NABU - Vorschlag für eine Umweltsteuer auf Getränkeverpackungen: Je größer die Klimabelastung, desto höher die Steuer
Umweltsteuer für den Klimaschutz
NABU fordert Steuer auf Getränkeverpackungen
Der Anteil der Mehrweg-Getränkeverpackungen in Deutschland ist in den letzten beiden Jahrzehnten stark gesunken, die Anzahl umweltschädlicher Einweg-Plastikflaschen nahm rasant zu und selbst die Einwegdose feiert inzwischen ihr Comeback. Während das Verpackungsgesetz für Mehrweg-Getränkeverpackungen eine Zielquote von 70 Prozent für die gesetzlich-pfandpflichtigen Getränken nennt, lag diese 2021 nur noch bei 42,6 Prozent. Betrachtet man alle Getränke in Deutschland (inklusive Milch und Milchgetränke), wurden im selben Jahr sogar nur 33,2 Prozent in umweltfreundlicheren Mehrwegverpackungen verkauft (UBA 2024).
Forderung nach einer Getränkeverpackungssteuer
Bereits vor über zehn Jahren hat der NABU daher die Einführung fiskalischer Maßnahmen gefordert, insbesondere in Form einer Getränkeverpackungssteuer. Der Vorschlag ist weiterhin aktuell, denn auch die letzten Jahre haben gezeigt, dass politische Lippenbekenntnisse allein keine positive Wirkung auf die Mehrwegquote bei Getränkeverpackungen haben.
Das Öko-Institut und Prof. Dr. Stefan Klinski von HTW Berlin zeigen in einer Studie, die im Auftrag des NABU erstellt wurde, dass eine Getränkeverpackungssteuer verfassungsrechtlich und EU-rechtlich zulässig wäre und zur nötigen Reduktion der Klimabelastung beitragen könnte, die durch die Herstellung von Getränkeverpackungen entsteht.
Ziel der Getränkeverpackungssteuer ist nicht die Gewinnung von Steuereinnahmen, sondern die Steigerung der Mehrwegquote, die Nutzung von klimaschonenderen Materialen und Recyclingmaterial. Die folgenden Grafiken zeigen, welche Steuerbeträge sich ergeben könnten. Die jeweilige Steuerhöhe richtet sich nach der Klimabelastung der Herstellung der Verpackung. Bei Mehrwegverpackungen kommt es für den effektiven Steuerbetrag darauf an, wie viele Umläufe die Mehrwegflasche hat, das heißt, wie oft sie wieder befüllt und wiedergenutzt wird.
Für die Berechnung der Steuer wird als Bemessungsgrundlage die Klimabelastung der Herstellung der Verpackung in CO2-Äquivalenten (CO2-Äq) berücksichtigt, nicht aber die Transportwege: Dies wäre voraussichtlich EU-rechtlich nicht zulässig, da Unternehmen aus dem EU-Ausland nicht diskriminiert werden dürfen. Transportaufwendungen von Mehrwegsystemen werden aber auch im Rahmen anderer (steuerlicher) Politikmaßnahmen im Verkehrs- und Transportbereich adressiert.
Rechtmäßigkeit der Getränkeverpackungssteuer
Dass eine Getränkeverpackungssteuer nicht nur ökologisch sinnvoll, sondern auch rechtlich zulässig ist, hatte der NABU bereits 2014 in einem Rechtgutachten bestätigen lassen. Auch die neue Studie kommt zu dem Schluss, dass die Steuer EU-rechtlich und verfassungsrechtlich zulässig ist, wenn man verschiedene Aspekte beachtet, wie beispielsweise die Nicht-Diskriminierung EU-ausländischer Unternehmen.
Konzeption als Verbrauchsteuer
Die vorgeschlagene Getränkeverpackungssteuer ist finanzverfassungsrechtlich als Verbrauchsteuer nach Art. 106 Abs. 1 Nr. 2 GG konzipiert: Besteuert werden hier privat konsumierbare Güter des täglichen Bedarfs. Verbrauchsteuern zielen darauf ab, dass die Steuer auf die Endverbrauchenden „abgewälzt“ wird und die wirtschaftliche Last nicht bei den Unternehmen verbleibt, auch wenn letztere die Steuer vorgelagert entrichten. Die Steuer ist den Konsumierenden rechtlich zumutbar, da keine weitreichende Belastung für die Breite der Bevölkerung entsteht: Es gibt Ausweichmöglichkeiten auf geringer besteuerte Produkte. Eine Verschiebung der Nachfrage hin zu klimaschonenderen, und damit auch geringer besteuerten Verpackungen ist letztlich das Ziel der Steuer.
