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Undurchsichtige Praxis mit ökologischen und sozialen Folgen



Plastik geht um die Welt. Foto: NABU/Sandra Kühnapfel
Die „entwickelten“ Länder des globalen Nordens lagern nicht nur einen Großteil ihrer (oftmals dreckigen) Produktionsprozesse in den globalen Süden aus, sie entsorgen auch erhebliche Mengen ihres Abfalls in anderen Teilen der Erde. Ein bekanntes Beispiel sind die großflächigen Elektromülldeponien in afrikanischen Ländern. Mittlerweile steht aber auch der Export von Plastikmüll im Fokus. Durch Medienberichte und NGO-Arbeit konnten auf Deponien in Südostasien große Mengen Plastikabfälle aus Deutschland und anderen industrialisierten Ländern nachgewiesen werden.
Wenn Kunststoffmüll aus Deutschland exportiert und nachweislich in zertifizierten Anlagen im Ausland recycelt wird, kann er in die Berechnung der deutschen Recyclingquoten integriert werden. Die Nachweis- und Kontrollsysteme sowie die Recyclinginfrastruktur in den Zielländern sind jedoch oftmals mangelhaft. Nur ein Teil der Abfälle wird daher tatsächlich recycelt. Der Rest wird unter niedrigen Umweltstandards verbrannt oder deponiert. Dies hat ökologische Folgen in Form von Emissionen durch die Verbrennung und Einträgen von Plastik und Schadstoffen in die Natur, Gewässer und letztlich ins Meer. Darüber hinaus leidet die lokale Bevölkerung unter diesen Belastungen, wenn Luft, Böden und Gewässer vor Ort verschmutzt werden.
Wie viel wird exportiert und wohin?
Deutschland exportiert jährlich etwa eine Million Tonnen Plastikabfälle im Wert von circa 254 Millionen Euro. Dies entspricht einem Sechstel des insgesamt in Deutschland erzeugten Plastikabfalls. Viele Jahre ging der Großteil dieser Exporte in die Volksrepublik China. Nachdem das Land mittlerweile seine Grenzen für Kunststoffabfälle aus dem Ausland dicht gemacht hat, landet der Abfall aus Deutschland nun in anderen Ländern innerhalb und außerhalb der EU.
Mit gut 170.000 Tonnen wurde die größte Menge deutschen Plastikmülls 2020 nach Malaysia exportiert – ein Anstieg gegenüber 2017 um 125 Prozent! Auch in andere süd- und südostasiatische Länder wird Plastikmüll verschifft. Da die dortigen Regierungen den Import von Plastikmüll mittlerweile aber restriktiver handhaben, sind die Exporte in diese Länder in jüngerer Vergangenheit teilweise gesunken, etwa nach Indien, Indonesien und Vietnam.
Als bedeutendes Zielland für deutschen Plastikmüll hat sich die Türkei etabliert. Während 2017 noch 19.000 Tonnen dorthin exportiert wurden, waren es 2020 bereits 136.000 Tonnen. Dies entspricht einem Anstieg von über 600 Prozent! Es ist außerdem davon auszugehen, dass ein erheblicher Teil der Exporte in die Niederlande am Ende in die Türkei weitergeleitet wird, da die Niederlande als Transitland für die Verschiffung fungieren. Genau Daten liegen hierzu zwar nicht vor, jedoch schätzt der Europäische Wirtschaftsdienst (EUWID), dass durch diese indirekten Exporte die Türkei noch vor Malaysia mittlerweile das wichtigste Zielland für deutschen Plastikmüll sein könnte.
Osteuropäische Länder wie Polen oder Tschechien haben in den vergangenen Jahren an Bedeutung zugenommen. Die Exporte dorthin unterliegen jedoch Schwankungen.
Die Abbildung zeigt die Zielländer deutscher Plastikmüllexporte im Jahr 2020. Es ist zu betonen, dass es sich hierbei nur um die offiziellen Zahlen des Statistischen Bundesamts handelt. Nicht erfasst sind Abfälle, die auf illegalem Weg die Grenze überqueren. So gibt es beispielsweise immer wieder Berichte über illegale Exporte von falsch deklarierten Abfällen nach Osteuropa, darunter auch Plastikmüll.
Verteilung der Zielländer deutscher Plastikmüllexporte im Jahr 2020. Datenquelle: EUWID 2021
Was wird exportiert?
Sowohl die Funde auf den Deponien in den Zielländern als auch die Materialzusammensetzung der Exporte lassen darauf schließen, dass es sich bei dem Plastikmüll häufig um Verpackungsabfälle handelt. Die Abbildung macht deutlich, dass die „klassischen“ Verpackungskunststoffe Polyethylen (PE), Polypropylen (PP) und Polystyrol (PS) den Großteil der Exporte ausmachen. Die Abfälle stammen nach vorliegenden Informationen vorrangig aus dem Gewerbe und nur zu einem kleinen Teil aus dem gelben Sack oder der gelben Tonne (siehe „Wie kommt der Müll aus Deutschland nach Südostasien?“).
