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Jetzt NABU-Mitglied werden!Die Chemie stimmt
Auro-Chef Hermann Fischer im Porträt
Eine verkehrsreiche Straße führt vorbei an Lagerhäusern aus Wellblech, Verwaltungsklötzen und schmucklosen Fertigungshallen, vor denen LKW parken. Einen großen Parkplatz gibt es bei Auro auch. Das ist aber das einzige, was der Betrieb äußerlich mit den anderen Firmen in diesem Braunschweiger Gewerbegebiet gemeinsam hat. Freundlich sehen die niedrigen Gebäude aus. Die Wände sind gelb, Fenster und Türen blau. In einer Art Halbkreis gruppieren sie sich um ein großes Beet. Es könnte auch eine Grundschule sein, in der man seine Kinder gern anmelden würde. Aber eine Farbenfabrik?
Genau dort stellen die 35 Mitarbeiter von Auro seit über 20 Jahren ökologisch unbedenkliche Farben für Wände, Möbel und Parkett her. Auch farbloses Öl und Wachs gehören zum Sortiment. Damit wird unbehandeltes Holz für den Alltag gebrauchsfähig gemacht. 40 Prozent der Produktion exportiert der Betrieb. Hauptsächlich in die EU, aber ein großer Teil geht auch nach Japan, Australien und in die USA.
Farben aus der Natur
Der 56-jährige Hermann Fischer hat die Firma 1983 gegründet und ist heute Vorstandsvorsitzender der Auro Pflanzenchemie AG. Sein Konzept zeigt: Chemie und Umweltschutz müssen sich nicht widersprechen. Fischer selbst hat darin noch nie einen Gegensatz gesehen. "Ich war immer mit Leib und Seele Chemiker. Aber ich hatte nie vor, einer der Naturwissenschaftler zu werden, die nur Atome durch die Gegend schieben", sagt er.
Die Rezepte für die ersten Farben hat Fischer sich selbst ausgedacht. Unzählige Stunden verbrachte er dafür in einem winzigen Kellerlabor. Ausgangspunkt waren für ihn die Stoffe, mit denen die Menschheit schon seit Jahrtausenden färbt: Pflanzen. Die blauen Farbpigmente für Auro-Farben stammen zum Beispiel vom Indigostrauch, mit dem die Ägypter schon vor 4500 Jahren blaue Farbe hergestellt haben. Mindestens genauso alt ist das Wissen, dass Krappwurzel ein schönes Rot ergibt. Und die grünen Farbpigmente von Auro enthalten Chlorophyll - den Farbstoff, der in jedem grünen Blatt vorkommt.
So manche Inspiration fand Fischer auch in alten Fachbüchern: "Antiquarische Bücher sind meine große Leidenschaft". Eine gesamte Wand in seinem Büro besteht nur aus Regalen, in die er seine Schätze einsortiert hat. Nicht nur die fast zehn Meter lange Bücherfront trägt dazu bei, dass Fischers Büro viel mit einem behaglich eingerichteten Wohnzimmer gemeinsam hat. Um einen niedrigen Tisch steht eine bequeme Sitzgarnitur aus cremefarbenen Leder, auf dem Boden ein dicker Teppich. Mannshohe Grünpflanzen lassen endgültig vergessen, dass am anderen Ende des Raums tatsächlich ein modern ausgestatteter Schreibtisch steht.
Umweltfreundlicher Mittelstand
1998 wandelte Fischer das Unternehmen von einer GmbH in eine Aktiengesellschaft um. An der Börse wird man jedoch die Auro Pflanzenchemie AG vergeblich suchen. Wenn überhaupt Aktien den Besitzer wechseln, dann nur, weil Fischer Unternehmensanteile verschenkt. Zum Beispiel hat er im Jahr 2000 dem NABU zwei Prozent der Aktien vermacht, um auch nach außen hin seine Verbundenheit zu demonstrieren.
"Ich finde uneingeschränkt gut, was der NABU macht. Warum sollte ich mich dann nicht für diese Ziele einsetzen? Zwischen mir und dem NABU stimmt einfach die Chemie", sagt Fischer. Zum Beispiel hat er als Vertreter von NABU-Interessen an der neuen EU-Chemikalienrichtlinie "REACH" mitgearbeitet. Außerdem ist er Mitglied in der NABU-Unternehmerinitiative, einem Netzwerk für mittelständische Unternehmen und Wirtschaftsverbände. Ziel ist zum einen ein branchenübergreifender Austausch der Mittelständler über Umweltschutz im Wirtschaftsleben, zum anderen wollen die Mitglieder das Thema "ökologische Nachhaltigkeit" ins Bewusstsein der Öffentlichkeit bringen.
Fischers konsequent umweltfreundliche Herstellung seiner Farben hat ihm nicht nur Respekt beim NABU verschafft, sondern ihm und seinen Mitarbeitern auch eine Reihe von Auszeichnungen beschert. Die Auro-Farben haben außerdem in allen aktuellen Farbentests von "Ökotest" die besten Noten bekommen.
Für den Firmennamen ist gewissermaßen Fischers älteste Tochter verantwortlich. Anfang der 80er, als ihr Vater an seinem Schreibtisch das neue Unternehmen geplant hat, war sie im Kindergartenalter. Sie hat oft zu seinen Füßen gespielt, vorzugsweise mit zwei Phantasiepuppen. Zwar waren die Spielkameraden real nicht vorhanden, Namen hatten sie trotzdem: Wiebe und Auro. "Und als ich "Auro" gehört habe, da hat es bei mir "klick" gemacht", erzählt Fischer. Er ist heute immer noch ein bisschen verwundert darüber, wie einfach das Ganze war.
Ein "Spinner" setzt sich durch
Weniger einfach war es, sich mit dem Unternehmen am Markt zu behaupten. Zu Beginn haben die Spitzenkräfte der chemischen Industrie Fischer noch als realitätsfremden Idealisten und Öko-Spinner belächelt. Ende der 80er sah es schon anders aus. Es hatte mehrere schlimme Chemieunfälle in Europa gegeben, und ein Holzschutzmittel, das damals in Massen verkauft wurde, hat sich als gesundheitsschädlich herausgestellt. Fischer hat öffentlich vor diesem Holzschutzmittel gewarnt. Der Hersteller, ein weltweit tätiger Chemiekonzern, wurde wütend und fing an, Auro zu bekämpfen. "Die haben mir gedroht: Sollte ich meine Aussage jemals wiederholen, würden sie mich auf 500.000 Mark verklagen", erinnert sich Fischer. "Bei solchen Summen wird einem als kleiner Mittelständler schon ganz anders." Doch auch angesichts dieser Drohkulisse hat sich Fischer nicht einschüchtern lassen. Das Geld musste er übrigens nicht zahlen.
Seit den 90er Jahren wird Fischer mit seinen Ideen weder belächelt noch bekämpft. Im Gegenteil: "Die großen Konzerne haben unsere Prinzipien anerkannt. Und nicht nur das, viele stellen sich inzwischen selbst als besonders umweltfreundlich dar, um Kunden zu gewinnen. Aber keiner ist so konsequent wie wir." Fischer resümiert: "Es gab schwere Zeiten. Aber ich bin saustolz, dass Auro diese kritischen Phasen durchgemacht hat."
Djuke Nickelsen
Aus "Naturschutz heute", Ausgabe 1/2005