Am Unteren Niederrhein ist ein wichtiges Brutgebiet für den stark gefährdeten Kiebitz – doch auch hier lauern viele Gefahren. Bitte helfen Sie dabei, die Kinderstuben des kleinen Vogels zu schützen!
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Neue Einsichten zum Mittelspecht
Hier ist eine und hier ist eine – und da noch zwei. So, das war es. Abflug, weiter zum nächsten Ast. Es scheint ein Buntspecht zu sein, der da so eifrig Ameisen und Blattläusen nachstellt. Schwarz-weiß-rot, die Größe kommt auch ungefähr hin. Ein unruhiger Genosse. Nun sucht er weiter, stochert in der Eichenrinde, pickt kurz auf und läuft kopfüber ein Stück den Stamm herunter.
-> Der Mittelspecht im Porträt
Jetzt wird klar, was da nicht stimmt. Der rote Kopffleck ist für einen erwachsenen Buntspecht viel zu groß, er geht über den ganzen Scheitel. Dafür ist das Bauchgefieder nur blassrot und das schwarze Kopfband geht nicht bis zum Rücken durch – ein Mittelspecht also, kein Buntspecht. Auch wenn er ein Stückchen kleiner ist, kann man den Mittelspecht auf den ersten Blick leicht mit seinem wesentlich häufigeren Verwandten verwechseln. Beide Arten kommen oft zusammen vor, ihre Ansprüche unterscheiden sich allerdings.
Ein typischer Europäer
Allgemein gilt der Mittelspecht als typischer Urwaldbewohner, spezialisert auf alte Eichen – und alte Eichen sind selten geworden. Das Areal des Mittelspechts beschränkt sich auf Teile Europas mit Unterarten, die bis zum Schwarzen Meer vorkommen. Kein Wunder also, dass die EU-Vogelschutzrichtlinie den Mittelspecht zu jenen Arten zählt, für die besondere Schutzgebiete einzurichten sind. Deutschland beherbergt einen großen Teil des Weltbestandes, uns kommt eine besondere Verantwortung zu.
Aber wie lässt sich dem Mittelspecht im Einzelnen helfen? Als man aufgrund der EU-Vorschriften begann, sich mit damit zu beschäftigen, zeigten sich schnell Wissenslücken. Das fängt an mit der Frage, wie viele Mittelspechte es denn eigentlich gibt. Die Bestände hatten im Lauf des 20. Jahrhundert offensichtlich erheblich gelitten, bei unseren Nachbarn in den Niederlanden war der Mittelspecht sogar ganz verschwunden. Dort ist er aber inzwischen auf breiter Front zurückgekehrt.
Das Mittelspechtjahr
Der Mittelspecht zimmert seine Höhle in leicht morschem Holz, oft an abstehenden Ästen mit dem Einflugloch unten und in einer Höhe von meist fünf bis zehn Metern. Die Balz findet bereits im Spätwinter statt, im April legt das Weibchen dann fünf bis sechs Eier. Nach nur zwölf Tagen schlüpfen die Küken und nach drei weiteren Wochen sind die Jungvögel flügge. Einen Monat später müssen sie die Höhle und auch das elterliche Revier verlassen. Der Mittelspecht ist bei uns Standvogel und kommt gelegentlich auch an Futterstellen.
Der Mittelspecht hält sich gerne hoch oben den Baumkronen auf. Dort ist er zwar sehr beweglich, aber anders als der Buntspecht trommelt der Mittelspecht kaum. Während der Balz lässt er lediglich ein Quäken hören, das Jahr über gehört er dann zu den eher schweigsamen Vögeln. Nur gut, dass der Mittelspecht fremde Artgenossen in seinem Revier überhaupt nicht mag. Auf Klangattrappen, also das Abspielen von Tonaufnahmen, reagiert er prompt und heftig. So lässt sich denn beim Gang durch mögliche Mittelspechtreviere gut feststellen, ob sie besetzt sind.
Inzwischen durchgeführte Kartierungen zeigten zweierlei: Regional ist der Mittelspecht deutlich häufiger und die Bindung an Eichen ist weniger strikt als angenommen. Besonders eindrucksvoll sind die Ergebnisse aus dem Kreis Esslingen südwestlich von Stuttgart. Koordiniert von Wulf Gatter von der Forschungsstation Randecker Maar wurde dort vier Jahre lang den Mittelspechten nachgestellt. Die dabei registrierten 1114 Reviere liegen erheblich über früheren Angaben. Hochgerechnet auf ganz Baden-Württemberg würde sich eine Vervierfachung auf rund 10.000 Paare ergeben.
Beliebte Birnenbäume
Ebenso überraschend war, dass der Mittelspecht in den ausgedehnten, waldnahen Streuobstwiesen nicht nur vorkommt, sondern Besiedlungsdichten wie in den besten Eichenwäldern erreicht. Dabei bevorzugten die Spechte rauborkige Birnenbäume, da diese besonders ausladende Kronen ausbilden. Offensichtlich bieten die alten Hochstammobstbäume ausgezeichnete Jagdreviere. Bestätigt haben die Esslinger Untersuchungen zudem, dass die Mittelspechte neben Eichen auch andere Baumarten mit rauer Borke wie Esche oder Erle besiedeln.
Beim Klettern und Arbeiten an den senkrechten Baumstämmen helfen dem Specht sein kurzer, kräftiger Stützschwanz und seine mit einer speziellen Wendezehe ausgestatteten Füße. Diese klappt er beim Hochklettern einfach nach hinten, so dass zwei Zehen nach oben und zwei Zehen nach unten weisen.
Die raue Borke wird also nicht zum Festhalten benötigt, sondern ebenso wie morsche Stellen als Nahrungsreservoir. Hier verstecken sich die Beuteinsekten – was für die Mittelspechte vor allem im Winter wichtig ist, da sie anders als Buntspechte zur Nahrungssuche keine Löcher hacken. Während sie im Sommer ihre Beute bevorzugt von Blättern und Zweigen absammeln, stochern sie im Winter mit ihrem schlanken Schnabel in den Ritzen und Spalten und fischen dann mit ihrer langen Zunge die leckeren Happen heraus.
Selbst in Buchenwäldern findet der Mittelspecht sein Auskommen. Wenn denn genügend Alt- und Totholz vorhanden ist. Dazu müssen die Buchen um die 200 Jahre alt sein, doch dieses Alter erreichen sie im Wirtschaftswald nicht mehr.
Helge May
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