Diskriminierungsfreiheit nach EU-Recht
EU-rechtlich muss die Steuer so konzipiert sein, dass sie für gleichartige Waren aus dem gesamten EU-Binnenmarkt dieselben Belastungen beinhaltet. Daher wäre eine Tarifgestaltung unzulässig, wenn z. B. die Transportentfernung bei der Bemessungsgrundlage berücksichtigt würde.
Auch auf eine förmliche Zweckbindung der Steuereinnahmen sollte verzichtet werden, um eine mittelbare Diskriminierung zu vermeiden, wenn die Einnahmen voraussichtlich allein inländischen Unternehmen zugutekämen. Eine sehr allgemeine Klausel allerdings, dass die Einnahmen primär dazu verwendet werden, „um im Einklang mit EU-rechtlichen Anforderungen zusätzliche Maßnahmen zur Abfallvermeidung, zur Wiederverwendung oder zum Recycling, sowie zur Verminderung der Umweltbelastungen von Abfällen finanzieren zu können“, erscheint indessen unproblematisch.
Kompatibilität mit anderem Abfallrecht
Die Getränkeverpackungssteuer steht nicht in Konflikt mit anderen abfallpolitischen Rechtsakten oder der sogenannten EU-Plastikabgabe, die keine Steuer oder Abgabe im engeren Sinn ist. Vielmehr unterstützt die Getränkeverpackungssteuer die diesbezüglichen Zielstellungen der EU und Deutschlands und ergänzt die Vorgaben folgender Rechtsakte auf sinnvolle Art und Weise:
- EU-Abfallrahmenrichtlinie
- EU-Verpackungsrichtlinie
- EU-Einwegkunststoffrichtlinie
- Kreislaufwirtschaftsgesetz
- Verpackungsgesetz
Die Erkenntnisse der rechtlichen Prüfung sollten auch eine Wirkung über den Getränkemarkt hinaus entfalten: Sie verdeutlichen für den NABU, dass Ressourcensteuern sehr gut mit dem deutschen und europäischen Recht vereinbar sind. Daraus ergeben sich für die Politik vielfältige Lenkungsmöglichkeiten für die Unterstützung einer umwelt- und ressourcenschonenden Wirtschaft.
In der Studie betrachtete Getränke und Verpackungen
In der Studie wurden folgende Getränkekategorien betrachtet, das heißt für diese wurde die Klimabelastung verschiedener Verpackungsalternativen in CO2-Äq berechnet, potenzielle Steuerbeträge errechnet und Einsparpotenziale bezüglich klimarelevanter Emissionen aufgezeigt, je nach der Entwicklung der Mehrwegquote und des Rezyklateinsatzes:
- „Alkoholfreie Erfrischungsgetränke und Wässer“, inklusive Gemüse- und Obstsäfte und Nektare mit PET-Mehrwegflaschen, Glas-Mehrwegflaschen und PET-Einwegflaschen
- Bier mit Glas-Mehrwegflaschen sowie Einwegdosen aus Alu und Weißblech
- „Wein“, inklusive Schaumwein, Sekt, alkoholhaltige Mischgetränke und hochprozentige Alkoholika mit Glas-Einwegflaschen
Milch und milch- oder molkehaltige Getränke wurden in der Studie aus Datenmangel nicht explizit betrachtet, gleichwohl sollte nach Ansicht des NABU eine Getränkeverpackungssteuer alle Getränke umfassen.
Berechnung der Steuer: Klimaschonendere Verpackungen profitieren
Bei der Ausgestaltung der Steuer sollten sich unterschiedliche Umweltbelastungen der Verpackungen in unterschiedlichen Steuerbeträgen widerspiegeln. Als Bemessungsgrundlage wurde hier der Indikator „Global Warming Potential“ (GWP) gewählt. Das GWP wird in CO₂-Äquivalenten (CO₂-Äq) gemessen und ist laut Öko-Institut bei Getränkeverpackungen auch richtungsweisend für die Ökobilanz-Kriterien Versauerung, Eutrophierung, fossiler Ressourcenverbrauch und bodennahe Ozonbildung.
