Wenn in Deutschland der Wald brennt, sind meist solche naturfernen Kiefernforsten betroffen - Foto: Helge May
Ohne Funke kein Feuer
Über den Umgang mit Waldbränden
Für Naturbegeisterte ist Treuenbrietzen eine Reise wert. Unweit der brandenburgischen Kleinstadt südwestlich von Berlin erstreckt sich mit dem 260 Hektar großen Schutzgebiet „Zarth“ ein von Bächen durchzogener Feuchtwald, der sich ohne Bewirtschaftung frei entwickeln kann. Hier sind Schwarzstorch und Fischotter zuhause, in den angrenzenden Wiesen lassen sich im Frühsommer mit etwas Glück Braunkehlchen beim Füttern des Nachwuchses beobachten.
Brandenburg brennt
Bundesweite Bekanntheit erlangte Treuenbrietzen aus einem anderen Grund. Denn Feuchtwälder sind hier nicht die Regel, die Region ist geprägt von weiten Kiefernforsten auf trockenen Sandböden. Alleine der Treuenbrietzener Stadtwald – kürzlich für 20 Millionen Euro an einen Privatwaldbesitzer verkauft – ist 1900 Hektar groß. Bekannt wurde Treuenbrietzen, weil es in den Kiefernforsten in den letzten Jahren mehrfach verheerende Brände gab. 2018 standen 400 Hektar in Flammen und zuletzt brannte es Mitte Juni 2022 auf über 200 Hektar.
Dass ausgerechnet hier so große Brände wüten, ist bittere Ironie. Schließlich war man dabei, die Forsten in naturnahe Wälder umbauen. Wobei abzuwarten bleibt, ob dieser Kurs nach der Privatisierung beibehalten wird. Dass es Kiefern sind, die brennen, ist allerdings kein Zufall. Deren Nadelstreu lässt sich besonders einfach entzünden und das harzreiche Kiefernholz ist ideales Brennmaterial. Mit seinen 70 Prozent Kiefernanteil ist Brandenburg unser Waldbrandland Nummer eins. 2022 brannten an 553 Stellen rekordverdächtige 1400 Hektar. Zum Vergleich: Deutschlandweit waren es 4300 Hektar, in ganz Europa enorme 766.000 Hektar – zehnmal die Fläche der Freien und Hansestadt Hamburg.
Motiviert und schlagkräftig
Da ist es ein geringer Trost, dass die Zahl der Waldbrände in Deutschland im Prinzip seit Jahrzehnten abnimmt. Nach Ansicht von Waldschutzprofessor Michael Müller von der TU Dresden gehört die Waldbrandüberwachung in Deutschland „zur besten der Welt“. Auch würden die „sich verändernden Waldstrukturen die Brandempfänglichkeit der Wälder zunehmend mindern und die Brandbekämpfung erleichtern“. Zudem seien die Feuerwehren trotz notwendiger Verbesserungen bei Personal, Ausrüstung und Fortbildung „sehr motiviert und schlagkräftig“, lobt Müller.
Wie natürlich sind Brände?
In manchen Lebensräumen spielen Brände eine wichtige ökologische Rolle. Etwa in offenen Savannen, wo die Vernichtung des Altgrases vor dem Beginn der Regenzeit Grundlage für neues Leben schafft. In etlichen Waldgesellschaften gehören Brände ebenfalls zum natürlichen Kreislauf. So bringen erst Bodenfeuer die herabgefallenen Früchte der amerikanischen Mammutbäume zum Aufplatzen und Auskeimen. Auch einige südliche Kiefernarten benötigen Feuerimpulse und eine ganze Reihe Tiere sind auf die Besiedlung von Brandflächen spezialisiert.
In den USA hat sich mit der Feuerökologie sogar eine eigene Teilwissenschaft herausgebildet und die Simulation von Feuerereignissen als Naturschutzmaßnahme etabliert. Auch die Forstbehörden setzen gezielt Feuer ein, um kontrolliert die „Brennstoff-Menge“ in den Wäldern zu reduzieren. Nicht immer gelingt das. Im vergangenen Sommer entwickelte sich aus einer solchen Maßnahme im Bundesstaat New Mexico das größte dort jemals registrierte Flächenfeuer. 137.000 Hektar verbrannten.
