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Keine Scheu vor Menschen in der Stadt
Im Wald einem Fuchs zu begegnen ist unwahrscheinlich. Dafür sind die Tiere zu scheu. In der Stadt sind Füchse dagegen immer häufiger anzutreffen. Beispielsweise in Berlin, mittwochs um halb sieben im Bus 222 von Tegelort nach Alt-Lübars: Als Busfahrerin Sonja Henschel vor der Abfahrt einen letzten Blick in den Rückspiegel wirft, staunt sie nicht schlecht. Zwischen den Sitzen tauchen plötzlich zwei spitze Ohren auf. Der erste Fahrgast des Tages ist ein Rotfuchs. Erst durch lautes Pfeifen ist er zum Aussteigen zu bewegen – schließlich hatte er kein Ticket.
Füchse sind typische Kulturfolger, die sich in der Stadt genauso wohlfühlen wie Menschen. Man trifft sie im Park, auf der Straße, im Einkaufszentrum und vor der Terrassentür. Die Tiere sind Allesfresser, für die der Tisch in der Stadt fast immer reich gedeckt ist. So wie ihre Verwandten auf dem Land jagen auch Stadtfüchse Mäuse und Ratten. Wenn die Stadt schläft, ziehen sie los. Doch ist der Sammeltrieb von Stadtfüchsen stärker ausgeprägt als ihr Jagdtrieb. Systematisch klappern sie Mülleimer an Parkbänken, Haltestellen oder Imbissbuden ab und peppen ihren Speiseplan mit Resten aus Pizzakartons, Dönertüten oder Currywurstschälchen auf.
Mehr Stadt- als Landfüchse
Füchse seien extrem anpassungsfähig, sagt Andreas König, Wildtierökologe an der Technischen Universität München: „Das hat die Gattung so erfolgreich gemacht.“ Füchse zählen zur Hundefamilie. Am weitesten verbreitet ist der Rotfuchs; er kommt in Europa, Asien und Nordamerika vor. In Mitteleuropa ist er als einzige Fuchsart heimisch. Wenn hierzulande vom Fuchs die Rede ist, geht es fast immer um den Rotfuchs, erkennbar am rötlich-braunen Fell, das an Schnauze, Brust und Bauch weiß gefärbt ist.
Erwachsene Tiere erreichen eine Schulterhöhe von bis zu 50 und eine Kopf-Rumpf-Länge von bis zu 75 Zentimetern; Fähen sind etwas kleiner als Rüden. Füchse haben einen schlanken, untersetzten Körperbau, wirken jedoch insbesondere im Winter durch ihr dichtes Fell und den bis zu 40 Zentimeter langen, buschigen Schwanz größer und massiger, als sie tatsächlich sind.
Bei der Wahl des Lebensraumes sind Füchse nicht anspruchsvoll. Sie siedeln im Wald, auf Ackerland, an der Küste oder im Gebirge. In die Stadt zieht es sie seit Ende der 90er Jahre. Dort gibt es mehr Nahrung, die Strukturvielfalt ist größer als auf dem Land, und vor allem werden sie nicht bejagt. „Die Tiere haben schnell kapiert, dass Stadtmenschen keine Gefahr darstellen“, erläutert König. Inzwischen gebe es mehr Stadt- als Landfüchse: „Auf ein Exemplar pro 100 Hektar im ländlichen Raum kommen zehn bis fünfzehn in der Stadt.“
WG mit Dachs, Iltis und Kaninchen
Ein Ungleichgewicht, das mit dem flexiblen Sozialverhalten zu tun hat, zu dem Füchse fähig sind: „In der Stadt, wo die Tiere genug Nahrung auf engem Raum finden, leben sie meist in Familienverbänden zusammen“, führt der Wildtierökologe aus. Jeder Verband werde von einem dominanten Rüden und einer dominanten Fähe geführt. „Hinzu kommen die aktuellen Jungen sowie Jungtiere des vorletzten Wurfs, die sich dem dominanten Paar unterordnen müssen.“ Die Gruppenmitglieder durchstreifen ein abgegrenztes Gebiet, das gegen Fremdfüchse verteidigt wird. Anders auf dem Land: Dort beanspruchen Einzelgänger oder Paare ein Revier für sich allein, das aufgrund geringerer Nahrungsdichte zudem deutlich größer ist. Während Stadtfüchse sich im Schnitt mit weniger als 50 Hektar zufriedengeben, betragen die Reviergrößen auf dem Land zwischen 200 und 700 Hektar.
Erdbaue von Füchsen bestehen aus einem Kessel, dem Hauptraum, und mehreren Fluchtröhren. Ihren Bau graben sie nicht immer selbst. Oft beziehen sie Dachs- oder Kaninchenhöhlen, die sie ausbauen und erweitern. Ist Platz genug, kommt es vor, dass der Fuchs seinen Bau mit einem Dachs, Iltis oder Wildkaninchen teilt. In einer solchen Wohngemeinschaft geht es meist friedlich zu; potenzielle Beutetiere bleiben unbehelligt.
In der Stadt nehmen Füchse aber auch mit einfacheren Behausungen wie Holzstößen, Garagen oder Gartenschuppen vorlieb. Im Bau ziehen Füchse auch ihre Jungen auf; drei bis sechs pro Wurf, die in den ersten Wochen noch taub und blind sind. In dieser Zeit verlässt die Fähe nur selten den Bau und wird vom Rüden mit Nahrung versorgt.
Auf der Jagd wie eine Katze
Als Beute dienen dem Fuchs Vögel, Reptilien, Junghasen und kleine Nagetiere. Er frisst aber auch Aas, Regenwürmer, Insekten, Früchte und Beeren. Am liebsten erbeuten Füchse allerdings Mäuse, die sie mit dem sogenannten Mäusesprung schlagen. Dabei legen sie den Kopf schief, orten die Maus mit ihren in fast alle Richtungen drehbaren Ohren, schnellen im bogenförmigen Sprung hoch und packen mit den Vorderpfoten zu – ein Jagdverhalten, das dem einer Katze ähnelt.
Stadt- und Landfüchse haben sich im Lauf der Jahre auch genetisch auseinanderwickelt. Stadtfüchse kann man nicht umsiedeln – sie gehören in die Stadt. Dabei muss kein Mensch Angst haben, sich mit Tollwut anzustecken. Deutschland gilt seit 2008 als tollwutfrei. Auch Fuchsbandwurm-Erkrankungen sind hierzulande extrem selten. Trotzdem sollte man nie versuchen, einen zutraulichen Stadtfuchs zu streicheln. Füchse sind Wildtiere – auch in der Stadt.
Hartmut Netz (Naturschutz heute 4/23)
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