Dazu wurde in der Studie zuerst eine vereinfachte Ökobilanz für die Getränkeverpackungsmaterialien durchgeführt und die CO₂-Äq-Werte für die Verpackungen berechnet (siehe Bildergalerie). Bei der Klimabelastung durch die Herstellung einer Verpackung spielen insbesondere die Auswahl des Materials und das Verpackungsgewicht eine Rolle. Die geringste Klimabelastung hat der Getränkekarton aufgrund eines hohen Anteils an nachwachsenden Rohstoffen, die höchste Belastung verursacht die Herstellung von Glasflaschen. Bei Mehrwegflaschen verteilt sich die Klimabelastung auf die Anzahl der Nutzungen.
In einem nächsten Schritt wurde eine Art Referenz-Verpackung ausgewählt, mit der alle anderen Verpackungen nach höherer oder geringerer Klimabelastung verglichen wurden: Hier wurde die 1,5-Liter-Einwegflasche für alkoholfreie Getränke gewählt, da diese derzeit die höchsten Umweltbelastungen auf dem deutschen Markt verursacht (dies gilt nicht pro Gebinde, aber bezogen auf die absoluten Emissionen auf dem deutschen Markt von rund 1,9 Millionen Tonnen CO₂-Äq).
Mit einem festgelegten Steuerbetrag von 25 Cent für die Referenz-Verpackung mit >75 Prozent rPET setzt das Steuermodell auch bei einem zukünftig höheren Rezyklateinsatz bei PET-Einweg Anreize für Mehrweglösungen.
Da die Steuerbeträge die Unterschiede bei der Klimabelastung durch die Herstellung der verschiedenen Getränkeverpackungen widerspiegeln sollen, sollten auch die Belastungen durch Mehrwegverpackungen durch die Steuer abgebildet werden. Sie werden daher im Umfang ihrer ökologischen Vorteile geringer besteuert, aber nicht von vorherein von der Steuer ausgenommen: Je mehr Umläufe, desto geringer die Steuer pro Abfüllung. Zum Beispiel würde der Steuerbetrag einer Glas-Mehrwegflasche für alkoholfreie Getränke (0,7 l) absolut bei 1,59 Euro liegen, bei 50 Umläufen jedoch effektiv nur noch bei 3 Cent. Das Steuermodell honoriert somit möglichst hohe Umlaufzahlen.
Steuererleichterung bei hohem Rezyklatanteil
Der Anteil von Recyclingmaterial beeinflusst positiv die Klimabelastung, welche die Herstellung einer Getränkeverpackung verursacht. Bei Kunststoff-Flaschen, ob Einweg oder Mehrweg, gibt es noch große Potenziale. Daher honoriert das Steuerkonzept als sekundäres Ziel (nach der Mehrwegförderung) den Einsatz von Rezyklaten. Dazu wurden drei Kategorien gebildet (siehe Tabelle), wobei für die Berechnungen der CO₂-Äq jeweils die untersten Werte der Spannbreite genutzt wurden. So würde sich der Steuerbetrag bei über 75 Prozent rPET gegenüber einer Flasche mit nur bis zu 50 Prozent rPET um mehr als 60 Prozent reduzieren. Die folgende Tabelle zeigt, wie sich die Klimabelastung und damit auch die steuerliche Belastung je nach Einsatz von Recyclingmaterial reduzieren:
Für Glasflaschen wird in den Berechnungen der Studien grundsätzlich ein Altglasanteil von über 75 Prozent angenommen. Trotz dieses hohen Rezyklatanteils belastet die Herstellung der Glasverpackungen das Klima sehr viel stärker als die anderen untersuchten Verpackungen, da auch das Einschmelzen für das Recycling extrem energieintensiv ist. Daher sollte Glas vor allem als Mehrwegverpackung zum Einsatz kommen und dringend in ein Abgabe- beziehungsweise Steuermodell für Getränkeverpackungen integriert werden.
