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Mehr Informationen zur Patenschaft!Nord Stream 2 - NABU widerspricht Genehmigung in AWZ der Ostsee
Salamitaktik untergräbt deutsches Naturschutz- und Planungsrecht



Eisenten - Foto: Frank Derer
55 Milliarden Kubikmeter Erdgas soll die Pipeline Nord Stream 2 pro Jahr von Russland nach Mecklenburg-Vorpommern mitten durch die Ostsee transportieren. Mit dem Bau wurde im Mai 2018 begonnen.
Zunächst schien der Pipelinebau in der deutschen Ausschließlichen Wirtschaftszone, also in den Gewässern jenseits des 12 Seemeilen breiten Küstenmeeres, weniger kritisch für das Ökosystem Ostsee. Denn die Pipeline liegt dort auf dem Meeresboden auf, die Lebensräume werden weniger beeinträchtigt, auch die im Küstenmeer problematische massive Nährstofffreisetzung entfällt. Aber einen großen Haken gab es dennoch: Die Genehmigung aus dem Jahr 2018 sieht vor, dass sich Nord Stream 2 mit einem „Ersatzgeld“ von den verursachten Umweltschäden freikaufen kann. Der NABU hat deshalb schon 2018 Widerspruch gegen die Genehmigung eingelegt und gefordert, dass das Unternehmen auch tatsächlich Maßnahmen planen und umsetzen muss, die der Ostsee zugutekommen. So sieht es das Naturschutzrecht eigentlich auch vor.
Inzwischen hat sich seit der ersten Genehmigung einiges geändert und Nord Stream 2 höhlt mit einer offensichtlichen Salamitaktik die Bestimmungen zum Schutz der Ostsee immer weiter aus. Um die Vögel im Schutzgebiet „Pommersche Bucht – Rönnebank“ während der besonders sensiblen Rast- und Überwinterungszeit zu schonen, wurde der Pipelinebau nur für die Sommermonate ab Ende Mai bis Ende September gestattet. In mehreren Schritten wird diese Festlegung unterlaufen.
Erste „Salamischeibe“: 1. Planänderung
Im Dezember 2019 genehmigte das zuständige Bundesamt für Hydrographie (BSH) eine erste Planänderung. Damit wurden Bauarbeiten während des ganzen Jahres möglich, allerdings ging es dabei insgesamt nur um zehn Bautage während der Rastzeit im Winter. Eine Zeitdauer, die das Bundesamt für Naturschutz für gerade noch akzeptabel hielt. Der NABU hatte sich in seiner Stellungnahme gegen die Planänderung ausgesprochen.
Zweite „Salamischeibe“: Ausnahme von der Genehmigung
Die erste Baugenehmigung von 2018 enthielt eine Hintertür, um Arbeiten auch bis Ende Dezember zu ermöglichen. Von dieser Hintertür hat Nord Stream 2 im Jahr 2020 Gebrauch gemacht und bis Ende Dezember gebaut. Irritierend ist dabei, dass die Genehmigung keinerlei Anforderungen an eine Bauzeitverlängerung stellt, sondern dass diese einfach formlos durchgewunken wurde, ohne jegliche Beteiligungsmöglichkeiten, etwa für Naturschutzbehörden oder Umweltverbände.
Dritte „Salamischeibe“: 2. Planänderung
Im Sommer 2020 beantragte Nord Stream 2 die zweite Planänderung. Damit will das Unternehmen drei Monate lang während der sensiblen Rastzeit bauen. Das widerspricht massiv der ursprünglichen Genehmigung, die einen Bau im Winter wegen der Störungen im Vogelschutzgebiet nicht für naturverträglich hielt.
