Die Große Rohrdommel gehört zu den typischen Brutvögeln der Unteren Havel- Foto: NABU/Tom Dove
Nasse Füße fördern die Artenvielfalt
Naturschatz #4: Die Untere Havel
Mehr als 1.100 gefährdete und vom Aussterben bedrohte Tier- und Pflanzenarten sind an der Havel zu Hause. Biber, Fischotter, Sumpfdotterblume und Kuckucks-Lichtnelke sind hier zu finden, Tausende Wat- und Wasservögel machen hier Rast oder brüten. Mit etwas Glück lassen sich Störche, Kraniche und Seeadler, Eisvogel, Pirol oder die Beutelmeise beobachten.
Die Untere Havel erstreckt sich auf rund 90 Flusskilometern zwischen Pritzerbe und Gnevsdorf – und ist in zweierlei Hinsicht ein Naturschatz: Sie bildet die Achse zwischen mehreren Natura-2000-Gebieten und beherbergt zugleich zahlreiche Tier- und Pflanzenarten, die durch die FFH-Richtlinie geschützt sind. Grund für die Artenvielfalt sind viele unterschiedliche Lebensräume, die das Gebiet so einzigartig machen: Röhrichte, Großseggenriede, natürliche Auenwälder, feuchte Wiesen und Weiden sowie natürliche nährstoffreiche Seen charakterisieren die Untere Havel. Als Rast- und Überwinterungsgebiet nordischer Sumpf- und Wasservögel ist die Havel auch für den internationalen Artenschutz von großer Bedeutung.
Zu den FFH-Gebieten an der Unteren Havel gehören in Brandenburg unter anderem die „Niederung der Unteren Havel/Gülper See“ mit knapp 7.400 Hektar und die Pritzerber Laake mit 510 Hektar sowie in Sachsen-Anhalt die „Havel nördlich Havelberg“ mit 210 Hektar. Ebenfalls Teil von „Natura 2000“ sind in Brandenburg das EU-Vogelschutzgebiet „Niederung der Unteren Havel“ mit über 28.000 Hektar sowie das Vogelschutzgebiet Rhinluch/Dreetzer See, Havelländisches Luch und Belziger Landschaftswiesen“ mit fast 14.000 Hektar, in Sachsen-Anhalt das Vogelschutzgebiet „Untere Havel/Sachsen-Anhalt und Schollener See“ mit 5.700 Hektar.
Ein Blick auf den Werdegang der Havel zeigt aber auch, wie wichtig die Verankerung von Naturschutzübereinkommen ist. Denn früher war die Havel ein ungezähmter Fluss. Ihr weit verzweigter Lauf durchfloss große Niederungs- und Moorgebiete und bildete vor der Mündung in die Elbe ein großflächiges Binnendelta. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts begann jedoch die Regulierung der Havel – bei denen sie stark in ihre „Schranken“ gewiesen wurde: Der Bau von Deichen und Uferbefestigungen, Staustufen und Entwässerungsgräben, der zunehmende Schiffsverkehr sowie die wachsende Belastung durch Abwässer und Einträge aus der Landwirtschaft setzten der Gesundheit der Havel enorm zu. Über Jahrzehnte hinweg hat die Havel viel ihrer ursprünglichen Dynamik verloren.
Für eine lebendige Havel
Heute setzt sich der NABU für die Genesung der Unteren Havel ein – und zwar mit dem größten europäischen Projekt zur Renaturierung eines Flusses. Auf etwa 19.000 Hektar werden große Flussabschnitte wieder naturnäher entwickelt: Die ursprünglichen Sandufer werden von Steinen befreit und können sich künftig wieder freier entwickeln. Alt- und Nebenarme werden revitalisiert und so zu neuen Lebensräumen für Fische, Amphibien und andere wasserliebende Arten. Die Havel wird strukturreicher und der natürliche Hochwasserschutz wird verbessert – ohne dabei die Interessen der Naturtouristen gänzlich aus dem Blick zu verlieren. Die Schönheit und Artenvielfalt der Havel soll Interessierten nach wie vor vom Land und vom Wasser aus erlebbar gemacht werden.
Auf 90 Kilometern renaturiert der NABU bis 2033 die Untere Havel. Es ist Europas größte Fluss-Renaturierung. Hier entstehen wieder Lebensräume für über 1.100 seltene Arten. Mehr →
Der Gülper See hat einen großen Strukturreichtum und eine unglaubliche Vielfalt an bestandsbedrohten Tier- und Pflanzenarten. Zu den Brutvögeln gehören unter anderem Rohrweihe, Rohrdommel, Trauer- und Flussseeschwalbe. Im Herbst und Frühjahr rasten mehrere Zehntausend Wasservögel. Mehr →