Klatschmohn in voller Blüte - Foto: Helge May
Die rote Farbe des Sommers
Der Klatschmohn ist seit der Jungsteinzeit bei uns zuhause
Wenn sich die zarten Blütenblätter des Klatschmohns aus der Knospenhülle entfalten, scheinen sie wie aus hauchdünnem, knittrigen Papier. Die einzelne Blüte hält nur zwei bis drei Tage, bevor sie verwelkt. Doch insgesamt bleiben die Klatschmohnbestände bis in den August und darüber hinaus und produzieren Tag für Tag neue rote Blüten.
Heute weltweit verbreitet
Wie die meisten Ackerkräuter ist der Klatschmohn nicht seit Urzeiten in Mitteleuropa heimisch. Die Art stammt aus dem wärmeren Mittelmeerraum und drang zusammen mit dem Getreide während der Jungsteinzeit nach Norden, also irgendwann zwischen 4500 und 3000 vor Christus. Heute ist der Klatschmohn weltweit verbreitet, bei uns kommt er bis zu einer Meereshöhe von ungefähr 1000 Metern vor, darüber hinaus wird es ihm zu kalt.
Als typischer Getreidebegleiter ist der Lebensrhythmus des Klatschmohns gut an den des Getreides angepasst. Klatschmohn ist ein so genannter Lichtkeimer und benötigt deshalb jedes Jahr aufs neue wieder offene Flächen. Getreideäcker sind da ideal. Jedenfalls waren sie es, bevor die Saatgutreinigung immer besser wurde – so dass immer weniger der feinen Mohnsamen mit dem Getreide zusammen ausgesät wurden – und bevor Pestizide ab den 50er Jahren die Äcker immer „sauberer“ machten.
Erfolgreiche Flucht auf Böschungen und Brachen
Die frühen chemischen Pflanzengifte wirkten als so genannte Breitbandherbizide meist gegen alle zweikeimblättrigen Arten. Das sind fast alle auf den Äckern vorkommenden Arten, bis natürlich auf das Getreide selbst, das ja ein Grasart und damit einkeimblättrig ist. Die Folge war das Verschwinden unter anderem des roten Klatschmohns, der violetten Kornraden, der gelben Saatwucherblumen und der blauen Kornblumen; die Äcker waren nicht mehr bunt, sondern eintönig. Bald besiedelten allerdings Wildgräser wie Quecke, Hirsen oder Windhalm die von Konkurrenz freigespritzten Äcker und machten den Bauern mehr Probleme, als der Klatschmohn zuvor.
Während besonders hoch spezialisierte Ackerkräuter wie die Kornrade heute fast ausgestorben sind, hat der Klatschmohn auf Ausweichflächen überlebt. Seinen unzähligen, winzigen Samen werden vom Wind weit verbreitet, so dass sich immer wieder rasch freie Flächen besiedeln lassen. Das können neu angelegte Straßenböschungen sein, Schuttplätze oder Brachen. Vor allem seit immer mehr ehemalige Äcker brachfallen – und der Staat dafür Stilllegungsprämien zahlt –, sieht man dort große Klatschmohnbestände.
Aber auch an den lichten Ackerrändern werden die roten Blüten wieder deutlich häufiger. Das liegt an neuen Pestiziden, die jetzt nicht mehr alles umnieten und selektiver gegen bestimmte Problemkräuter wirken, und auch an den Bauern, bei denen das alte „viel hilft viel“ immer mehr einem sehr genau kalkulierten Mitteleinsatz weicht. Mit der Einführung gentechnisch herbizidresistent gemachter Nutzpflanzen könnte sich das allerdings wieder dramatisch ändern.
In Deutschland gibt es vier wild wachsende Mohnarten. Neben dem weit verbreiteten Klatschmohn sind das Sandmohn und Saatmohn – mit den Unterarten Lecoqs Mohn und Verkannter Saatmohn – sowie der Weiße oder Salzburger Alpenmohn. Mancherorts kommen verwildert auch Schlafmohn und Hybridmohn vor. Namensähnliche Zierpflanzen wie Hornmohn und Kappenmohn dagegen gehören ebenso zu anderen Gattungen aus der Familie der Mohngewächse, nämlich zu Glaucium und Eschscholzia, wie das heimische Schöllkraut (Chelidonium majus).
