Gartenerdbeere - Foto: Helge May
Vorfreude ist die schönste Freude
Erdbeerkonsum im Winter schadet der Natur
Ihre Saison beginnt im Mai und wird von vielen ungeduldig erwartet. Denn Erdbeeren schmecken nach Sommer. Kein Wunder, dass man sich ihrem Bann schon im Winter nicht entziehen kann, wenn sie, zeitlich entrückt wie Weihnachtsmänner im Hochsommer, im Obstregal liegen. Natürlich schmecken sie noch nicht ganz so gut, aber einen Teil der Sehnsucht stillen sie schon.
Wahrscheinlich sind die frühen Erdbeeren deswegen so beliebt. Immerhin 98.000 Tonnen der süßen Früchtchen werden Jahr für Jahr nach Deutschland importiert. Wenn sie bei uns auf dem Tisch landen, haben sie bereits einen weiten Weg hinter sich. Sie kommen aus Marokko, Ägypten, Israel, Neuseeland, Mexiko, vor allem aber – 72.000 Tonnen waren es 2010 – aus Spanien. Das bedarf eines unglaublichen logistischen Aufwandes. Mit Flugzeugen oder in großen LKW-Ladungen werden sie ins Land gebracht. Erdbeeren müssen so schnell wie möglich nach dem Pflücken gegessen werden. Bei zu langem Transport bekommen sie Druckstellen und beginnen zu verderben.
Reich an Vitamin C
Wenn zum Jahresbeginn Schnupfen und Husten Hochsaison haben, kommen Erdbeeren eigentlich gerade recht. Mit 64 Milligramm Vitamin C pro 100 Gramm Fruchtfleisch bringen sie mehr Unterstützung für das Immunsystem, als Zitronen und Orangen. Wegen des geringen Kaloriengehalts und des hohen Anteils an Mineralstoffen und Spurenelementen schwören auch Ernährungsexperten auf die roten Früchte.
Aber sind sie auch im Januar schon so gesund? Bei einer Untersuchung von Früherdbeeren aus dem Supermarkt fand Greenpeace 2008 bei 78 Prozent der Erdbeeren aus konventionellem Anbau Pestizidrückstände. Bei sieben Prozent der Proben wurde sogar die zulässige Höchstgrenze überschritten. 2011 allerdings lagen bei einer Studie des Chemischen Veterinär- und Untersuchungsamtes Stuttgart die Belastungen durchgängig im zulässigen Rahmen. „In unserem letzten Test musste keine Erdbeerprobe mit ‚rot‘, also ‚nicht empfehlenswert‘ benotet werden“, berichtet Manfred Santen, Chemieexperte bei Greenpeace.
Für die menschliche Gesundheit besteht also keine unmittelbare Gefahr. Doch Erdbeeren sind sehr empfindlich. Vor allem für Pilzerkrankungen sind die bodennahen Pflanzen sehr anfällig. Darum werden beim Anbau besonders viele Pflanzenschutzmittel verwendet, welche die Böden belasten. So birgt das Gift auch langfristige Gefahren für die Gewässer und Ökosysteme. Dieses Problem wird durch die in rascher Folge auf dem gleichen Feld angebauten Erdbeeren noch weiter verschärft.
Der goldene Weg kann daher nur ökologischer Anbau sein. „Dadurch, dass unter anderem keine Mittel gegen Pilzbefall genutzt werden dürfen, fällt bei schlechtem Wetter allerdings bis zur Hälfte der Ernte aus. Daher sind die Bio-Früchte oft deutlich teurer“, erläutert NABU-Agrarexpertin Christine Tölle-Nolting.
Erdbeeren haben Durst
In den Anbaugebieten in Marokko und Ägypten ist der Pilzbefall kein so großes Problem. Daher gibt es im Supermarkt Bio-Ware aus Nordafrika, die günstiger ist als die hiesige. Schöne hält das für keine Alternative. Denn der lange Transport und der Einsatz von Pestiziden sind nur zwei der negativen Aspekte. Der Anbau in Südeuropa zieht weitere gravierende Konsequenzen nach sich.
Vom Wald in den Garten
Erdbeeren gehören bereits seit der Steinzeit fest zum Speiseplan des Menschen. Ihre Geschichte zeigt, dass die unscheinbaren roten Früchte schon früh große Reisen gemacht haben. Denn schon mit der Entdeckung Amerikas kamen die ersten ausländischen Erdbeeren nach Europa. Die amerikanische Scharlach-Erdbeere wurde ein beliebtes Sommer-Obst und verdrängte die heimische Walderdbeere aus der Küche.
Die „normale“ Gartenerdbeere schließlich entstand um 1750 in Holland aus Kreuzungen zwischen der amerikanischen und einer chilenischen Erdbeerart. Doch damit war bei der Erdbeerzucht das Ende noch lange nicht erreicht. Inzwischen sind 1000 Sorten bekannt. Nur 15 bis 20 davon sind im Handel verbreitet. Ein guter Grund also, selber Erdbeeren anzubauen.
