In diesen Zeiten schöpfen wir besonders viel Kraft in der Natur. Werden Sie NABU-Mitglied und helfen Sie mit, damit wir die Natur auch in Zukunft genießen können.
Jetzt NABU-Mitglied werden!Wo überwintern die Bienenfresser?
Ein Forschungsprojekt des NABU Sachsen-Anhalt
Sie bleiben nur ein paar Monate, fühlen sich dabei aber offensichtlich ausgesprochen wohl. In den letzten Jahren ist der Brutbestand der Bienenfresser regelmäßig pro Jahr um 50 bis 100 Paare angestiegen. Inzwischen nisten in Deutschland rund 1000 Paare, davon alleine 530 in Sachsen-Anhalt, bevorzugt im Saaletal.
Dass die knallbunten Vögel sich ausgerechnet in der Mitte der Republik konzentrieren, liegt am speziellen Klima im sogenannten Regenschatten des Harzes. „Wir haben hier weniger als 500 Millimeter Jahresniederschlag. Dabei sind Juni und Juli, die Fortpflanzungsmonate der Bienenfresser, besonders trocken und warm“, weiß Bienenfresser-Experte Martin Schulze. „Schon wenige Kilometer weiter, im Leipziger Raum etwa oder auch in der Altmark, ist es den Bienenfressern für eine dauerhafte Ansiedlung bisher zu ungemütlich.“
Reichlich Nahrung vorhanden
Neben dem Wohlfühlklima benötigen die Vögel feste Löß-Steilwände, in der sie ihre bis zwei Meter tiefen Brutröhren graben, und natürlich Nahrung. Bienenfresser sind auf Großinsekten spezialisiert, davon scheint es genügend zu geben. „Sie fressen alles, was fliegt und die richtige Größe hat, bevorzugt Hummeln und Libellen“, so Schulze weiter. „Im Frühjahr sieht man die Bienenfresser öfters blühende Robinien nach Insekten absuchen, aus gleichem Grund werden auch Rapsäcker besucht.“ Gejagt wird in der unmittelbaren Nestumgebung, bei schlechtem Wetter auch im Umkreis von bis zu zwei Kilometern.
2006 begann der NABU Sachsen-Anhalt mit finanzieller Unterstützung der EU und des Landes, die Bienenfresser zu erfassen und modellhaft erste Schutzmaßnahmen umzusetzen. Seitdem wurden mit NABU-Gruppen vor Ort weitere Artenschutzmaßnahmen und Forschungsprojekte angegangen. Auch gab es Verhandlungen mit dem Landesamt für Geologie und Bergwesen, um bei der Entlassung von Flächen aus dem Bergrecht Steilwände zumindest abschnittweise für die Bienenfresser zu sichern. Dank Spenden von NABU-Mitgliedern konnten zudem Bienenfresser-Lebensräume gekauft werden.
Die Bienenfresser erscheinen bei uns gegen Mitte Mai. Drei Wochen werden die Eier bebrütet, nach weiteren vier Wochen sind die Jungen Ende Juli, Anfang August flügge. Mitte September verlassen die Vögel Sachsen-Anhalt wieder Richtung Winterquartier. Doch wo liegt dieses Winterquartier und auf welcher Route wird es angeflogen? 2010 startete der NABU Sachsen-Anhalt unter Beteiligung der Schweizerischen Vogelwarte und der Beringungszentrale Hiddensee hierzu ein Forschungsprojekt.
Ost- oder Westzieher?
Bisher war nur bekannt, dass es auch unter Bienenfressern Ostzieher und Westzieher gibt. Vögel aus Österreich oder Slowenien zum Beispiel ziehen nach Ost- und Südafrika. Ringfunde legten nahe, dass die deutschen Bienenfresser eher zu den Westziehern gehören. Auch der Nachweis eines in Italien beringten Jungvogels in Sachsen-Anhalt sprach dafür.
Bei größeren Vögeln werden zur Erforschung der Zugwege Satellitensender eingesetzt. Das lässt genaue Ortungen zu. Für kleinere Vögel kommen diese schweren Sender jedoch nicht in Frage. Die Schweizerische Vogelwarte hat daher sogenannte Geolokatoren entwickelt. Diese sind nur ein halbes bis ein Gramm schwer und somit auch für kleinere Vögel geeignet.
