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Geiersterben nun auch in Ostafrika / Lage in Indien weiter verheerend
29. Dezember 2010 – 60 Prozent Rückgang in nur 30 Jahren. Eine jetzt in der Fachzeitschrift Biological Conservation veröffentlichte Studie weist für das südwestliche Kenia rund um das Masai-Mara-Reservat dramatische Bestandsverluste bei Geiern und anderen aasfressenden Vögeln nach. Betroffen sind unter anderem Kappengeier (Necroscyrtes monachus), Sperbergeier (Gyps rueppellii) und Weißrückengeier (Gyps africanus). Die Autoren empfehlen, zumindest diese drei Arten in der weltweiten Roten Liste künftig als „gefährdet“ einzustufen.
Dabei können Nahrungsmangel und klimatische Schwankungen als Ursachen weitgehend ausgeschlossen werden. Selbst zur Zeit der großen Wanderungen von Zebras und Antilopen, wenn der Tisch für die Aasfresser reich gedeckt ist, blieben die Geierzahlen niedrig. Ursachen sind nach Ansicht der Wissenschaftler des Peregrine Fund, des Kenianischen Nationalmuseums und der Universität Princeton vor allem Änderungen in der Landnutzung und das Auslegen vergifteter Nutztierköder, mit denen die Viehhalter Löwen und andere Raubtiere dezimieren wollen. Für die Vergiftungsaktionen wird vor allem das Pestizid Furadan verwendet. Da Geier soziale Vögel sind und gemeinsam an den Kadavern fressen, reichen wenige Giftköder, um zahlreiche Geier zu töten.
Eine weitere, bereits Anfang 2010 im Journal for Raptor Research veröffentlichte Studie hatte für Zentralkenia mit Rückgängen von 70 Prozent eine ähnlich verheerende Entwicklung aufgezeigt. „Dabei werfen die Untersuchungen in Kenia ein Schlaglicht auf ganz Ostafrika“, betont Munir Virani, einer der Autoren der Masai-Mara-Studie. Und darüber hinaus, muss man ergänzen, denn auch in Südafrika, Westafrika und vor allem in Asien sind die Geier auf dem Rückzug.
Indiens Geier vor dem Aussterben
In Indien, Pakistan und Nepal ist das einstige Mllionenheer der Geier auf klägliche Reste zusammengeschmolzen. So nahm die Zahl der Schmalschnabelgeier (Gyps tenuirostris) und der Indischen Geier (Gyps indicus) in nur 15 Jahren um 97 Prozent ab, die der Bengalengeier (Gyps bengalensis) gar um 99,9 Prozent. Nur jeder tausendste Begalengeier hat also überlebt – und die Bestände gehen weiter zurück.
Als Haupt-Übeltäter auf dem indischen Subkontinent wurde das Arzneimittel Diclofenac identifiziert. Dieses aus der Humanmedizin stammende, entzündungshemmende Mittel wird seit den 90er Jahren auch in der Tiermedizin eingesetzt, vor allem bei Rindern. Die Geier nehmen den Wirkstoff über die Haustierkadaver auf, von denen sie sich ernähren. Die betroffenen Vögel zeigen gichtähnliche Symptome und sterben schließlich an Nierenversagen.
Als „Gesundheitspolizei“ spielen Aasfresser in der Natur eine wichtige Rolle. Schließlich vertilgen sie rasch die Kadaver toter Tiere, so dass sich Krankheiten, an denen diese gestorben sind – zum Beispiel Brucellose, Tuberkulose oder Maul- und Klauenseuche –, nicht weiter ausbreiten. Auch dass die Tollwut in Indien heute häufiger ist als in irgendeinem anderen Land, hängt mit dem Geiersterben zu tun: Nach dem weitgehenden Wegfall der Nahrungskonkurrenz durch Geier haben sich verwilderte Hunde in Indien geradezu explosionsartig vermehrt, diese Hunde sind für 80 Prozent der Tollwutfälle verantwortlich.
Seit 2006 ist Diclofenac als Tiermedikament in Indien verboten, doch die Geierbestände sind weiter am Boden, zumal sich das als Ersatzmittel angepriesene Ketoprofen inzwischen ebenfalls als für Geier tödlich erwiesen hat. In mehreren Stationen in Indien und neuerdings auch in Nepal werden nun Geier nachgezüchtet, um später ausgewildert zu werden. Noch steht dieses mühsame Programm am Anfang. „Jeder, der sich mit Naturschutz beschäftigt, weiß um das Schicksal der Indischen Tiger. Doch wenn wir nicht alle Kräfte bündeln, werden noch vor den Tigern die Geier Indiens ausgestorben sein,“ beschreibt Geierexperte Richard Cuthbert die dramatische Lage. (elg)
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