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Von Kolkraben und Menschen
Ein tiefes "kroak" erfüllt die Stille des Bergtales. Dann segelt er über mir, etwa bussardgroß, mit klobigem Schnabel und das Gefieder in der Sonne schwarz schillernd - ein Kolkrabe.
-> Zum Vogelporträt Kolkrabe
Der beeindruckenden Erscheinung des größten Vertreters der Singvögel können sich weder Beobachter noch Wissenschaftler entziehen. Aktuelle Forschungen zeichnen ein neues Bild von den "schwarzen Gesellen" und besondere Aufmerksamkeit verdient die traditionelle Verbindung zwischen Rabe und Mensch.
Mit zahlreichen Unterarten ist der Kolkrabe der am weitesten verbreitete Rabenvogel: An bretonischen Klippen und in polnischen Urwäldern ist er ebenso zuhause wie in kalifornischen Wüsten und im Hochgebirge. Raben sind flexibel um sich mit unterschiedlichsten Gegebenheiten zu arrangieren. Genetische Unterschiede ermöglichen eine Vielfalt an Körpergröße, Verhalten, Nistgewohnheiten und sind Gewähr für die erfolgreiche Erschließung ökologischer Nischen in allen Regionen der Welt.
Der Mensch bereitet den Tisch
Seit Jahrtausenden begleiten sich Mensch und Rabe im Sinne einer gemeinsamen kulturellen Entwicklung. Menschen nahmen immer Einfluss auf Rabenvögel und diese auf den Menschen. Mehr als andere Tierarten haben Raben in vielen Kulturen Kunst, Sprache und Spiritualität beeinflusst. Zu Zeiten der Jäger und Sammler kooperierten Mensch und Rabe beim Jagen. Raben führten Jäger zum Wild und profitierten im Gegenzug von der Beute. Nicht ohne Grund galten Raben als Götterboten. Heute profitieren Raben von Landwirtschaft, Siedlungsbau und Freizeitaktivitäten der Menschen - und das lässt sie oft als "Schädlinge" erscheinen.
Genau erforscht sind die Zusammenhänge in der kalifornischen Wüste. Obwohl Wüsten kein Raben-Lebensraum sind, hat sich der Bestand dort in 20 Jahren verzehnfacht. Schuld daran sind wir Menschen: Wir besiedeln die Wüste und bieten den Raben ein wahres Schlaraffenland mit Wasser in Klärbecken und Bewässerungsgräben, Nahrung in leicht zugänglichen Deponien, Komposthaufen, Mülltonnen, Tierfutternäpfen und entlang der Straßen mit vielen Tieren als Verkehrsopfer. Andernorts sind es Schaf- und Rinderherden, von Jagden hinterlassene Kadaverreste oder Abfälle an Rastplätzen und Straßen, die Raben zu "geförderten Räubern" an reich gedeckte Tische einladen. Raben reagieren auf solche Angebote prompt und Probleme sind vorprogrammiert: Wo es Raben gut geht haben sie besten Bruterfolg, fallen vermehrt negativ auf, indem sie lokale Schäden an Kulturpflanzen oder in Kalifornien an Jungtieren der bedrohten Wüstenschildkröte verursachen.
Die Mär vom Lämmerkiller
Unzutreffend sind die wiederkehrenden Geschichten vom Kälber- und Lämmerkiller. Raben vermögen kein Kalb zu töten. Allenfalls stören sie Herden zur Geburtszeit und können kranke, gehandicapte Jungtiere verletzen. Sie warten auf Tot- und Nachgeburten um sie als "Kadaver-Recycler" zu entsorgen. Videoüberwachungen an Rinderherden in Brandenburg konnten Raben in keinem Fall Morde nachweisen. Indes lernten dort die Raben, wie man an lecker-süßen Kälberkot kommt: Man nähert sich von hinten dem ruhenden Kalb und pickt es in den Schwanz. Auf diesen Reiz stehen die meisten Kälber auf und koten reflexartig. Diese Strategie wird nun seit mehreren Raben-Generationen praktiziert. Dennoch wird immer wieder die Forderung nach Verfolgung laut, in Missachtung ökologischer Tatsachen und wirksamerer Bekämpfungsmethoden.
Ob Küste, Wüste oder Gebirge: Jeder Lebensraum bietet nur einer begrenzten Zahl an brütenden und nichtbrütenden Raben Raum. Geregelt wird der Bestand innerartlich über die "Brutreife". In Schleswig-Holstein sterben 95 Prozent der Kolkraben ohne je gebrütet zu haben. Die große Gruppe der Nicht-Brüter bildet eine Reservetruppe, aus der lediglich Todesfälle bei Revierinhabern ersetzt werden. Wie fatal sich Bejagung auswirkt, zeigt das Schicksal mitteleuropäischer Raben. Um 1945 waren sie bis auf Restvorkommen in Schleswig-Holstein, Polen und den Alpen ausgerottet. Doch langsam haben sie in angestammten Gebieten Verbreitungslücken geschlossen, die Abschüsse und Vergiftungen gerissen haben. Mit rund 9000 deutschen Brutpaaren haben Raben nun etwa 75 Prozent des zu erwartenden Maximalbestandes erreicht.
Strategen und Problemlöser
Raben genießen Sympathien, weil sie als sehr sozial und intelligent gelten. Auch die Wissenschaft interessiert sich dafür. Dazu machen Forscher verrückte Dinge: Sie ersinnen komplizierte Aufgaben, die Raben mit Bravour lösen. Sie verfolgen markierte Einzelvögel, sie unterziehen Käfigvögel ausgeklügelten Tests um Versteckstrategien zu ermitteln oder erklettern mit Pfeil, Bogen und Kletterseil hohe Bäume um Nester und Jungvögel zu erforschen. Sie belauschen Raben und beginnen zu verstehen wie sie sich auf "Räbisch" unterhalten.
Verhaltensforscher bescheinigen Raben Einsichtsfähigkeit, vorausschauendes und problemlösendes Handeln. Raben verstehen Absichten und Handeln ihrer Artgenossen. In vielen Weltregionen ernähren sich Raben von Tierkadavern, die mehr Futter bieten als momentan gefressen werden kann. Deshalb legen sie vorübergehende Futterverstecke an. Doch die Konkurrenz schläft nicht: Artgenossen beobachten das Verstecken und gehen stibitzen. Versuche zeigen, dass Raben diese Absichten erkennen und komplexe Strategien entwickeln um Plünderer zu täuschen.
Und Raben reden miteinander. Was viele für Gekrächze halten und Rabenvögel zu Unrecht bei den Singvögeln eingeordnet sehen, erfüllt die Kriterien einer Sprache. Schweizer Forscher haben genau hingehört und 79 verschiedene Rufe entdeckt von denen einzelne Individuen bis zu 12 beherrschen. Sie werden wie eine Sprache nach Regeln benutzt und kulturell zwischen Geschlechtern, Partnern und Nachbarn weiter gegeben.
Neue Erkenntnisse und besseres Verständnis der Rabenvögel können zukünftig dazu beitragen, Vorurteile zu überwinden und einen neuen Umgang mit einer hochinteressanten Vogelfamilie zu praktizieren, die eine lange gemeinsame Tradition mit dem Menschen verbindet.
von Stefan Bosch
Krähen, Dohlen, Häher...
Rabenvögel gelten als besonders intelligent. Kein Wunder also, dass die meisten von ihnen längst entdeckt haben, wie gut der Tisch für sie in Städten und Dörfern gedeckt ist. Anhand von Farbdetails bei Schnäbeln und Gefieder lassen sich die Arten gut auseinanderhalten. Mehr →