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Hautnah Natur erleben auf Gut Sunder
„Wir haben Glück, Glück, Glück, Glück!“ Tanzend hält die siebenjährige Merle ein kreisrundes Glas gegen das Licht. Auf ihrem Gesicht ein Strahlen, soeben hat sie eine stattliche Posthornschnecke aus dem Teich gekeschert. Merle ist heute zu Gast auf Gut Sunder, dem Umweltbildungs- und Erlebniszentrum des NABU Niedersachsen. Neben ihr stapfen 14 weitere Erstklässler johlend und quietschend durch das Wasser. Nasse Stiefel? Das spielt für die Nachwuchsforscher aus Winsen (Aller) in diesem Moment keine Rolle, ihr Entdeckergeist ist geweckt: Was lebt in diesem Teich und was bewegt sich dort unter den Seerosen?
Es begann mit Karpfenzucht
Während Merle, Ben, Sophie, und Co. verschiedene kleine und große Bewohner des Teiches zutage fördern, erklärt Pädagogin Susann Beutekamp: „Du hast eine Spitzschlammschnecke“, „Das ist eine Posthornschnecke“, „Oh, und das, was du da hast, ist leider gar kein Teichbewohner!“ Keine hundert Meter weiter hat sich eine Gruppe von FÖJlern in der Sonne niedergelassen. Vor dem Seminarhaus bereiten sie Vorträge vor. Dass beide Gruppen an diesem Frühsommertag auf Gut Sunder Naturerfahrungen sammeln können, haben sie zweierlei zu verdanken: der besonderen Geschichte des Ortes und dem langjährigen Engagements des NABU zum Erhalt dieses Gebiets.
Denn im heutigen Umweltbildungs- und Naturerlebniszentrum, nahe Winsen (Aller) bei Celle, begann alles mit einem groß angelegten Eingriff in die Natur. Vor mehr als hundert Jahren experimentierte die damals ansässige Familie von Schrader mit der wirtschaftlich lukrativen Teichwirtschaft. Im ursprünglichen Erlenbruchgebiet rund um Gut Sunder legte sie Ende des 19. Jahrhunderts ein ausgeklügeltes, weit verzweigtes System von mehr als 80 Teichen an. Gut Sunder wurde zum Teichgut, zur größten Karpfenzucht in Nordwestdeutschland.
Camping oder Naturschutz?
Als die Fischzucht Mitte der 1960er Jahre schließlich unwirtschaftlich wurde, sollte das Teichgebiet neu genutzt werden: für Camping, Wassersport und Erholung. Doch dazu sollte es nicht kommen, der NABU schritt ein zur Rettung des Gebietes. Denn nicht nur Erholung suchende West-Berliner hatten die Meißendorfer Teiche als Wochenenddomizil für sich entdeckt, sondern auch zahlreiche seltene und zum Teil in ihrem Bestand gefährdete Tier- und Pflanzenarten waren hier inzwischen heimisch. Für Fischadler, Kranich, Rohrdommel und Fischotter, verschiedene Wirbellose- und Pflanzenarten waren die Teichterrassen rund um Sunder teilweise zu einem Ersatzlebensraum geworden, den sie durch landwirtschaftliche Nutzung sowie die Begradigung und Regulierung der nahe gelegenen Aller verloren hatten.
Um den Artenreichtum und hohen Naturschutzwert des Teich- und Moorgebiets zu erhalten, kaufte der NABU – damals noch DBV – unter Einsatz vieler Spender die Meißendorfer Teiche. Kurze Zeit später übergab er sie an die öffentliche Hand und erwarb das angrenzende Gut Sunder. Das Gelände wurde aufwändig saniert und in den 1980er Jahren zur NABU-internen Fortbildungseinrichtung, der Naturschutzakademie Gut Sunder, aufgebaut.
Für Groß und Klein
2003 schließlich übernahm der NABU Niedersachsen die Trägerschaft vom Bundesverband. Er engagiert sich seither für ein besucherorientiertes Umweltbildungskonzept für Groß und Klein. So locken jährlich verschiedene Seminarangebote zum Naturerlebnis und praktischen Naturschutz, aber auch Klassenfahrten und Gruppenangebote Gäste aus dem gesamten Bundesgebiet nach Sunder. „Die Bandbreite reicht von Vogelstimmen bis zu Fledermäusen, von Naturfotografie bis zu Familienseminaren“, erklärt NABU-Landesgeschäftsführerin Gabriele Köppe beim Rundgang um die Teiche.
Auf Gut Sunder finden Naturliebhaber, Ornithologen, Radwanderer, Schulklassen und alle weiteren Gäste gleichermaßen auf sie zugeschnittene Angebote. Im ehemaligen Herrenhaus ist ein gemütliches Hotel und Café eingerichtet, Schulklassen, NABU-Gruppen, Familien und Einzelpersonen nutzen das energetisch sanierte Seminargebäude und können in der Strohscheune oder auf dem Zeltplatz übernachten.
Tiere vor der Kamera
Wer von Gut Sunder aus seinen Weg in die Natur sucht, findet eine Vielzahl an Anregungen. So kann man dem Wanderweg um die Meißendorfer Teiche folgen, Fischotter von einer Aussichtsplattform aus beobachten, das eigene Wissen auf dem Nistkasten-Lehrpfad erweitern oder eine Naturbeobachtung der ganz besonderen Art erleben: die Wildtiernis. Sie ist das neueste Projekt auf Gut Sunder. An zahlreichen Stellen im Wald, auf Wiesen und am Wasser hat das Team Kameras aufgestellt. Mit ihnen lassen sich selten sichtbare Tiere beobachten: Ein Fuchs etwa, der des Nachts den Dachs ärgert, ein Eisvogel auf der Jagd oder ein brütendes Kohlmeisenpaar – ganz nach dem Motto der Wildtiernis „Sehen, was sonst verborgen ist“. Im Filmzentrum werden medienhungrige Kinderaugen so technisch aufwändig und interaktiv an Naturerlebnisse herangeführt. Und wer weiß: Vielleicht tappt auf Gut Sunder bald auch jener Wolf in die Videofalle, der vor kurzem bei Munster gesichtet wurde?
Die Schule zumindest, die heute zu Gast auf Gut Sunder ist, hat die Wildtiernis schon in ihrer Pilotphase getestet und nutzt die pädagogischen Angebote regelmäßig. Als der siebenjährige Ben seine nassen Stiefel abstreift, gibt er dennoch zu: „Eigentlich bin ich nicht so gern in der Natur.“ Dann denkt er kurz nach. „Aber eigentlich finde ich es faszinierend. Wenn ich abends keine CD hören darf, mache ich mein Fenster auf und höre mir die Vögel an. Das ist eigentlich wie eine Natur-CD.“ Und für diesen Satz, die offenen Augen und Ohren eines Siebenjährigen, sollte sich dieser und jeder weitere Einsatz für die Umweltbildung für Groß und Klein auf Gut Sunder lohnen.
Iris Barthel
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