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Undurchsichtige Praxis mit ökologischen und sozialen Folgen
Länder des globalen Nordens lagern nicht nur einen Großteil ihrer (oftmals dreckigen) Produktionsprozesse in den globalen Süden aus, sie entsorgen auch erhebliche Mengen ihres Abfalls in anderen Teilen der Erde. Ein bekanntes Beispiel sind die großflächigen Elektromülldeponien in afrikanischen Ländern. Mittlerweile steht aber auch der Export von Plastikmüll im Fokus. Durch Medienberichte und die Arbeit von Nichtregierungsorganisationen konnten auf Deponien in Südostasien, in der Türkei und in Osteuropa Plastikabfälle aus Deutschland und anderen industrialisierten Ländern nachgewiesen werden.
Deutschland lagert Abfallproblematik in andere Länder aus
Wenn Kunststoffmüll aus Deutschland in zertifizierte Recyclinganlagen im Ausland exportiert wird, geht er in die Berechnung der deutschen Recyclingquoten ein. Die Nachweis- und Kontrollsysteme sowie die Recyclinginfrastruktur in den Zielländern sind jedoch oftmals mangelhaft, sodass nur ein Teil der Abfälle tatsächlich recycelt wird. Der Rest wird unter niedrigen Umweltstandards verbrannt, deponiert oder wild entsorgt. Dies hat ökologische Folgen in Form von Emissionen durch die Verbrennung und Einträgen von Plastik und Schadstoffen in die Natur, Gewässer und letztlich ins Meer.
Darüber hinaus leidet die lokale Bevölkerung an den Folgen der Luft-, Böden- und Gewässerverschmutzung vor Ort. Hinzu kommt, dass die exportierten Abfälle die ohnehin knappen Recyclingkapazitäten in Ländern wie Malaysia oder der Türkei belegen. Diese stehen dadurch nicht für die dort anfallenden Abfälle zur Verfügung. Deutschland lagert somit nicht nur die eigene Abfallproblematik in andere Länder aus, sondern erschwert zusätzlich eine umweltfreundliche Abfallverwertung in den Zielländern.
Stand: August 2023
Wie viel wird exportiert und wohin?
Deutschland exportierte 2023 etwa 688.000 Tonnen Plastikabfälle. Dies entspricht über zehn Prozent des insgesamt in Deutschland erzeugten Kunststoffmülls. Jeden Tag werden somit knapp 1,9 Millionen Kilogramm Plastikmüll aus Deutschland in andere Länder transportiert.
Viele Jahre war der Großteil dieser Exporte in die Volksrepublik China verschifft worden. Nachdem das Land seine Grenzen für Kunststoffabfälle aus dem Ausland dichtgemacht hatte, landete deutscher Abfall in großen Mengen in südostasiatischen Ländern wie Malaysia, Indonesien und Vietnam. Die Ausfuhren nach Südostasien werden zunehmend erschwert. Trotzdem gingen 2023 über 160.000 Tonnen deutscher Plastikabfall in diese Region – ein Anstieg um mehr als ein Drittel gegenüber dem Vorjahr.
Exporte in Richtung Türkei nehmen seit einigen Jahren stetig zu. Genauso haben osteuropäische Länder wie Polen, Ungarn oder Tschechien an Bedeutung gewonnen. Polen ist mittlerweile das viertwichtigste Abnehmerland für deutschen Plastikabfall. Recherchen von Medien und Umweltschutzorganisationen zeigen leider, dass auch beim Export nach Osteuropa die Abfälle häufig unsachgemäß entsorgt werden.
Zu beachten ist, dass es sich bei diesen Daten zum Export nur um die offiziellen Zahlen des Statistischen Bundesamts handelt. Nicht erfasst sind Abfälle, die auf illegalem Weg die Grenze überqueren. So gibt es beispielsweise immer wieder Berichte über illegale Exporte von falsch deklarierten Abfällen, darunter auch Plastikmüll.
Nicht nur Deutschland exportiert Plastikabfälle in Schwellenländer und Länder des globalen Südens. Auch zahlreiche andere EU-Länder, Großbritannien, Australien, Japan und die USA verschiffen einen Teil ihrer Abfälle dorthin. Die EU exportierte im Jahr 2023 mehr als 1,3 Millionen Tonnen Plastikmüll in Nicht-EU-Länder – etwa die Hälfte davon nach Südostasien und ein Viertel in die Türkei. Jeden Tag verlassen über dreieinhalb Millionen Kilogramm Plastikabfall die EU.
Was wird exportiert?
Die Materialzusammensetzung der registrierten Exporte sowie die Deponiefunde in den Zielländern lassen darauf schließen, dass es sich bei dem Plastikmüll häufig um Verpackungsabfälle handelt. Die Abbildung macht deutlich, dass die „klassischen“ Verpackungskunststoffe Polyethylen (PE), Polypropylen (PP) und Polystyrol (PS) den Großteil der Exporte ausmachen.
Verteilung der Kunststoffarten deutscher Plastikmüllexporte im Jahr 2021. Datenquelle: EUWID Recycling und Entsorgung 2022.