Bestimmungsmerkmale der heimischen Mohnarten
Beim Alpenmohn mit seinen weißen Blüten und der alleinigen Verbreitung in den Hochlagen der Allgäuer und Berchtesgadener Alpen besteht keine Verwechslungsgefahr mit dem Klatschmohn. Die übrigen wild wachsenden Arten sehen sich allerdings sehr ähnlich und alle sind Ackerkräuter. Botaniker versuchen sie anhand der folgenden Merkmale auseinander zu halten:
- Klatschmohn (Papaver rhoeas): Blütenblätter kräftig rot, meist mit großem schwarzem Grundfleck; Blütenstiel mit abstehenden Haaren, acht bis zwölf Narbenstrahlen, Samenkapsel dick eiförmig.
- Sandmohn (Papaver argemone): Blütenblätter dunkelrot, mit schwarzem Grundfleck; vier bis acht Narbenstrahlen, keulenförmige Samenkapsel, mehrfach länger als breit. Etwas wärmebedürftiger als Klatsch- und Saatmohn.
- Saatmohn (Papaver dubium dubium): Blütenblätter hellrot, Blütenstiele anliegend behaart; sechs bis neun Narbenstrahlen, Samenkapsel kurz keulenförmig und allmählich in den Stiel übergehend; Milchsaft an der Luft weiß bleibend.
- Verkannter Saatmohn (Papaver dubium confine): wie vorher, Blütenstiele im unteren Drittel abstehend, fünf bis acht Narbenstrahlen; Milchsaft zunächst weiß oder farblos trocknend, nach einer Viertelstunde gelb werdend.
- Lecoqs Mohn (Papaver dubium lecoqii): wie Saatmohn, Milchsaft an der Luft sofort dunkelgelb werdend, gelbbraune Staubbeutel.
Giftig durch weißen Milchsaft
Bricht man einen Klatschmohnstängel ab oder ritzt mit dem Fingernagel in die noch unreife Samenkapsel, tritt ein weißer, klebriger Saft aus. Dieser Saft ist wie alle Teile der Pflanze leicht giftig, denn er enthält Alkaloide, vor allem Rhoeadin. Der Alkaloidgehalt im Klatschmohn ist allerdings sehr gering – im Unterschied zu seinem rosafarbenen Verwandten, dem Schlafmohn (Papaver somniferum). Aus dessen Milchsaft wird bekanntlich das Opium und damit der Rohstoff für Heroin gewonnen.
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Eine von einer Million: Weiße Blüten wie hier kommen beim wildwachsendem Klatschmohn nur äußerst selten vor. - Foto: Helge May
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Anders sieht es bei Zuchtformen aus, wie sie oft in Samenmischungen enthalten sind. Hier ist von weiß über pink bis kräftigrot vieles möglich. Diese Saatmischungen sind daher nur für Gärten geeignet, sie sollten nie in der freien Natur ausgebracht werden. - Foto: Helge May
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Der nah verwandte Saatmohn - Foto: Helge May
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Der ebenfalls heimische Sandmohn blüht etwas früher als der Klatschmohn - Foto: Helge May
Der Alkaloidgehalt des Klatschmohns ist nicht nur geringer, die Zusammensetzung ist auch eine ganz andere. So fehlt zum Beispiel das Morphium im Klatschmohn völlig. Und auch der Kulturmohn, wie er zum Beispiel im österreichischen Waldviertel zur Öl- und Mohnsamengewinnung angebaut wird, ist weitgehend frei von Opiaten. Außerdem enthalten Mohnsamen ohnehin kaum Alkaloide. Man müsste schon eine ordentliche Menge Mohnstrudel verdrücken, um bei einer Verkehrskontrolle als vermeintlicher Drogenkonsument aufzufallen.
Schlafmittel im Kinderbrei
Der wissenschaftliche Name Papaver geht auf das lateinische „pappare“ für essen und die damit verbundene Kinderwort „pappas“ für Brei zurück. Die alten Römer sollen Schlafmohnsaft dem Kinderbrei beigemischt haben, um die lieben Kleinen still zu bekommen. Der Artname rhoeas des Klatschmohns stammt vom griechischen „rhoia“ für „fließen“ und deutet ebenfalls auf dem austretenden Milchsaft. Mohn war der griechischen Fruchtbarkeitsgöttin Demeter geweiht und Brautpaare wurden deshalb mit Mohnblüten überschüttet.
In der christlichen Bildsprache wiederum steht Klatschmohn zusammen mit reifen Getreideähren für das Blut und den Leib Christi. Der deutsche Name Klatschmohn schließlich soll vom Aneinanderklatschen der Blüten bei Wind und Regen kommen – aber welche Blüten tun das nicht?
Helge May
Wer mit offenen Augen durch die Natur geht, wird auch in der Pflanzenwelt „Albinos“ entdecken, also Blüten mit art-untypischer Weißfärbung. Sie sind auch als Weißlinge oder Albiflora-Formen bekannt. Mehr →
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