Eher selten sind Brände in tropischen Wäldern. Wenn es dort brennt, hat der Mensch seine Hand im Spiel – meist, um Flächen für die Landwirtschaft zu gewinnen. Die Brandrodung hat aber nur kurzfristig Erfolg, denn die freigelegten Waldböden sind in der Regel ausgesprochen nährstoffarm. Auch in unseren gemäßigten Breiten spielte Feuer in der Naturlandschaft wohl kaum eine Rolle. Jedenfalls deuten die aus Analysen bekannte frühere Waldzusammensetzung und das weitgehende Fehlen von an Waldbrände angepassten Organismen darauf hin.
Das Märchen vom bösen Totholz: Wälder aufräumen verhindert keine Brände
Der Sommer 2022 bescherte uns zwei außergewöhnliche Brände, beide in schwierigem bergigem Gelände und beide in einem Nationalpark. Zunächst brach im Juli und August ein Feuer im tschechisch-sächsischen Grenzgebiet des Elbsandsteingebirges aus, Anfang September eines am Brocken im Harz. Aus den Reihen der Feuerwehr und aus der örtlichen Politik wurden schnell Stimmen laut, die in der „unaufgeräumten“ Natur eine Gefahr für Leib und Leben sahen. Das in den Wäldern stehende und liegende Totholz verstärke die Brände, behindere die Löscharbeiten und müsse daher schleunigst entfernt werden.
Besonders heftig wurde in Sachsen diskutiert, so dass der Landtag den renommierten Forstwissenschaftler und Waldbrandexperten Michael Müller mit einem Gutachten (PDF) beauftragte. Der kam zu dem Schluss, dass das Totholz keine Auswirkung auf die Brandausbreitung hatte, diese war mit 60 Metern pro Stunde ohnehin ausgesprochen langsam. Auch gab es keine Behinderungen auf den für die Brandbekämpfung vorgesehenen Wegen.
Laut Müller brennt Totholz „zumeist nur bei Dimensionen unterhalb der Derbholzgrenze, also bei Durchmessern unterhalb von sieben Zentimetern“. Alles, was dicker ist, brennt nur oberflächlich, verkohlt und verrußt. Das Feuer an Hölzern mit größeren Dimensionen erlischt zumeist von selbst, wenn das Bodenfeuer keine hinreichende Energie mehr liefert.
Die Totholzdiskussion ist damit sicher noch nicht beendet, zumal es auch um die Frage geht, wie mit den abgebrannten Flächen umzugehen ist. So wurden im Harz bei Schierke Teilflächen komplett abgeräumt. „Das großflächige Räumen von Totholz widerspricht ganz klar den Kriterien eines Nationalparks und dem Nationalpark-Gesetz“, stellt dazu der niedersächsische NABU-Vorsitzende Holger Buschmann fest, „Totholz ist ein wichtiger Bestandteil im Ökosystem Wald. Es bindet viel Feuchtigkeit und wirkt auf diese Weise sogar als natürlicher Brandschutz.“
Was die Brandursache betrifft, kam eine Landtagsanfrage der Grünen in Sachsen-Anhalt zu interessanten Ergebnissen: Eine amtliche Übersichtskarte der Brandstellen der letzten Jahrzehnte ergab genau den Streckenverlauf der Brockenbahn. Das weist auf Funkenflug der Bahn oder auf zigarettenrauchende Passagiere hin.
Mehr als 99 Prozent aller Waldbrandereignisse in Deutschland, rechnet Müller vor, werden bereits zehn Minuten nach Entstehung entdeckt. Schon eine Viertelstunde nach dem Alarm startet die Brandbekämpfung und innerhalb von höchstens zwei Stunden ist der Brand unter Kontrolle, so dass meist weniger als ein Hektar betroffen ist.
Eine halbe Million Blitze
Nun können die Kiefern so harzreich sein, wie sie wollen, von allein fangen sie nicht Feuer. Auch heißes Wetter wie im letzten Juni ändert daran nichts. Schließlich braucht es rund 250 Grad Celsius, damit sich ein Feuer entzündet. Das schafft die Sommerhitze nicht. Und obwohl bundesweit im Jahr bis zu einer halben Million Blitze einschlagen, kommen sie als Waldbrand-Ursache ebenfalls so gut wie nicht vor.
Auch die gerne zitierten Glasflaschen und der angebliche Brennglaseffekt von Glasscherben scheiden aus. Das wurde in Experimenten zweifelsfrei widerlegt. Fast alle Brände entstehen vielmehr durch unsachgemäßen Umgang mit offenem Feuer – von der Zigarette bis zum Grillgut – sowie durch Funkenflug und heiße Zündquellen wie Katalysatoren. Und natürlich durch absichtliche Brandstiftung.
