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Ganz nah an den Tänzern des Nordens im Kranichzentrum




Die „Tänzer des Nordens im Flug“ - Foto: Günter Nowald
Es trötet und knurrt im hohen Norden, wenn jedes Jahr gleichzeitig rund 70.000 Kraniche in der Region des Nationalparks „Vorpommersche Boddenlandschaft“ rasten – zum Vergleich: So viele Fans passen ins Olympiastadion in München. Kraniche haben eine besondere Kommunikation untereinander. Je nach Situation teilen sie eigene Laute mit. Das Knurren ist ein Warnlaut, der die Jungen zur Flucht oder zum Hinducken bringt. Überhaupt vergewissern sich Kraniche ständig, dass alles in Ordnung ist. Die meisten Menschen hören Kraniche im Herbst früher, als dass sie sie sehen. Das typische Tröten ist auf dem Land aus zwei Kilometern Entfernung zu hören, und wenn Kraniche ziehen, geht unser Blick im Herbst direkt gen Himmel. Die Faszination für Kraniche und ihre Flugformation ist in Deutschland ungebrochen.
Beringung und Schutz
„Im Gegensatz zu Störchen, die genetisch wissen, in welche Richtung sie fliegen müssen, lernen Kraniche alles von ihren Eltern“, erklärt Günter Nowald, Leiter des NABU-Kranichzentrums Groß Mohrdorf in Mecklenburg-Vorpommern. Der als „Kranichpapst“ bezeichnete Nowald leitet das Zentrum seit der Eröffnung 1996. „Ich würde mich selbst nicht so nennen, in Deutschland gibt es einige Expert*innen, die sich mit Kranichen befassen und sich unter anderem in der Arbeitsgruppe ‚Kranichschutz Deutschland‘ engagieren“, sagt Nowald.
Der 59-Jährige gebürtige Ruhrpottler forscht seit 30 Jahren zu Kranichen und taucht im Juni immer zwei Wochen zur Kranichberingung ab. Wenn er über Kraniche spricht leuchten seine Augen. „Als Geschäftsführer sind diese zwei Wochen die tollsten im Jahr für mich, die jungen Kraniche zu finden und zu fangen, das ist jedes Mal ein Abenteuer. Und dank der Beringung haben wir enorm viel – nicht nur über den Kranichzug - lernen können.“ Zudem ist ihm ein länderübergreifender Schutz wichtig: Regelmäßiger Austausch findet mit den Schutzpartner*innen von Projekten in Europa, aber auch in Äthiopien, Kenia, Bhutan oder der Türkei statt.
Die Landesfarbcodes für europäische Kraniche passen nur auf ein DIN-A3-Blatt – so viele Kombinationen gibt es. Zur Markierung eignen sich am besten Jungvögel; weil diese erst mit zehn Wochen flügge sind, müssen Kranichschützer*innen diese Zeit nutzen. Da Kranichfang Teamarbeit ist – die jungen Kraniche können sehr schnell rennen – finden sich im Juni viele Kranichschützer*innen in Groß Mohrdorf zusammen. Auf dem Gelände des Zentrums stehen auch alte Wohnwagen, die dann von den angereisten Beringer*innen zum Schlafen genutzt werden. Wiegt der gefangene Kranich mehr als drei Kilogramm, bekommt er in manchen Fällen zusätzlich zu den Farbringen einen GPS-Rückensender.

