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Reiselust ohne Klimafrust
Nachhaltiges Reisen



ICE im Berliner Hauptbahnhof - Foto: Helge May
In Schweden gibt es mit „Flygskam“ (deutsch: Flugscham) bereits ein eigenes Wort für das Gefühl, wenn ich rückblickend über mein Flugverhalten nachdenke. Ich war eigentlich immer der festen Überzeugung, ein einigermaßen nachhaltiges Leben zu führen, kaufte Biolebensmittel und trennte gewissenhaft meinen Müll. Dennoch: Während meines Erasmus-Semesters stieg ich sage und schreibe 30 Mal in ein Flugzeug und war sogar stolz darauf.
Erst der allgemeine Bewusstseinswandel gegenüber dem Reisen mit dem Flugzeug brachte ein Umdenken bei mir. Ich musste mir eingestehen, dass mein eigenes ökologisch korrektes Verhalten und die Selbstverständlichkeit, mit der ich mir Flugtickets buchte, irgendwie nicht richtig zusammenpassten. Mir war schnell klar, dass kein noch so nachhaltiger Lebensstil das kompensieren kann, was ich mit zehn Tonnen CO2-Austoß pro Jahr allein durch meine Flugreisen an Emissionen erzeuge. Seit dieser Erkenntnis habe ich mein Reiseverhalten grundsätzlich geändert.
Mit Nachtzügen quer durch Europa
Auf Flüge innerhalb Deutschlands zu verzichten, klappte auf Anhieb sehr gut. Aber wie sieht es eigentlich mit Reisen ins europäische Ausland aus? Solange es in die Hauptstädte geht: kein Problem. Sie sind in der Regel gut vernetzt, und wer zum Beispiel von Berlin aus nach Amsterdam, Prag oder Kopenhagen möchte, muss lediglich einmal umsteigen. Selbst London lässt sich mit einer Reisezeit von zehn Stunden per Zug erreichen. Die österreichische Bahngesellschaft ÖBB hat den Trend übrigens frühzeitig erkannt: Sie hat wieder mehr Nachtzüge eingeführt und übernahm 2016 das Nachtzug-Geschäft der Deutschen Bahn.
Letztes Jahr unternahm ich dann den ehrgeizigen Versuch, mit dem Zug von Berlin nach Ibiza zu reisen. Meine Erfahrungen waren dabei so gut, dass ich bereits die nächste Zugreise quer durch Europa plane. Diesmal soll es an die Algarve in Portugal gehen. Um das zu realisieren, braucht man vor allem eins: Zeit. Und zwar Zeit für die Planung und Zeit für die Reise. Es erfordert also zunächst ein Umdenken. Mittlerweile sehe ich die Anreise nicht mehr als Mittel zum Zweck, sondern als Teil der Reise. Und die Planungen dafür nicht als nötiges Übel, sondern als Hobby.
Zugverbindungen europaweit buchen – eine echte Herausforderung
Um die günstigsten Preise zu buchen, mache ich mir zunächst eine Übersicht, welche Teilstrecke mit welchem Bahnanbieter angeboten wird und ab wann die Buchungen freigeschaltet werden. Das variiert beispielsweise zwischen zwei und sechs Monaten im Vorlauf. Ich buche dann meistens direkt am Tag der Freischaltung und habe dadurch nicht nur den günstigsten Preis, sondern obendrein noch meinen Wunschplatz (beispielsweise im Kleinkindabteil oder Schlafwagen).
Ein Problem sind vor allem die uneinheitlichen Zug- und Buchungssysteme. Viele Verbindungen werden zwar über die Fahrplanauskunft der Deutschen Bahn angezeigt, können dort aber online nicht gebucht werden. Ein vernetztes Portal mit gesamteuropäischer Buchungsmöglichkeit gibt es bislang nicht. Abhilfe schaffen würden da übersichtliche Such- und Vergleichsportale für Zugverbindungen – die gibt es im Vergleich zum Flugverkehr aber kaum. Wer online nicht fündig wird, für den kann sich ein Besuch im Reisecenter direkt am Bahnhof lohnen oder bei einem auf Bahnreisen spezialisierten Reisebüro.
Wer Hilfe bei der Suche nach Verbindungen braucht, kann auf (Online-)Reisebüros und Apps zurückgreifen, zum Beispiel Bahnagentur Schöneberg, Bahnfüchse, Gleisnost oder Trainline.
Eine weitere Möglichkeit: Flexibles Reisen mit dem Interrail-Ticket in über 30 europäischen Ländern. Dieses Ticket ermöglicht es Menschen aller Altersgruppen gezielt ein, mehrere oder alle teilnehmenden Länder in Europa zu bereisen. Zur Auswahl stehen dabei verschiedene Tarifmodelle mit unterschiedlich vielen Fahrten, Reisetagen und Ländern. In der zugehörigen Bahnreisen-Planer-App können Besitzer eines Interrailtickets europaweite Strecken einfach planen und zusätzliche Sitzplatzreservierungen buchen.
Auch Zugverbindungen haben ihre Grenzen. Wer zum Beispiel nach Asien reisen möchte, kommt nur mit einer Abenteuer-Zugreise (beispielsweise über Traivelling) um den Langstreckenflug herum. Hier können Kompensationszahlungen als letztes Mittel helfen. Wir empfehlen Atmosfair.
Ein anderes Reiseerlebnis
Durch den höheren Zeitaufwand verbringen wir (mein Mann, unsere zwei Kinder und ich) zwar nur eine statt zwei Wochen an der portugiesischen Atlantikküste, aber wir passieren auf der Reise vier Länder und übernachten in Städten wie Paris und Lissabon. Wir kommen ins Gespräch mit Menschen, die wir ansonsten niemals treffen würden, haben keine Gepäckbeschränkungen und beobachten auf 3.000 Kilometern so einiges an Vegetation, Flora und Fauna. Dadurch, dass wir weniger Zeit vor Ort verbringen, stecken wir das übrige Reisebudget in eine komfortablere Reisekategorie.
Doch die Anreise mit dem Zug ist ein Luxus, den man sich leisten können muss. Auch wenn Kinder unter sechs Jahren in den meisten Zügen kostenlos mitfahren: Die Zugtickets sind meist um ein Vielfaches teurer als der Flug auf der gleichen Strecke. Hier braucht es dringend politische Rahmenbedingungen, die Zugreisen als wirkliche finanzielle Alternative zum Flugverkehr etablieren. Ein vernetztes Portal mit gesamteuropäischer Buchungsmöglichkeit könnte es außerdem den interessierten Reisenden wesentlich leichter machen, die beste Verbindung zu finden und dann schnell und einfach die Tickets dafür zu buchen.
Für uns wird der Urlaub mit unseren angepassten Reiseplänen nicht einmal unbedingt teurer, aber sicherlich um viele Eindrücke und Erfahrungen reicher – und unsere Kinder lernen so ganz nebenbei die Vielfalt unserer Welt kennen.
Elisabeth Stanzl (redaktionelle Mitarbeit Bettina Dlubek)
(Erschienen in der Naturschutz heute 2/20)
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