Wie kommt der Müll aus Deutschland nach Südostasien oder in die Türkei?
Die Wege der Plastikabfälle aus Deutschland in andere Länder sind oftmals undurchsichtig. Laut bisherigen Erkenntnissen sind es vor allem gewerbliche Abfälle, die in Länder außerhalb der EU exportiert werden. Innerhalb der EU werden hingegen auch große Mengen Abfälle aus dem gelben Sack und der gelben Tonne verbracht.
- Gewerbeabfälle: Die Entsorgung von gewerblichen Abfällen, die entlang von Produktions- und Lieferketten entstehen, ist schlecht überwacht und wenig transparent. Die Gefahr ist groß, dass Gewerbeabfälle in Länder mit niedrigeren Entsorgungsstandards exportiert werden, um Entsorgungskosten zu sparen. So wurden beispielsweise auf malaysischen Deponien konzentriert Verpackungen einzelner Marken großer deutscher Einzelhändler gefunden; in Mengen, die haushaltsübliche Mengen übersteigen. Dies ist ein Indiz dafür, dass die Verpackungsabfälle bereits entlang der Lieferkette anfielen und exportiert wurden. Häufig lassen sich die Abfälle jedoch nicht den Verursachern und Exporteuren zuordnen.
- Abfälle aus dem gelben Sack und der gelben Tonne: 84 Prozent der Plastikmenge wurde in Deutschland verwertet, 16 Prozent exportiert, so die Angaben der Zentralen Stelle Verpackungsregister aus dem Jahr 2022. Die Exporte verblieben fast vollständig in der EU. Abfälle aus dem gelben Sack und der gelben Tonne tragen nach aktuellem Wissensstand also nicht zu wachsenden Müllbergen in Südostasien und der Türkei bei. Gleichwohl muss auch die innereuropäische Abfallverbringung kritisch überwacht werden, um unsachgemäße Entsorgung zu verhindern.
- Illegale Praktiken: Neben diesen legalen Exporten können regelmäßig illegale Abfallexporte nachgewiesen werden. Hierfür werden beispielsweise gemischte Abfälle als sortiert deklariert, um sie einfacher exportieren zu können, oder wertlose Abfallgemische im Frachtcontainer hinter sauber sortierten Abfällen versteckt. In diesen Fällen ist es besonders schwierig, Herkunft und Zusammensetzung der Abfälle nachzuvollziehen. Auch über die Mengen illegaler Exporte liegen kaum Daten vor. Illegale Entsorgungspraktiken wurden bislang sowohl beim Export von gewerblichen Abfällen als auch von Abfällen aus dem gelben Sack oder der gelben Tonne nachgewiesen.
Können Plastikexporte stärker reguliert werden?
Nach langen Verhandlungen trat im Mai 2024 die neue EU-Abfallverbringungsverordnung in Kraft. Diese beinhaltet ein Exportverbot von Plastikmüll in Länder, die nicht Mitglied der OECD sind. Das bedeutet, dass die Abfälle aus der EU ab November 2026 nicht mehr nach Südostasien verschifft werden dürfen. Die Exporte in die Türkei – ein OECD-Mitglied – sind hiervon jedoch nicht betroffen. Eine Ausfuhr dorthin wird somit weiterhin möglich sein, obwohl vielfach nachgewiesen wurde, dass europäische Kunststoffabfälle dort nicht vollständig recycelt, sondern teilweise illegal verbrannt oder auf Deponien und in der Natur entsorgt werden. Der NABU setzt sich daher weiterhin für ein generelles Verbot von Plastikmüllexporten in Länder außerhalb der EU und EFTA ein.
Bei der Verbringung innerhalb der EU muss dafür gesorgt werden, dass die Abfälle im Zielland tatsächlich hochwertig recycelt werden. Nicht nur illegale Exporte sind ein Problem, auch bei legalen Exporten kommt es vor, dass der Plastikmüll am Ende nicht korrekt verwertet wird. Es braucht daher transparente Systeme mit öffentlich zugänglichen Informationen über alle Exporte und ihre Verwertung im Importland. Der Verbleib der Abfälle muss nachvollziehbar sein. Auch müssen die Recyclinganlagen regelmäßig von unabhängiger Seite geprüft werden. Mehr Kontrollen an Häfen und Straßen sind notwendig, um illegale Exporte zu verhindern.
Eine striktere Regulierung der Plastikmüllexporte hätte positive Effekte sowohl in den Einfuhr- als auch in den Herkunftsländern. In den Importländern mit niedrigeren Entsorgungsstandards verringern sich die negativen ökologischen und sozialen Folgen, die mit der Einfuhr von Plastikabfällen einhergehen. In den Exportländern führt die Einschränkung der Ausfuhren zu einer Stärkung der inländischen Kreislaufwirtschaft. Wenn europäischer Plastikabfall nicht mehr so einfach in Länder wie die Türkei exportiert werden kann, erhöht sich der Handlungsdruck, Abfälle zu vermeiden und die Sortier- und Recyclingstrukturen innerhalb der EU auszubauen.
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