Das „Kranorama“ am Günzer See bietet einen barrierefreien Blick auf rastende Kraniche und Gänse. - Foto: Günter Nowald
Die charismatischen Kraniche sind beliebt und ein echter Zuschauermagnet. Wer jetzt an ein riesiges Zentrum denkt, der wird spätestens bei einem Besuch eines Besseren belehrt. Die ehemalige Molkerei, die renoviert und umgebaut wurde, ist dem jährlichen Besucheransturm kaum gewachsen. Jährlich kommen rund 15.000 Personen ins Zentrum. Die Anwohner*innen sind es mittlerweile gewöhnt, dass hunderte Autos im Dorf parken. Besonders gut finden sie diesen Ansturm aber nicht. Die Gemeinde zählt nämlich nur rund 750 Einwohner*innen und etwa 43 Quadratkilometer, ist damit aber die größte Gemeinde im Amtsbereich Altenpleen. Die Touristiker der Region sehen das natürlich ganz anders. Sie sprechen von der fünften Jahreszeit, wenn die Vögel des Glücks nach den Sommergästen viele Naturliebhaber in die Region locken.
Neubau geplant
„Momentan planen wir den Bau eines neuen Zentrums. Das Gelände außerhalb der Ortschaft ist schon ausgewählt. Wir hoffen, dass alles nach Plan läuft und wir genug Gelder dafür zusammenbekommen – das wäre für alle ein riesiger Gewinn.“, hofft Nowald.
Besucherlenkung ist das Wichtigste bei der Kranichbeobachtung, denn die Tiere sind Fluchttiere und gehen bei der geringsten Störung auf Distanz. Um sie möglichst nicht zu stören und ihnen damit Energiereserven zu rauben, sollten die offiziellen Beobachtungspunkte aufgesucht werden; oder man beobachtet die Tiere aus dem Auto heraus mit einem Fernglas. In der Darß-Zingster Boddenkette und auf Rügen sind Kraniche im Frühjahr (März) und Herbst (August bis November) zu sehen. Je nach Tageszeit findet man sie auf den Nahrungsflächen oder auf dem Weg zu den Schlafplätzen. „Das NABU-Kranichzentrum bietet seit vielen Jahren Exkursionen für Reisegruppen und seit 2013 auch Exkursionen für Individualreisende an“, sagt Nowald. Seit 2015 können Besuchende auch das Kranorama nutzen, eine barrierefreie Beobachtungsstation am Günzer See.

Kranichportrait - Foto: Günter Nowald
Denn neben Informationen und Aufklärung ist Flächenschutz ein wichtiger Teil der Arbeit im Kranichschutzzentrum. Das Nationale Naturerbe am Günzer See wird vom Kranichschutz Deutschland naturschutzverträglich weiterentwickelt. Das bedeutet: „Wir schützen die Feuchtwiesen rund um den Günzer See. Besonders der Klimawandel setzt auch der Kranichpopulation zu. 80 Prozent der Kranichpaare in unseren Untersuchungsgebieten waren in den letzten Jahren ohne Nachwuchs, vor zehn Jahren waren es nur 60 Prozent“, beschreibt Nowald die Situation.
Wie lange wir also noch die „Tänzer des Nordens“ so vielfältig in Groß Mohrdorf tröten und knurren hören können, hängt von uns Menschen ab.
Nicole Flöper (Artikel aus „Naturschutz heute“ 3/21)
In den 1970er Jahren haben der NABU und der WWF jeweils eigene Kranichschutzprojekte in Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Hamburg auf den Weg gebracht. In Ostdeutschland haben die Mitglieder des „Arbeitskreises zum Schutz vom Aussterben bedrohter Tierarten in der DDR“ im gleichen Zeitraum ein Netzwerk zur Überwachung der Kranichbrut und Rast entwickelt und betreut.
Nach der Wiedervereinigung gründeten die ost- und westdeutschen Kranichschützer*innen gemeinsam mit der Lufthansa Umweltförderung 1991 die Arbeitsgemeinschaft „Kranichschutz Deutschland“. 1996 wurde die gemeinnützige Kranichschutz Deutschland GmbH mit dem NABU und dem WWF als Gesellschafter gegründet. Seit 2017 ist der NABU alleiniger Gesellschafter von Kranichschutz Deutschland. Das Zentrum heißt seitdem NABU-Kranichzentrum. Neben der Lufthansa ist seit 2018 auch die Daimler AG ein Unterstützer.
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