Klimaschutz durch Mehrweg
Mittlerweile wird weit mehr als die Hälfte aller Getränke in klimaschädlichen Einwegflaschen aus Kunststoff oder Glas und Einwegdosen abgefüllt. Ein Umsteuern ist dringend überfällig. Das gesetzliche „Einwegpfand" von 25 Cent auf bestimmte Getränkesortimente hat nicht die gewünschte Lenkungswirkung entfaltet. Hier sollte mit einer Getränkeverpackungssteuer gegengesteuert und das Ziel einer Mehrwegquote von 70 Prozent im Verpackungsgesetz gestützt werden.
In der Studie werden die klimarelevanten Emissionen durch die Verpackungsherstellung für die untersuchten Getränke auf über 4,3 Millionen Tonnen CO₂-Äq jährlich geschätzt. Allein mit einer Mehrwegquote von 70 Prozent, könnten diese Treibhausgasemissionen um fast die Hälfte reduziert werden. Mit einer noch höheren Mehrwegquote sowie dem Einsatz von Rezyklaten wären laut Studie auch Einsparungen von bis zu 80 Prozent möglich.
NABU-Forderungen
- Einführung einer Getränkeverpackungssteuer als konkreter finanzpolitischer Ansatz, mit dem sich unterschiedliche Umweltbelastungen auch in unterschiedlichen Preisen für Verpackungen und Produkte niederschlagen.
- Einbeziehung aller Getränkeverpackungen – ob Einweg oder Mehrweg, ob Kunststoff, Karton oder Glas – und aller Getränke unabhängig von der Pfandpflicht.
- Ggf. Verbindung der Steuer mit anderen Instrumenten wie verbindlichen Vertriebsquoten für Mehrweg oder Bonus-Malus-Systemen.
- Einsatz der – im besten Fall schnell sinkenden – Steuereinnahmen zur Finanzierung von Maßnahmen zur Abfallvermeidung (im Einklang mit EU-rechtlichen Anforderungen)
- Sozialpolitische Einbettung der Getränkeverpackungssteuer und Abstimmung mit anderen fiskalischen Instrumenten, auch wenn finanzielle Mehrbelastungen der Verbraucher*innen durch die Wahl ökologischerer Verpackungsalternativen auf ein Minimum reduziert werden können.
- Einbeziehung von beschäftigungspolitischen Potenzialen des Ausbaus des Mehrwegangebots in die zukünftige Debatte.
Im Gegensatz zu einer pauschalen Abgabe nur auf Einweg ist das vorgeschlagene Modell differenzierter: Hier spiegelt die finanzielle Mehrbelastung die Unterschiede bei der Klimabelastung wider. Dies stärkt die umweltpolitische Legitimation einer staatlichen Abgabe und wird der realen Marktsituation gerechter. Die Getränkeverpackungssteuer ist ein erster Ansatz, über die Preisgestaltung ökologischere Verpackungsalternativen zu fördern. Im besten Falle dient sie darüber hinaus als Blaupause für andere Verpackungs- oder Produktsteuern und wird nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen EU-Mitgliedsstaaten eingeführt.
Downloads:
Studie zur Getränkeverpackungssteuer 2009
Bereits vor über zehn Jahren hatte der NABU die Einführung fiskalischer Maßnahmen gefordert und dazu eine Studie beim Öko-Institut in Auftrag gegeben, die 2009 veröffentlicht wurde. Als Ergebnis der Studie wurde die Einführung einer Getränkeverpackungssteuer empfohlen. Da die Rechtmäßigkeit der Studie in den folgenden Jahren von verschiedenen Akteuren in der Diskussion angezweifelt wurde, ließ der NABU diese noch einmal juristisch von dritter Seite prüfen. Das Rechtsgutachten von Prof. Dr. Arndt Schmehl sowie eine juristische Stellungnahme zum Gutachten von Prof. Kristian Fischer wurden 2014 veröffentlicht. Hiernach waren die Ziele und das Lenkungskonzept der Steuer verfassungsrechtlich mit der Berufsausübungsfreiheit sowie dem europäischen Binnenmarkt und Umweltrecht (primäres und sekundäres Unionsrecht) vereinbar.
In der Studie von 2022 hat das Öko-Institut im Auftrag des NABU die zentralen Ergebnisse der ersten Studie im Kontext der aktuellen politischen und ökonomischen Rahmenbedingungen neu beleuchtet und zu aktualisiert.
Downloads Studien 2009/2014:
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