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Stück für Stück entsteht der Dillinger Ökosee
Saarbrücken, Völklingen, Saarlouis, Dillingen: Im mittleren Saartal reiht sich eine Stadt an die andere, viel Platz für Natur bleibt da nicht. „Das Saarland ist halt eine Art Stadtstaat mit etwas Grün drumherum“, schmunzelt Ulrich Leyhe. „Da backen auch wir Naturschützer eher kleine Brötchen.“ Doch nur keine falsche Bescheidenheit. Schließlich gibt es bezogen auf die Gesamtbevölkerung nirgendwo so viele NABU-Mitglieder wie im Saarland. Da kommt ganz automatisch eine Menge für den Naturschutz herum, wie nicht zuletzt das Beispiel des Dillinger Ökosees zeigt.
Anfang der 80er Jahre entstand der anderthalb Kilometer lange Schlauch als Ausgleichsmaßnahme für die Naturzerstörungen beim Ausbau der Saar. Dabei wurde ein Saar-Altarm „bis zur Unkenntlichkeit verbreitert“, beschreibt Leyhe die Ausgangssituation. Im Nordteil des Sees ließen die Wasserbauer eine knapp hektargroße Insel stehen, ebenso wie der gesamte See mit wenig naturgemäßen Steilufern versehen. „Man hätte hier prima Bootsrennen austragen können, mit der Insel als Wendemarke. Ökologisch aber war der künstliche See ein Leichtgewicht.“
Grünes Licht zum „Plattmachen“
Das Thema ließ Ulrich Leyhe nicht ruhen. Der Vorsitzende des NABU Saarlouis ist ein waschechter „Hüttenbär“, wie die Mitarbeiter des Stahlwerks Dillinger Hütte genannt werden. Leyhe ist es gewohnt, Dinge zu bewegen, im Werk mit seinen 5000 Beschäftigten sorgt er für den Fahrzeugeinkauf. Zur Vogelkunde und zum Naturschutz kam der geborene Ruhrpottler durch seinen Vater bereits mit elf Jahren, inzwischen ist er ein halbes Jahrhundert „bei der Sache“.
2006 war es endlich so weit. Die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung als Grundstückseigner gab grünes Licht für die NABU-Pläne zur Aufwertung des Sees. Erste Aufgabe: Die Insel „plattmachen“, um neuen Lebensraum zu schaffen – vor allem für Bodenbrüter und Watvögel. Die schweren Bagger auf die Insel zu verfrachten, war selbst für das Technische Hilfswerk eine ungewohnte Herausforderung. Schließlich baute das THW eigens eine Ponton-Fähre und so konnten binnen drei Wochen stolze 26.000 Kubikmeter Sand bewegt werden. Ein buntes Mosaik flacher Zonen entstand und die Inselfläche verdoppelte sich fast.
Atoll mit Inselsee
Da es in der Folgezeit Probleme durch Gehölzaufwuchs gab, dem auch per Ziegenbeweidung nicht beizukommen war, mussten die Bagger 2010 noch einmal ran. Als Resultat der Erdbewegungen verfügt der Ökosee jetzt mit zwei Hektar über die größte Insel des Saarlandes. In der Draufsicht zeigt sich der besondere Charakter der Insel: Wie bei einem Atoll dominiert ein innerer „Inselsee“ das Bild. Dazu kommen 25 kleine Tümpel innerhalb des Schilf- und Binsengürtels, die zum Schutz der Amphibien vor Raubfischen vom eigentlichen See abgetrennt sind. Sonnenplätze sind ebenso vorhanden wie zusätzliche kleine Tiefenzonen, in denen die Amphibien frostsicher überwintern können. „Diese ökologischen Raffinessen nutzen auch zahlreiche Wasserinsekten. Libellen zum Beispiel können die vielen versteckt liegenden Bereiche ungestört zur Eiablage nutzen“, freut sich Ulrich Leyhe.
Bisher flossen durch Sponsoren, Eigenmittel und Gelder der öffentlichen Hand insgesamt rund 100.000 Euro in die Umgestaltungen. Neben der Insel-Optimierung hat der NABU über 500 Meter Seeufer abgeflacht und zu vorgelagerten Schlammflächen für die Schilf- und Röhrichtbildung verschoben. Für Naturfreunde wurde ein Beobachtungshügel angelegt, in Kürze will die Stadt Dillingen an anderer Stelle zusätzlich einen Beobachtungsturm errichten.
Immer mehr Vögel rasten
Zu sehen gibt es am Ökosee immer etwas. Durch die vielen Insekten fliegen zum Beispiel immer mehr Fledermäuse. Doch vor allem die Vogelfreunde kommen auf ihre Kosten, denn das Nahrungsangebot für brütende und rastende Vögel hat sich enorm vergrößert. Ein 25-Hektar-See mag in anderen Regionen kaum der Rede wert sein. Das Saarland jedoch ist arm an Stillgewässern und der Ökosee liegt im Saartal direkt auf einer der Nord-Süd-Zugvogelrouten.
„Im Binnenland seltene Watvögel wie Kampfläufer oder Rotschenkel steuern bei uns fast nur noch die Ökosee-Insel zur Zwischenrast an“, erläutert Leyhe. „Dabei lassen sie sich zur Freude vieler Ornithologen und Fotografen aus kurzer Entfernung beobachten. Die Stückzahlen bleiben natürlich gering, über zwei bis drei Alpenstrandläufer sind wir schon glücklich.“
Besonderheit Orpheusspötter
Auch die Dauerbewohner nehmen zu: „Acht bis neun Brutpaare Teichrohrsänger, drei Brutpaare der Wasserralle, fünf Haubentaucher-Paare – es wird von Jahr zu Jahr toller.“ 2011 gelang zudem auf der Insel nach 28 Jahren erstmals wieder ein saarländischer Brutnachweis der Krickente. Der Ente gefiel es so gut, dass sie dieses Jahr erneut sechs Jungvögel aufzog. Eine geradezu „nationale Attraktion“ ist zudem der Orpheusspötter. Dieser hat erst vor wenigen Jahren von Südwesten kommend sein Vorkommen nach Deutschland ausgeweitet. Verbreitungsschwerpunkt ist das Saarland mit 500 Brutpaaren. Am Dillinger Ökosee lassen sich die Orpheusspötter problemlos beobachten, wer ihrem Gesang lauschen will, sollte den See im Mai oder Juni besuchen.
Fertig ist der Ökosee jedoch noch nicht. So planen die NABU-Aktiven im Herbst einen Arbeitseinsatz, um Teile des Südufers abzuflachen. Anders als auf der Vogel-, Insekten- und Amphibieninsel soll dort auch Auwald entstehen können. Die Insel wiederum wird nach der brutzeitbedingten Sperrfrist ab August für Pflegemaßnahmen wieder regelmäßig mit dem Paddelboot angefahren. „Fleißige Helferinnen und Helfer sind immer willkommen“, wirbt Ulrich Leyhe. „So kann sich jeder selbst ein Bild machen.“
Helge May
Der Ökosee mit seinem 3,5 Kilometer langen, barrierefreien Rundweg ist vom Bahnhof Dillingen aus in wenigen Fußminuten erreichbar. Ein Parkplatz liegt direkt am Südende.