Die Geolokatoren besitzen einen Datenchip, der alle zwei Minuten die Lichtintensität speichert. So lassen sich die täglichen Zeitpunkte von Sonnenauf- und -untergang bestimmen, anhand der Tagesmitte dann der Längengrad, anhand der Tageslänge der Breitengrad – und somit der Aufenthaltsort des Vogels. Die Geräte werden mit einer Schlaufenhose aus Silikon angelegt und beim Wiederfang nach der Rückkehr der Vögel wieder abgenommen.
2010 und 2011 konnten jeweils 40 Bienenfresser mit Geolokatoren ausgestattet werden. Der Wiedereinfang 2012 lief während der Erstellung dieses Beitrages noch, 2011 gingen immerhin bereits vier „getaggte“ Bienenfresser ins Netz. „Mehrere Geolokatoren hatten aber früh ihren Geist aufgegeben“, erläutert Martin Schulze. „Letztlich verriet nur ein Bienenfresser aus dem Saalekreis bei Merseburg seinen kompletten Zugweg.“
Zwischen Regenwald und Savanne
Das Ergebnis geriet umso spektakulärer, zumal es der weltweit erste Nachweis dieser Art war: Das bereits vierjährige Männchen verließ im September sein Brutgebiet in Richtung Südwesten, wie auch zwei andere mit Geolokatoren ausgerüsteten Vögel aus dem Mansfelder Land. Schließlich wurde in Südspanien das Mittelmeer überquert. Am 7. Oktober war der Vogel bereits in Algerien, nach weiteren zwölf Tagen erreichte er das 3.500 Kilometer weiter südlich liegende Überwinterungsgebiet. Für das Überqueren des geschlossenen tropischen Regenwaldgürtels in Kamerun benötigte der Bienenfresser dabei nur einen Tag.
Danach hielt er sich bis Anfang April fast ein halbes Jahr in seinem relativ eng begrenzten Überwinterungsgebiet im Übergangsbereich zwischen Regenwald und Savanne, Atlantikküste und Kongo-Delta in den Ländern Gabun, Republik Kongo, Demokratische Republik Kongo und Angola auf. Am 24. April endete die Datenaufnahme mit Ablauf der Batterielebensdauer auf dem Rückflug in Niger. Es kann aber angenommen werden, dass der Vogel bereits zwei Wochen später wieder in seinem Brutgebiet war.
Für eine sichere Datenbasis müssen natürlich möglichst viele Geolokatoren ausgewertet werden. Dann können mit Kenntnis der Zugwege und Überwinterungsplätze Gefährdungen künftig besser erkannt und eingedämmt werden. Übrigens ziehen südafrikanische Bienenfresser im Winter nordwärts nach Angola. Treffen und durchmischen sie sich dort möglicherweise mit den Artgenossen aus dem Saaletal? Es gibt noch viel zu erforschen!
Annette Leipelt
Mehr zum Bienenfresser
bläulich-grüner Bauch, orange Haube und gelbe Kehle - der Bienenfresser ist für seine Farbenfreude bekannt. Ursprünglich aus Asien und Südeuropa stammend, ist der kleine Flieger seit den 60er Jahren auch in Deutschland beheimatet. Mehr →
Der Bienenfresser ist ein besonderer Bewohner Sachsen-Anhalts: Etwa die Hälfte des deutschen Bestandes siedelt hierzulande. Mit einem umfangreichen Projekt unterstützte der NABU Sachsen-Anhalt den Schutz des farbenfrohen Flugkünstlers. Mehr →
Dank verschiedener Schutzbemühungen sind die Brutbestände des Bienenfressers nach 2006 stetig gewachsen. 2010 versuchte ein weiteres NABU-Projekt die geheimen Zugwege der bunten Flugkünstler zu ergründen. Mehr →
Spätestens seit 1964 brütet der Bienenfresser alljährlich in Deutschland, verlagerte seine Brutplätze in der Anfangszeit aber häufig und wechselte sein Vorkommen auch zwischen den verschiedenen Bundesländern. Mehr →
Trocken-warme, halboffene, strukturreiche Landschaften der niederen Lagen werden von Bienenfressern insbesondere an der Nordgrenze des Verbreitungsgebietes bevorzugt. Voraussetzungen für die Erstansiedlung sind ein reiches Nahrungsangebot im Mai sowie potentielle Brutplätzen. Mehr →