Verteilung der Kunststoffarten deutscher Plastikmüllexporte im Jahr 2019 (PE: Polyethylen, PP: Polypropylen, PS: Polystyrol, PVC: Polyvinylchlorid, PET: Polyethylenterephthalat). Datenquelle: EUWID 2020.
Auf den Deponien werden nicht nur Abfälle aus Deutschland gefunden. Greenpeace Malaysia wies in einer Untersuchung örtlicher Deponien Abfälle aus nahezu jedem west-, zentral- und nordeuropäischen Land nach. Hinzu kommen große Mengen aus den USA, Japan und Australien. Malaysia dient somit als Müllkippe für Abfälle aus nahezu der gesamten „entwickelten“ Welt.
Wie kommt der Müll aus Deutschland nach Südostasien?
Die Wege der Plastikabfälle aus Deutschland in andere Länder sind undurchsichtig. Laut bisherigen Erkenntnissen sind es vor allem gewerbliche Abfälle, die nach Südostasien exportiert werden. Innerhalb der EU werden hingegen auch Abfälle aus dem gelben Sack und der gelben Tonne gehandelt.
Gewerbeabfälle: Auf den malaysischen Deponien wurden konzentriert Verpackungen einzelner Marken der großen deutschen Einzelhändler in Mengen gefunden, die haushaltsübliche Mengen übersteigen. Dies ist ein Indiz dafür, dass die Abfälle bereits entlang der Lieferkette von Lebensmitteln und anderen Produkten anfallen und als Gewerbeabfall in den Export gelangen. Dies können zum Beispiel Produktionsabfälle sein, aber auch Abfälle aus dem Handel und der Transportlogistik, beispielsweise Folien.
Abfälle aus dem Dualen System: Laut Aussage der Zentralen Stelle Verpackungsregister wurden im Jahr 2018 90 Prozent der Plastikmenge aus dem gelben Sack und der gelben Tonne innerhalb Deutschlands verwertet und zehn Prozent exportiert. Sieben dieser zehn Prozent gingen nach Österreich und in die Niederlande. 0,4 Prozent wurden nach Malaysia verschifft. Angesichts eines über die Dualen Systeme gesammelten Aufkommens an Kunststoffverpackungen in Höhe von jährlich etwa einer Million Tonnen entspricht dies einer Exportmenge von circa 4.000 Tonnen. Das würde bedeuten, dass etwa ein Prozent der aus Deutschland nach Asien exportierten Plastikabfälle aus dem gelben Sack oder der gelben Tonne stammen.
Neben diesen legalen Exporten gibt es auch illegale Praktiken, beispielsweise wenn gemischte Abfälle als sortiert deklariert oder wertlose Abfallgemische im Frachtcontainer hinter sauber sortierten Abfällen versteckt werden. In diesen Fällen ist es besonders schwierig, Herkunft und Zusammensetzung der Abfälle nachzuvollziehen.
Können Plastikexporte stärker reguliert werden?
Das „Basler Übereinkommen über die Kontrolle der grenzüberschreitenden Verbringung gefährlicher Abfälle und ihrer Entsorgung“ (Basler Konvention) regelt den Export von Abfällen. Über 180 Staaten haben dieses internationale Umweltabkommen unterzeichnet. Seit 2019 enthält die Basler Konvention auch Vorgaben zum weltweiten Handel mit Plastikabfällen. Diese Regelungen wurden in Teilen von der EU übernommen und sind seit 1. Januar 2021 in Kraft. Eine detaillierte Erläuterung des NABU ist hier zu finden.
Der NABU fordert, den Export von Plastikmüll aus Deutschland in Länder außerhalb der EU zu verbieten. Dem Näheprinzip der Kreislaufwirtschaft folgend muss Deutschland seine Abfälle selbst verwerten können und zwar möglichst nah am Entstehungsort. Innerhalb der EU sollten nur sortierte Kunststoffabfälle die Grenzen passieren dürfen, denn diese sind leichter zu recyceln. Hierfür sind mehr Kontrollen an Häfen und Autobahnen notwendig. Transparenzsysteme müssen geschaffen werden, die öffentlich zugänglich Information über Exporteur, Importeur und Abfallzusammensetzung bereitstellen. Der Verbleib der Abfälle in den Importländern muss nachvollziehbar sein.
Eine striktere Regulierung der Plastikmüllexporte hätte positive Effekte sowohl in den Einfuhr- als auch in den Herkunftsländern. In den Importländern verringern sich die negativen ökologischen und sozialen Folgen, die mit dem Import von Plastikabfällen einhergehen. In den Exportländern führt die Einschränkung der Ausfuhren zu einer Stärkung der inländischen Kreislaufwirtschaft. Wenn deutscher Plastikabfall nicht mehr nach Südostasien exportiert werden kann, erhöht sich der Handlungsdruck, Abfälle zu vermeiden und die Sortier- und Recyclingstrukturen innerhalb Deutschlands auszubauen.
Download Hintergrundpapier: Wie können Plastikmüllexporte reguliert werden?
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