Von oben betrachtet wirken Teile der Provinz Huelva in Andalusien wie von Plastik überzogen. Die Einwohner sprechen vom „Plastikmeer“, wenn sie die 6.000 Hektar großen Erdbeeranbau-Gebiete meinen. Unter den transparenten Planen wachsen die Erdbeeren und fordern jährlich insgesamt 20 Millionen Kubikmeter Wasser. Das sind, in einer der trockensten Regionen Spaniens, ein Drittel der verfügbaren Wasserressourcen. Die Folge: Der Grundwasserspiegel sank von fünf bis sieben Metern in den 80er Jahren auf heute 30 bis 40 Meter. Das führt zu Dürren und Wasserknappheit bei der Bevölkerung. Immerhin werden in Spanien 80 Prozent des Trinkwasservorrats für die Landwirtschaft genutzt.
Die Natur leidet
Und nicht nur das. Während die Erdbeeren ihr Wasser bekommen, gehen die Tiere und Pflanzen in der Region und im nahegelegenen Nationalpark Coto de Doñana, einem Feuchtgebiet mit Weltnaturerbe-Status, leer aus. Der akute Wassermangel bedroht ein ganzes Ökosystem, das im Winter auch von Millionen Zugvögeln genutzt wird und daher international von Bedeutung ist.
Der Landverlust durch die ständig wachsenden Obstanbau-Gebiete in Andalusien ist ein weiteres großes Problem. Laut einer Studie des WWF von 2010 wurden mehr als 2.100 Hektar öffentlicher oder privater Wälder ohne Genehmigung in Erdbeerplantagen umgewandelt, 450 Hektar davon sogar in Natura-2000-Schutzgebieten. Damit gehen wichtige Lebensräume verloren oder werden zerschnitten. Wanderwege von Tierarten, die große Gebiete bewohnen, wie der vom Aussterben bedrohte Iberische Luchs, werden mit zerstört.
Wenn Erdbeeren im kalten Winter duftend zum Kauf verführen, macht man sich all das nicht bewusst. Doch die Natur zahlt einen hohen Preis für unseren Beeren-Luxus. Statt sie in den Einkaufswagen zu legen, sollte man lieber tief Luft holen, ihren Duft genießen und sich freuen, dass bald endlich wieder die Erdbeerzeit beginnt! Vorfreude ist ja bekanntlich auch die schönste Freude.
Julja Koch
Verwandte Themen
Gut für Natur und Umwelt sind saisonale Bio-Lebensmittel, die möglichst kurze Wege zurückgelegt haben. Lange Transportwege verbrauchen viel Energie und belasten das Klima, vor allem bei Flugware. Unser Kalender zeigt Ihnen, wann Obst und Gemüse aus heimischem Anbau Saison hat. Mehr →
Wild wachsen Stachelbeeren und Johannisbeeren in fast ganz Europa. Im Garten stellen beide keine allzu großen Ansprüche. Die Böden dürfen ruhig etwas schwerer sein. Als Starkzehrer sind bei Stachelbeeren regelmäßige Kompostgaben nicht verkehrt. Mehr →
Nicht nur Menschen mögen Himbeeren. Weil die Blüten viele Pollen und reichlich Nektar produzieren, sind Himbeeren auch beliebte Anlaufstelle für Bienen und Schmetterlinge. Die Blätter dienen zudem den Raupen von über 50 Schmetterlingsarten als Futter. Mehr →
Im Sommer wachsen in und um unsere Wälder viele schmackhafte Beeren. Ob Heidelbeere, Himbeere oder Holunder, hier ist für jeden Geschmack etwas dabei. Aber was lässt sich alles zaubern aus den wilden Früchten? Wir empfehlen ein paar Ideen und Rezepte. Mehr →
Brombeeren schmecken nicht nur gut, sie sind auch gesund und vitaminreich, enthalten Kalzium und Magnesium. Bei den Sammelfrüchten bringt jedes der Teilfrüchtchen einen kleinen Kern mit. Konfitüre oder Gelee lautet daher die erste Frage, mit Kernen oder ohne? Mehr →
Beim Gang über den Wochenmarkt zu Beginn der Spargelzeit fühlt sich so mancher Verbraucher an längst vergangene D-Mark-Zeiten erinnert. Doch es sind tatsächlich Euro-Preise, die da auf den Schiefertäfelchen stehen. Die vornehme Blässe kostet halt. Mehr →
Die Zuchtformen der Kirsche verdanken wir, wie so vieles, den Römern. Generell unterscheidet man zwischen Süß- und Sauerkirsche sowie einer Mischung aus beidem. Je nach Sorte ist die Frucht rundlich, oval oder herzförmig und die Farbe variiert von gelblich über rot bis hin zu schwarz. Mehr →