Leben nah am Fluss, um dort fischen zu können. Für Bi Teguh war das in ihrer Kindheit ganz normaler Alltag. - Foto: Saparudin
Wo sind all die Orchideen hin?
Interview mit Bi Teguh aus Indonesien




„Wir werden im Wald geboren und im Wald begraben“, sagt Bi Teguh - Foto: Ardi Wijaya
Was bedeutet Ihnen der Regenwald, in dem Sie leben?
Dieser Wald ist mein Zuhause. Meine Eltern haben mich in Hutan Harapan großgezogen, hier habe ich meinen Mann kennengelernt, eigene Kinder und schließlich Enkelkinder bekommen. Was meine Familie eint, ist das Zusammenleben mit dem Regenwald und dem, was er uns zum Leben bietet: Wir leben von Produkten aus Harz, Drachenblut, Rattan oder Honig. Ich gehöre zur indigenen Gruppe der Batin Sembilan und habe in meiner Kindheit und Jugend an verschiedenen Orten im Wald gelebt. Manchmal blieben wir einige Monate an einem Fluss, um zu fischen und einfach gut leben zu können. Wenn die Lebensmittel allmählich rar wurden, zogen wir weiter. Alle Kinder der Batin Sembilan wachsen so auf. Wir werden im Wald geboren und im Wald begraben. Trotz dieser nomadischen Tradition habe ich einen Lieblingsort: den Lalan-Fluss. Hier kam ich zur Welt. Hier ist der Wald noch dicht.
Das klingt, als hätten sich der Wald und das Leben mit ihm verändert.
In den vergangenen Jahrzehnten hat sich vieles verändert. Ich kann schon gar nicht mehr sagen, wie viele Hektar Wald wir durch externe Eingriffe und illegalen Holzeinschlag verloren haben. Es kamen Eindringlinge, sie rodeten Hunderte Hektar Wald. Während immer mehr Flächen brannten, wurde unser Leben beschwerlicher. Um Sialang-Honig oder Dammarharz zu gewinnen, mussten wir immer tiefer in den Wald hineinziehen.
Welche Tiere oder Pflanzen sind mittlerweile selten geworden?
Als ich ein Kind war, habe ich noch viele Elefanten in diesem Wald gesehen. Spuren von Tigern und ihre Rufe waren für uns normal. Ich erinnere mich auch noch gut an Orchideen, die wir „sakat-sakat“ nannten. All das ist viel seltener geworden. Dafür begegnen wir in Hutan Harapan nun häufiger Schweinen. Sie lieben die Palmölfrüchte auf den umliegenden Plantagen.
Heute arbeiten Sie selbst für das Regenwaldprojekt. Wie kam es dazu?
Das Management von Hutan Harapan hat mich gefragt hat, ob ich bei ihnen mitarbeiten würde und ich habe zugestimmt. Als PT Reki – so heißt die aus internationalen NGOs und weiteren Institutionen bestehende Verwaltung im Wald – uns die Mitarbeit angeboten hat, wurden außerdem einige Mitglieder unserer Community sesshaft. Einige der Batin Sembilan, darunter auch ich, wollen sich aktiv einbringen, da PT Reki das gleiche Ziel hat: Gemeinsam mit uns, den Batin Sembilan, wollen sie das 100.000 Hektar große Waldgebiet erhalten. Wir brauchen diesen Wald!
„Hutan Harapan“ ist indonesisch und bedeutet übersetzt „Wald der Hoffnung“: Der NABU ist seit über zehn Jahren in Hutan Harapan aktiv und einer von mehreren internationalen Partner*innen dieses Klimaschutz-Projekts. Oberste Priorität haben heute der Schutz der bestehenden und die Wiederherstellung von degradierten Waldflächen im Gebiet. Damit sollen nicht nur die fantastische Biodiversität, sondern auch die Lebensgrundlagen der im Wald lebenden indigenen Gruppe der Batin Sembilan gesichert werden. Die Verhinderung illegaler Nutzungen und Wilderei, Waldbrandvorbeugung und -bekämpfung gehören dazu. Bi Teguh und andere Bewohner*innen Hutan Harapans arbeiten eng mit der Verwaltung zusammen.
Können Sie uns etwas über das Frauenförderprogramm erzählen, in dem sie mitwirken? Was genau machen Sie dort?
Ich wurde von PT Reki als Feldbetreuerin angestellt, um die Frauen der Batin Sembilan zu ermutigen, sich aktiv für den Waldschutz einzusetzen. Das tun wir, in dem wir zum Beispiel nach Nichtholzprodukten aus dem Wald suchen oder Bäume pflanzen. Wir haben auch Kunsthandwerk hergestellt, wie Teller, Hüte und kleine Körbe für Flaschen. Sie bestehen oft aus Uluhe-Farn (Dicranopteris linearis). Einige Körbe für die Fischerei und unseren eigenen Bedarf sind aus Rattan gefertigt.
Warum ist es wichtig, besonders Frauen zu empowern, das Waldgebiet von Hutan Harapan zu erhalten und wiederherzustellen?
Für die konkreten Schutzmaßnahmen spielen tatsächlich unsere Männer der Batin Sembilan eine größere Rolle: Sie patrouillieren im Wald, um illegalen Holzeinschlag zu verhindern. Dabei wechseln sie sich gegenseitig ab. Meiner Meinung nach brauchen jedoch wir Frauen der Batin Sembilan den Wald noch dringender. Denn wir sind stärker auf den Wald angewiesen, etwa wenn wir nach Dammarharz, Rattan und Feuerholz suchen oder wenn wir fischen. Das tun wir fast jeden Tag. Für uns Frauen ist es extrem wichtig, den Wald zu erhalten.
Wie viele Frauen sind in dem Programm engagiert?
