften bei weit geöffnetem Fenster ist essenziell, um die Luftfeuchtigkeit gering zu halten. Das hemmt das Wachstum von (Schimmel-)Pilzen und Bakterien. Mehrmals fünf bis zehn Minuten reichen in der Regel aus.
- Benutzen Sie umweltfreundliche Waschmittel. Antibakterielle Zusätze, sogenannte „Hygienespüler“, sind überflüssig.
- Schwämme und Spüllappen sollten nach dem Benutzen immer gut ausgespült und getrocknet werden. Regelmäßig bei 60°C waschen und austauschen, sobald sie anfangen zu riechen
- Reinigen Sie regelmäßig alle Arbeitsflächen und andere Oberflächen, Böden sowie den Kühlschrank, um Speise- und Fettreste zu entfernen, die Nahrung für Keime und Schädlinge beziehungsweise Lästlinge bilden können.
- Achten Sie darauf, dass Mülleimer abgedeckt bleiben und bringen Sie den Müll regelmäßig raus
- Packen Sie ihre Lebensmittel in verschließbare, dichte Behälter aus beispielsweise Glas oder Metall
- Bringen Sie Insektengitter an Fenster, Türen etc. an, um Fliegen, Motten und andere Insekten fernzuhalten
- Ist der Befall durch einen Schädling, Lästling, Schimmel oder ähnliches trotz aller vorbeugender Maßnahmen zu groß, sollte ein*e Expert*in zur fachgerechten Bestimmung und Bekämpfung beauftragt werden
Umweltfreundliche Labels:
Je nach Produktart gibt es verschiedene Labels, die besonders schadstoffarme und umweltfreundliche Produkte wie Geschirrspülmittel, Reiniger, Kleidung, Teppiche, Stühle, Laptops, Papier, Handys auszeichnen etc. Hier sind Beispiele für vertrauenswürdige Labels und Produkte:
- Der Blaue Engel: Laptops, Papier, Wasch-, und Reinigungsmittel oder Mittel gegen Schädlinge ohne giftige Wirkstoffe
- Ecocert: Ökologische Wasch- und Reinigungsmittel mit Biorohstoffen
- Ecogarantie: Kosmetik, Wasch- und Reinigungsmittel
- Nature Care Products: Non-food Produkte wie Hygieneartikel, Wasch- und Reinigungsmittel, Spielzeug, Kerzen etc.
- Nordic Ecolabel: Wasch- und Reinigungsmittel
- TCO Certified: Laptops und Smartphones
- EU-Ecolabel („Euroblume“): Allzwecks-, Sanitär, Glasreinigungsmittel, Handgeschirrspül- und Maschinenspülmittel, Waschmittel
Apps:
Mithilfe dieser Apps können Nutzer*innen den Barcode vieler Alltagsprodukte scannen, um so Informationen über Schadstoffe zu enthalten, insbesondere solche, die nach EU-Gesetz deklariert werden müssen. Bei fehlenden Informationen erstellt die App einen automatischen Informationsantrag an den Hersteller, welcher verpflichtet ist, innerhalb von 45 Tagen zu antworten. Außerdem gibt es weiterführende Informationen und Neuigkeiten zu Biozidprodukten und Tipps, wie sich diese vermeiden lassen
- ToxFox
- Scan4Chem
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