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Jetzt informieren!Eine Highlanderin in Äthiopien
Porträt einer gefährdeten Libellenart
Wer in den abgelegenen Bergwaldgebieten Äthiopiens unterwegs ist, kann die türkis schimmernde Libelle vielleicht auf einem Stein im Bachbett oder auf einem Ast sitzend entdecken. Die Ethiopian Highlander kommt, wie ihr Name schon sagt, ausschließlich in Äthiopien vor. Hier besiedelt sie saubere und schnell fließende Bäche in Höhen zwischen 1.300 und 2.400 Metern.
Eine Art unter Druck
Die renommierte Insektenforscherin Viola Clausnitzer hat für die „International Union for Conservation of Nature“ (IUCN) alle Libellenarten vollständig erfasst – eine für die Klasse der Insekten einzigartige Datensammlung. Auf der Roten Liste der gefährdeten Arten wird die Ethiopian Highlander, die auch im NABU-Projektgebiet im Kafa Biosphärenreservat vorkommt, als gefährdet eingestuft. Clausnitzer betont, wie empfindlich Arten mit begrenztem Lebensraum auf Veränderungen im Ökosystem reagieren: „Dazu zählen Wasserverschmutzung, Entwaldung oder die Kanalisierung von Gewässern.“ Gesunde Libellenbestände dienen als Indikator für ein intaktes Ökosystem.
Mit dem starken Bevölkerungswachstum in Äthiopien steigt auch der Nutzungsdruck auf die letzten, ohnehin schon fragmentierten Lebensräume und Populationen der Ethiopian Highlander. In den Bergwaldegebieten würden immer mehr Straßen asphaltiert und Betonhäuser gebaut, erklärt Clausnitzer. Um die Libellen und andere Arten zu erhalten, müssten die verbliebenen Wälder und Gewässer besser geschützt werden. „Gemeinsam mit Partnern wie dem NABU Ethiopia und der lokalen Bevölkerung wurde hier wichtige Arbeit geleistet“, lobt die Insektenforscherin. Zum Beispiel die Einrichtung des Kafa-Biosphärenreservats und alternative Einkommensmöglichkeiten, die ohne weitere Lebensraumzerstörung auskommen.
Typisch Ethiopian Highlander – die türkisfarbenen Komplexaugen
Und wie lässt sich die Ethiopian Highlander unter all den tausenden Libellenarten erkennen? Türkisfarbene Komplexaugen, schwarz schillernde Flügel, eine Körpergröße zwischen 28 und 38 Millimetern, etwas Gelb auf der Brust und bei älteren Männchen die helle Bereifung am Bauch. „Nur bei zwei Arten der Gattung entwickelt sich dieser weiß-hellblaue Überzug: dem Ethiopian und dem Kenyan Highlander“, erklärt Clausnitzer. „Alle anderen sind schwarz-gelb gefärbt.“
Libellen sind Räuber. Schon als Larven ernähren sie sich von anderen Wasserorganismen, während die erwachsenen Tiere wahre Flugkünstler sind und andere Fluginsekten wie Bremsen, Mücken oder Fliegen erbeuten. Umgekehrt sind Libellen auch wichtige Nahrungsquelle für Fische, Frösche und Vögel. „Sie sind also in Nahrungsnetzen mit verschiedenen anderen Organismen verbunden und dienen so der Stabilisierung komplexer Ökosysteme“, so die Entomologin.
Wissenslücken gibt es allerdings noch bei den Lebenszyklen. „Während bei unseren heimischen Arten die Larven mehrere Jahre und die erwachsenen Tiere nur wenige Wochen leben, scheint es bei vielen tropischen Arten umgekehrt zu sein“, erläutert Clausnitzer. „Über die Libellen der tropischen Gebirge, wie in Äthiopien, wissen wir diesbezüglich jedoch noch gar nichts.“ Aufgrund der kühleren Larvenlebensräume und der jahreszeitlichen Temperaturschwankungen für die erwachsenen Libellen könnte die Larvenzeit hier wieder den Großteil des Lebens ausmachen: „Aber das ist reine Spekulation.“
Wissen schafft Naturschutz
Umso wichtiger sind Insektenzählungen und langfristige Kooperationen mit Partnerorganisationen wie in Kafa. „Allein die Tatsache, dass bei den vom NABU organisierten Erfassungen zwei verschiedene Jahreszeiten abgedeckt wurden, hat zu einem enormen Wissenszuwachs geführt“, betont Clausnitzer. „Wir haben bei jeder der beiden Erfassungen jeweils Arten gefunden, die zum jeweils anderen Zeitpunkt nicht als adulte Libellen unterwegs waren.“ Weiter bilaterale Forschungsprojekte zur Biologie der endemischen Arten sowie Erhebungen in weniger bekannten Gebieten des Biosphärenreservats seien nun notwendig.
Das sieht auch Asaye Alemayehu so. Der Leiter des Regionalbüros von NABU Ethiopia setzt mit seinem Team zahlreiche Projekte im Kafa-Biosphärenreservat um: „Indem wir Daten sammeln und den Status von Insekten und anderen Arten beobachten, erhalten wir wertvolle Einblicke in das Ökosystem und seine Bedrohungen“, sagt er. „So können wir Gebiete mit hoher Biodiversität identifizieren, die Auswirkungen menschlicher Aktivitäten auf das Ökosystem verstehen und zielgerichtete Schutzmaßnahmen für gefährdete Arten und Lebensräume umsetzen.“
Es gibt noch viel zu tun: Wälder mit heimischen Arten renaturieren, Gewässer vor Verschmutzung schützen, Landwirtschaft und Management nachhaltig gestalten, Korridore zwischen fragmentierten Lebensräumen schaffen und Biodiversitätsmonitoring betreiben. So werden auch in ferner Zukunft die wunderschönen Libellen der äthiopischen Bergwälder über glasklare Bäche flitzen.
Caitlin Hardee (aus Naturschutz heute 2/24)
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