Wir sind etwa zehn Frauen. Wenn wir handwerklich tätig sind, machen oft auch unsere Kinder mit. Bei Baum-Pflanzaktionen haben wir ebenfalls unsere Söhne und Töchter gebeten, uns zu unterstützen. Die Frauen zu überzeugen, sich zu engagieren, war nicht schwer. Ich fragte sie: „Ist es besser, in der Palmölplantage oder im Wald zu leben?“ Sie sagten, der Wald sei der bessere Ort. Schließlich haben unsere Vorfahren ihr ganzes Leben hier verbracht.
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Die Tiger-Orchidee: In Hutan Harpan ist sie heute selten zu finden. Indonesiens Regenwälder beherbergen eine unglaubliche Artenvielfalt. - Foto: Canva
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Bi Teguh und eine Freundin pflanzen einen Baum. Die Regenwaldfläche von 100.000 Hektar soll erhalten werden. Auch Wiederherstellungsmaßnahmen gehören zum Projekt. - Foto: Ardi Wijaya
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Der Sumatra-Elefant steht auf der Roten Liste der IUCN und ist vom Aussterben bedroht. - Foto: Hutan Harapan Research Team
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Bester Überblick! Wenn es zu illegalen Handlungen im Gebiet kommt, melden das die Mitarbeiter*innen von Hutan Harapan. - Foto: Hutan Harapan
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Den Sumatra-Tiger gibt es – wie der Name schon sagt – nur auf der indonesischen Insel Sumatra. Er ist also endemisch. - Foto: Camera Trap
Was würden Sie den großen Palmöl-Firmen sagen, die viel zur Zerstörung des Regenwaldes beigetragen haben?
Für uns ist die Situation prekär. Wir leben schon immer vom Wald und seinen Erzeugnissen. Wir haben keine Jobs in den umliegenden Städten. Jene, die die Palmölindustrie nach Hutan Harapan gebracht haben, sind Fremde. Auch die Angestellten dieser Firmen kommen aus anderen Teilen des Landes, von der Insel Java zum Beispiel. Sie roden Dutzende Hektar Waldflächen, um sich zu bereichern. Ich persönlich kann die Besitzer*innen der Palmöl-Unternehmen nicht treffen, aber ich flehe unsere Regierung an, keine Genehmigungen für Palmöl-Unternehmen zu erteilen. Und wenn die Regierung schon Lizenzen erteilt, sollte sie diese nicht blind vergeben, sondern vorher den Standort genau überprüfen. Liegt der Standort im Wald, ja oder nein? Letztes Jahr im Juli, das war noch vor der Trockenzeit, war der Boden bereits ausgedorrt. Und warum? Wegen des Palmöls. Wir Batin Sembilan haben keine Plantagen, weil wir den Wald lieben. Aber die Leute von außerhalb? Sie zerstören ihn.
Aktuell gibt es Pläne eines Unternehmens, eine große Straße durch Hutan Harapan zu bauen, auf der Kohle transportiert werden soll. Wie gehen Sie damit um?
Wir wissen nicht, wie wir diese Pläne stoppen können. Immerhin können wir unsere Position an PT Reki übermitteln. Sie sind unser Sprachrohr: Über sie rufen wir dazu auf, die Menschen zu schützen, die jetzt und auch in Zukunft ein nomadisches Leben im Wald führen werden – wie die Mat Liar oder MatKecik. Mit dieser Straße würden die Eingriffe in Hutan Harapan zunehmen, ebenso wie der illegale Holzeinschlag. Um genau das zu verhindern, sind wir auf die Unterstützung der Regierung angewiesen.
Mit welchem Gefühl blicken Sie in die Zukunft, werden die nächsten Generationen noch gut in dem Wald leben können?
Unser Leben hat sich stark gewandelt. Meine Generation hat keine klassische Schuldbildung, keine Abschlüsse, also kamen für uns auch lange keine „normalen“ Jobs infrage. Das sieht für unsere Kinder anders aus. Sie können nun lesen und schreiben, da PT Reki hat in Hutan Harapan eine Grundschule aufgebaut hat. Ich bin froh, dass mein Sohn heute für das Management im Wald arbeiten kann. Wir müssen dieses letzte verbliebene Waldgebiet, in dem unsere Vorfahren aufgewachsen sind, erhalten. Auch für unsere Kinder und Enkelkinder soll dieser Schatz des Lebens noch existieren. Denn wie würde unsere Welt ohne Wald aussehen?
Projektförderung durch die Internationale Klimaschutzinitiative
Das Projekt „Hutan Harapan“ wird gefördert durch die Internationale Klimaschutzinitiative (IKI) des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU). Die Initiative finanziert seit 2008 gezielt Klima- und Biodiversitätsprojekte in Entwicklungs- und Schwellenländern sowie in den Transformationsstaaten. Auf Grundlage einer Entscheidung des Deutschen Bundestages stehen der Initiative jährlich mindestens 120 Millionen Euro zur Verfügung. Die IKI ist ein wichtiger Bestandteil der deutschen Klimafinanzierung und der Finanzzusagen im Rahmen der Biodiversitätskonvention. Die IKI stellt explizit Klimaschutz, Anpassung an die Folgen des Klimawandels und den Schutz der biologischen Vielfalt in den Vordergrund. Damit gehen positive Nebeneffekte einher, insbesondere die Verbesserung der Lebensverhältnisse in den Partnerländern. Die IKI konzentriert sich auf vier Themenbereiche: Minderung von Treibhausgasemissionen, Anpassung an die Folgen des Klimawandels, Erhalt natürlicher Kohlenstoffsenken, mit Schwerpunkt auf der Reduktion von Emissionen aus Entwaldung und Walddegradierung (REDD+), sowie Schutz der biologischen Vielfalt.
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