Hustenmittel und Leibspeise der Rentiere
Das Isländische Moos ist "Flechte des Jahres 2007"

Die Bryologisch-lichenologische Arbeitsgemeinschaft für Mitteleuropa (BLAM) hat das Isländische Moos - wissenschaftlich Cetraria islandica - zur Flechte des Jahres 2007 gekürt. Der irreführende deutsche Name der Art stammt aus einer Zeit, als man zwischen Moos und Flechte noch keinen großen Unterschied machte. Erst recht nicht wusste man damals, dass es sich bei Flechten um Mischwesen aus Pilzen und Algen handelt.
Schon früh bekannt war allerdings die Heilwirkung des auch als Hirschhornflechte oder Fiebermoos bezeichneten Isländisch Moos. Es wird zur Stärkung der Atemwege und Vorbeugung gegen Schleimhautreizungen im Bereich der oberen Luftwege verwendet. Die flechteneigenen Schleimstoffe lindern den rauen Hals und einige der Flechtensäuren haben eine antibiotische Wirkung. Auch heute noch ist Isländisch Moos unter dem Namen "Lichen islandicus" Bestandteil von Hustentees, Lutschpastillen und anderen Erkältungsmitteln.
In früheren Jahrhunderten hat man Isländisch Moos getrocknet dem Brotgetreide zugesetzt, um das Mehl damit zu strecken. Außerdem sollte es der Schimmelbildung im Brot entgegenwirken. Ebenso wurden aus der Flechte Suppen gekocht, die zwar wenig nahrhaft waren, aber den gröbsten Hunger linderten. Immerhin besteht die Pflanze zu mehr als der Hälfte aus stärkeähnlichen Polysachariden. Auf Island selbst steht die so genannte Fjallagrasasúpa heute noch auf dem Speisezettel. Isländisch Moos schmeckt ausgesprochen bitter. Vor Verwendung wird es deshalb meist in Sodawasser eingelegt und dann abgewaschen.
Im Norden Skandinaviens wird Isländisch Moos gerne von Rentieren gefressen. Problematisch wurde diese Vorliebe nach dem Reaktorunglück von Tschernobyl. Ähnlich wie bei Pilzen reicherten sich die radioaktiven Stoffe aus den Niederschlägen in der Flechte stark an - was nicht nur den Rentieren zu schaffen machte, auch das als Grundstoff für Arzneimittel angebotene Isländische Moos wies nun erhebliche Strahlungswerte auf.
Der bandartige Flechtenkörper (Thallus) von Cetraria islandica wächst gut sechs Zentimeter in die Höhe und wird sechs bis zehn Millimeter breit. An seinem Ende ist der Thallus geweihartig verzweigt. Die Farbe des Isländisch Moos ist oberseits kastanienbraun oder noch dunkler, im Schatten wachsende Partien sind olivgrün bis blassbraun, also deutlich heller.
Islandisch Moos ist in den gemäßigt-kühlen bis arktischen Regionen der ganzen Nordhalbkugel verbreitet. Eine Unterart Cetraria islandica antarctica kommt zudem in den Kältezonen der Südhalbkugel von Feuerland und den Hochgebirgen Neuseelands bis zur Antarktis vor. In Deutschland werden Bergheiden oberhalb der Waldgrenze sowie selten auch Tieflandsheiden und lichte Wälder saurer Standorte besiedelt. Die geeigneten Lebensräume nehmen bei uns aber immer weiter ab und auch die schleichende Klimaerwärmung macht dieser Flechte zu schaffen. Als potentiell durch Sammeln gefährdete Art steht Isländisch Moos unter besonderem gesetzlichen Schutz. (elg)