Zweite Planänderung ist nicht naturverträglich
Am 14. Januar hat das BSH die 2. Planänderung genehmigt. Der NABU lehnt die 2. Änderungsgenehmigung als nicht naturverträglich ab und hat Widerspruch gegen die Entscheidung eingelegt. Denn: Mit dem Bau im Winter und der geänderten Verlegetechnik gehen achtzehnfache Umweltauswirkungen einher, wie der NABU ermittelt hat. Wenn überhaupt, sollte die Pipeline deshalb wie ursprünglich vorgesehen, im Sommer fertiggestellt werden. Zudem unterschätzt die von Nord Stream 2 vorgelegte Umweltverträglichkeitsstudie massiv den Auswirkungsradius der Baustelle. Die Studie geht von drei Kilometern Störradius um die Pipeline aus. Schaut man sich aber den Radius der Schiffsbewegungen in bereits gebauten Pipelineabschnitten an, so muss von mindestens fünf bis 7,5 Kilometern Störradius ausgegangen werden. Ein klares Defizit der Umweltverträglichkeitsstudie. Realistisch ist deshalb das Schutzgebiet Pommersche Bucht auf 11,5 Prozent seiner Fläche von Störungen betroffen, wie das Bundesamt für Naturschutz ermittelt hat. Zudem sind bis zu 34 Prozent der Rastbestände der besonders störungsempfindlichen Rastvogelarten betroffen.
Nicht zuletzt haben sich die Bedarfsprognosen der Nord Stream 2 AG als völlig falsch erwiesen. Weder Deutschland noch die EU benötigen zusätzliche Gasinfrastruktur. Aktuelle Studien zeigen, dass es keine energiewirtschaftliche Rechtfertigung für das Milliardenprojekt gibt, weder für die beschleunigte Fertigstellung nach 2. Planänderung, noch grundsätzlich, da der Erdgasverbrauch Deutschlands nach unabhängigen Prognosen rückläufig ist und von der vorhandenen Infrastruktur gedeckt werden kann.
Trotz laufendem Widerspruchsverfahren: Nord Stream 2 beantragt, sofort weiterbauen zu dürfen
Hunderttausende Vögel rasten bis Ende Mai im Vogelschutzgebiet Pommersche Bucht. In dieser Zeit würden Pipeline-Verlegearbeiten die Tiere massiv stören. Mit ihrem sogenannten Antrag auf Sofortvollzug (Stand 22. Februar 2021) will die Nord Stream 2 AG erreichen, dass der Pipelinebau dennoch weitergeht. Bislang darf in der hochsensiblen Rastzeit nur gebaut werden, wenn die naturschutzrechtlichen Bedenken des NABU im Rahmen des laufenden Widerspruchsverfahrens ausgeräumt werden können. Danach sieht es noch nicht aus. Auch, weil die Umweltverträglichkeitsprüfung entscheidende Vorbelastungen des Schutzgebiets ausgeblendet hat. Auf dieser schwachen Grundlage darf der Weiterbau während der Rastzeit nicht einfach weitergehen. Wegen der großen Bedeutung der Pommerschen Bucht als Rastgebiet hofft der NABU, dass das Bundesamt für Seeschifffahrt den Antrag auf Sofortvollzug ablehnt.
Was kann der NABU mit dem Widerspruch erreichen?
- Wenn überhaupt, soll die Pipeline so naturverträglich wie möglich gebaut werden. Das bedeutet: Kein Bau im Winter!
- Alle Eingriffe in die Natur müssen vorrangig mit echten Maßnahmen ausgeglichen werden. Konkrete Vorschläge dafür liegen auf dem Tisch. Bei erfolgreichen Widerspruch muss Nord Stream 2 diese Maßnahmen dann auch umsetzen und kann sich nicht einfach mit einem Ersatzgeld freikaufen.
- Auch wenn wir die Pipeline nicht verhindern: Je später die Pipeline in Betrieb geht, umso weiter kann der Umbau unseres Energiesystems voranschreiten, bevor Milliarden Kubikmeter billiges Gas die Energiewende blockieren und den Klimawandel weiter anheizen.
Stellungnahmen des NABU
Die geplante Gaspipeline Nord Stream 2 mitten durch vier Schutzgebiete in der Ostsee schädigt die empfindliche Meeresumwelt. Der NABU hat Klage eingereicht. Mehr →
Um den ökologischen Zustand der Ostsee ist es schlecht bestellt, typische Lebensräume sind gefährdet oder schon gänzlich verschwunden. Mit „Nord Stream 2“ sollen trotzdem zwei Pipelines durch fünf Schutzgebiete gelegt werden - und das ohne dringlichen Bedarf. Mehr →