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Jetzt informieren!Ein Engel auf dem Boden der Tatsachen
So funktioniert eines der bekanntesten Umweltzeichen


Der Blaue Engel auf Schulmaterial. Foto: Blauer Engel/MagicPhoton
Er ist auf Toilettenpapier oder Toastern zu sehen – und prangt sogar auf einem Smartphone: Der Blaue Engel kennzeichnet seit fast 40 Jahren besonders umweltfreundliche Produkte. Im Herbst 2016 erfüllte mit dem Fairphone 2 das erste Smartphone die Standards des Umweltzeichens. Die stilisierte Figur, umgeben von einem Ährenkranz, kennt fast jeder. Doch wer entscheidet eigentlich, welche Produkte damit ausgezeichnet werden?
Dr. Benjamin Bongardt gehört zu der ehrenamtlichen Jury Umweltzeichen, die den Blauen Engel vergibt. Der NABU-Experte für Ressourcenpolitik ist eines von 16 Jurymitgliedern, die aus verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen kommen. Neben den Umwelt- und Verbraucherverbänden sitzen zum Beispiel Vertreter der Industrie- und Handelskammer, der Gewerkschaften und des Städtetags in dem Gremium. Das Bundesumweltministerium ernennt die Jurymitglieder für jeweils drei Jahre. Fachlich und organisatorisch werden sie vom Umweltbundesamt unterstützt.

Dr. Benjamin Bongardt vertritt den NABU in der Jury Umweltzeichen, die den Blauen Engel vergibt. Hier überprüft er mit Schülern das Schreibwarensortiment bei REWE. - Foto: Martina Weyand-Ong
„Es geht darum, Produkte hervorzuheben, die besonders hohe Umweltstandards erfüllen“, erklärt Bongardt. Dafür muss erst einmal definiert werden, wo das Umweltpotenzial jeweils liegt. Toilettenpapier und Smartphones lassen sich eben nicht nach denselben Kriterien beurteilen. Für jede Produktgruppe gibt es eine sogenannte Vergabegrundlage, die Standards und Grenzwerte definiert. Während Wandfarben nur eine geringe Menge an Lösungs- und Konservierungsmitteln enthalten dürfen, sind beim Smartphone zum Beispiel die Lebensdauer des Akkus und eine geringe elektromagnetische Strahlung wichtig.
Das Umweltbundesamt erarbeitet die Kriterien zusammen mit externen Fachleuten. Ob eine Vergabegrundlage realistisch und technisch umsetzbar ist, diskutieren die Experten außerdem mit der Wirtschaft. In Anhörungen können Vertreter von Unternehmen Kritikpunkte und Anregungen einbringen. Schließlich entsteht ein Entwurf, den das Umweltbundesamt an die Jurymitglieder schickt. „So haben wir die Möglichkeit, vor der Sitzung das Feedback aus unseren Institutionen einzuholen“, sagt Bongardt.
Vergabegrundlagen gelten nur für begrenzten Zeitraum
Zweimal jährlich trifft sich die Jury und entscheidet über neue Vergabegrundlagen. Vor allem aber geht es um bereits vorhandene Kriterienkataloge, die in Kürze auslaufen. Weil sich der Markt, die gesellschaftlichen und die rechtlichen Rahmenbedingungen ändern können, gelten die Vergabegrundlagen nur für einen begrenzten Zeitraum. Nach zwei bis fünf Jahren werden sie vom Umweltbundesamt überprüft und bei Bedarf angepasst. Sind beispielsweise mehr umweltfreundliche Produkte am Markt verfügbar, spiegelt sich das in den Kriterien des Blauen Engels wider. Schließlich soll er die jeweils umweltfreundlichsten Produkte kennzeichnen.
Während der Sitzung diskutieren die Jurymitglieder über die Entwürfe des Umweltbundesamtes. Dabei kristallisiert sich meistens schon heraus, ob jemand Änderungen einbringen will. So war die Jury mit einer Vergabegrundlage für Körperpflegeprodukte zum Beispiel nicht einverstanden. „Vorgeschlagen war, dass auch Deos, die mit Treibmittel funktionieren, den Blauen Engel erhalten können“, erzählt Bongardt. „Wir haben entschieden, dass es genug Deos ohne Treibmittel und folglich mit einer umweltfreundlicheren Verpackung gibt.“
Schließlich stimmt die Jury über die Vorschläge ab, die einfache Mehrheit entscheidet. „Es gibt auch strittige Fälle, wo mein umweltpolitischer Anspruch höher ist, als die Vergabegrundlage das zulässt“, meint Bongardt. So ging es ihm zum Beispiel beim Thema Straßenkehrmaschinen: „Die Maschinen mit dem Blauen Engel sind ziemlich lärmarm, aber die Abgasemissionen nicht so niedrig, wie wir als Umweltverband das gern hätten.“
Rohstoffherkunft oft intransparent
Das Beispiel zeigt: Der Blaue Engel schwebt nicht im luftleeren Raum, sondern muss sich an der Realität messen lassen. Und die sieht nicht immer so aus, wie Umweltschützer sich das wünschen. In der Nähe zur Wirtschaft liegen aber auch eine Stärke des Zeichens und der Schlüssel zu seinem Erfolg. Die rund 12.000 Produkte, die mit dem Blauen Engel versehen sind, rücken das Thema Umweltschutz stärker in den Blick der Verbraucher und machen das Zeichen zu einem Wegweiser für umweltschonenden Konsum.
Zum umweltpolitischen Patentrezept taugt der Blaue Engel aber nicht. Das zeigt sich besonders deutlich, wenn es um die Herkunft von Rohstoffen geht. Die Lieferketten, beispielsweise für Metalle, sind in einer globalisierten Welt oft intransparent. „Ein Hersteller weiß am Ende nicht, woher er die Rohstoffe bezieht, weil verschiedene Zulieferer, Rohstoff- und Warenbörsen dazwischen sind“, so Bongardt. Weil verlässliche Zertifizierungssysteme in vielen Bereichen fehlen, lässt sich die Herkunft der Rohstoffe nicht immer in die Vergabegrundlagen des Blauen Engels einbeziehen. „Wir tasten uns da langsam ran“, sagt Bongardt und betont, dass es hier noch an gesetzlichen Vorgaben mangelt. Wenn die Hersteller genau nachweisen müssten, woher sie ihre Rohstoffe beziehen, hätte es auch der Blaue Engel leichter. Dann könnte die Jury Umweltzeichen solche Kriterien in ihre Vergabegrundlagen stärker einbeziehen. Für Bongardt heißt das: Neben der Juryarbeit ist auch politische Lobbyarbeit notwendig.
Der Blaue Engel kennzeichnet rund 12.000 Produkte von 1.500 Unternehmen in 120 verschiedenen Produktgruppen. Das staatliche Umweltzeichen informiert Verbraucher schon seit 1978 über die Umwelteigenschaften von Produkten und Dienstleistungen. Er wird beispielsweise für Möbel und Matratzen, für Computer, Heizungsanlagen, aber auch für Carsharing vergeben.
Ann-Kathrin Marr (Nh 1/17)
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