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NABU zieht Bilanz zum 20-jährigen Bestehen des Schutzgebietsnetzes
21. Mai 2012 -
Das Programm, das mit Verabschiedung der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH) der EU am 21. Mai 1992 in Kraft trat, stellt heute fast ein Fünftel der EU-Landfläche unter Schutz, in etwa die doppelte Fläche Deutschlands.
NABU-Präsident Olaf Tschimpke würdigte „die Weitsicht, mit der Europas Regierungen vor zwei Jahrzehnten beschlossen haben, die wichtigsten Naturschätze und einmalige Ökosysteme vor der Zerstörung zu sichern“. Zugleich äußerte er seine Sorge darüber, das Netzwerk und sein Potenzial könnten durch politische Kurzsicht verspielt werden. Fehlende Schutz- und Managementmaßnahmen vor Ort sowie ein eklatanter Finanzmangel des Programms, so Tschimpke, drohten das Netzwerk zum zahnlosen Papiertiger zu machen.
Gerade in Deutschland, wo die Gesamtfläche der Schutzgebiete mit gut 15 Prozent weit unter dem EU-Durchschnitt von knapp zwanzig Prozent liegt, fehlt es vielerorts an verbindlichen Schutzverordnungen und Managementplänen. Zahlreiche Flächen sind durch unzulässige Eingriffe, wie eine intensivierte Land- und Forstwirtschaft, bedroht. Dies gilt in besonderem Maße für die Grünländer.
Zur Gefährdung dieser für den Natur- und Artenschutz unerlässlichen Flächen stellte der NABU heute erste Ergebnisse einer Studie vor. Daten aus FFH-Gebieten in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz zeigen: Innerhalb von fünf Jahren gingen in beiden Ländern durchschnittlich 36 Prozent Grünland in den untersuchten Schutzgebieten verloren, im FFH-Gebiet „Blumberger Pforte und Mittlere Wutach“ in Baden-Württemberg sogar 76 Prozent. Die Gründe dafür liegen vor allem in der Intensivierung, Beweidung und Umwandlung der Grünflächen in Ackerland. Auch in Norddeutschlands Vogelschutzgebieten werden ähnliche Verluste registriert. So ist in Niedersachsen der Anteil an Grünland in den EU-Vogelschutzgebieten in den vergangenen zwölf Jahren um 31 Prozent gesunken.
„Wiesen und Weiden sind als Lebensraum für Uferschnepfe, Bekassine, Kiebitz und andere Wiesenbrüter unersetzlich, doch vielerorts werden sie selbst innerhalb von Schutzgebieten in Äcker umgewandelt. So ist es nicht verwunderlich, dass die dort lebenden Wiesenvögel immer seltener werden“, erklärt Dr. Hermann Hötker, Leiter des für Vogelschutz zuständigen Michael-Otto-Instituts im NABU. Hier seien vor allem die Länder in der Pflicht, für den Erhalt der Grünländer zu sorgen.
Von der Bunderegierung fordert der NABU, sich bei den derzeit laufenden Haushaltsverhandlungen der EU für eine ausreichende Finanzierung des Netzwerks stark zu machen. „Wer jetzt am Naturschutz spart, verursacht durch die Umweltschäden ein Vielfaches an Folgekosten für die öffentlichen Haushalte“, so Tschimpke. Die Europäische Kommission schätzt, dass ein funktionsfähiges Netzwerk Umweltdienstleistungen für Wirtschaft und Gesellschaft im Wert von 200 bis 300 Milliarden Euro jährlich liefern kann und Millionen von Arbeitsplätzen stützt: bei Kosten von nur etwa sechs Milliarden Euro. Drei Viertel dieses Bedarfs könnten leicht durch die EU-Agrar-und Strukturfonds, sowie eine Aufstockung des EU-Umweltfonds LIFE von derzeit 0,2 auf ein Prozent des EU-Haushalts gedeckt werden.
„Mit diesen kleinen Umschichtungen, die im Haushalt kaum spürbar wären, könnte ein großer Effizienzgewinn für unsere Steuergelder erzielt werden. Gerade im Agrarhaushalt der Europäischen Union müssen wir endlich beginnen, für die Direktzahlungen an Landwirte auch gesellschaftliche Leistungen einzufordern“, so der NABU-Präsident mit Blick auf das Bundeslandwirtschaftsministerium, das bisher vor allem an fragwürdigen Subventionen für die Agrarindustrie festhält.
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