Schön am Boden bleiben
Brände entwickeln sich in Phasen, es steht nicht gleich der ganze Wald in Flammen. Zuerst brennen die Streu- und Humusauflage sowie die Bodenvegetation. Es brennt in der Regel ein bis 50 Zentimeter breiter Streifen am Rand der Brandfläche. Ob eine weitere horizontale und zusätzlich vertikale Brandausbreitung erfolgt, hängt von der Kraft dieses sogenannten Bodenfeuers ab. Das Holz lebender Bäume brennt dagegen nicht, weil es zu viel Wasser enthält und die Bodenfeuer nicht genügend Energie abgeben, um dieses auszutrocknen und zu zünden.
Waldumbau und Löschbrunnen: Das tut der NABU
Der NABU versucht nicht nur Politik und Verwaltung zu beeinflussen, damit unsere Wälder widerstandfähiger und naturnäher werden. Vor allem über seine Stiftung Nationales Naturerbe wird der NABU auch direkt tätig. Ein erheblicher Anteil der mehr als 21.000 Hektar Flächenbesitz besteht aus Wäldern, darunter große Nadelholzforsten, die Stück für Stück umgebaut werden.
Zudem ist der NABU unter anderem an der Stiftung Naturlandschaften Brandenburg beteiligt, in die er den über Spenden gekauften ehemaligen Truppenübungsplatz Lieberose eingebracht hat. Lieberose ist für seine spektakuläre Naturausstattung bekannt, im dem teils munitionsbelasteten Gebiet kommt es aber auch immer wieder zu Bränden. Ziel ist es, die umliegenden Bereiche maximal zu schützen und dabei möglichst wenig in die naturbelassenen Flächen mit hohem Naturschutzwert einzugreifen. 2022 wurden im Wildnisgebiet Lieberose zwei neue rund 30 Meter tiefe Löschwasserbrunnen eingerichtet und die Waldbrandschutzstreifen wurden um 1,3 Kilometer ergänzt.
Verhaltenstipps
- Kein Feuer im und am Wald entzünden.
- Grillen nur an ausgewiesenen Grillplätzen.
- Autos auf vorgesehen Parkplätzen abstellen, nicht einfach auf Waldwegen oder Flächen mit leicht entzündbarem Untergrund. Von den heiß gelaufenen Katalysatoren geht Gefahr aus.
- Keine Zigarettenstummel im Wald entsorgen. In einigen Bundesländern herrscht im Wald ganzjähriges Rauchverbot, in den meisten Bundesländern ist das Rauchen dort vom 1. März bis zum 31. Oktober nicht gestattet.
- Zigaretten nicht aus dem (fahrenden) Auto werfen, dafür gibt es Aschenbecher.
- Auf aktuelle Warnhinweise am Waldrand achten.
- Bei hoher Waldbrandgefahr den Wald am besten meiden, auch zur Eigensicherung.
Unabhängig davon können allerdings kleine brennende Zweige vom Wind über hunderte Meter weit durch die Luft getragen werden. Strategie der Feuerwehr ist es in der Regel, ein Übergreifen auf die Baumkronen zu verhindern. Ein Kronenfeuer verbraucht viel Sauerstoff. Es entsteht bodennah ein starker Luftzug, durch den sich das Feuer rasch zu allen Seiten ausbreitet.
Versuch in Flammen
Irgendwann ist jedes Feuer gelöscht oder hat sich totgelaufen. Nun soll möglichst rasch neuer Wald entstehen und möglichst einer, der feuerfester ist. Wie das geschehen kann, untersucht ein Team um Professor Pierre Ibisch von der Hochschule Eberswalde im Projekt „Pyrophob“. Die Versuchsflächen liegen ausgerechnet in Treuenbrietzen, so dass nun ein Teil des Experimentes in Flammen aufging. Eine vier Jahre alte Wiederbewaldung kann natürlich noch keinem Feuer widerstehen.
Dennoch gibt es erste Ergebnisse. Schnell siedelten sich als Pionierbäume von alleine Zitterpappeln an, „die viel effektiver wuchsen als alles, was von Menschenhand gepflanzt wurde“. Neben Kräutern wachsen sich auch schon Moose, so dass die Wasserspeicherkapazität zunimmt und sich langsam ein eigenes Mikroklima ausbildet. Dass neue Baumarten aus Amerika oder dem Mittelmeergebiet unsere Wälder brand- und klimafester machen würden, sieht Ibisch nicht. Er vertraut auf die Vielfalt heimischer Laubgehölze und drängt darauf, großflächige Wälder mit hoher Strukturvielfalt zu erhalten.
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