Zu Projektbeginn werden die Libellenbestände erfasst.
Paarung in der Libellen-Disco
Neuer Lebensraum für die Grüne Keiljungfer
Um zu überleben, ist die kräftig gebaute Keiljungfer auf langsam fließende, teils besonnte, teils beschattete Bäche und Flüsse angewiesen. Das Wasser sollte sauber und nicht zu kalt sein, der Grund kiesig-sandig mit vielen Flachstellen. Doch Regionen mit intakten Fließgewässern sind rar geworden in Deutschland. Allerorten wurden Flussläufe begradigt, die Ufer befestigt und die Sohlen ausgebaggert.
Ein Übriges tut die industrielle Landwirtschaft, deren Hinterlassenschaften in Form von Gülle, Dünger und Pestiziden das Wasser verseuchen. In Deutschland steht die Grüne Keiljungfer deshalb als stark gefährdete Art auf der Roten Liste.
Libellenparadies Franken
Anders in Franken: Zwischen Erlangen, Nürnberg, Ansbach und Weißenburg, im sogenannten mittelfränkischen Becken, ist die Grüne Keiljungfer noch oft anzutreffen. Die Landschaft an den Flussläufen von Aurach, Bibert, Rezat, Rednitz und Zenn ist geprägt von Grünland, intensiv bewirtschafteten Äckern und Fischteichen sowie Kiefern- und Fichtenwäldern. Auenwald säumt als schmaler Streifen die sandigen Flussufer. Die gesamte Region ist als Natura-2000-Gebiet geschützt – nicht zuletzt wegen der Grünen Keiljungfer, deren europaweit größte Population hier lebt. „Hier hat sie alles, was sie braucht“, sagt Bernd Raab vom bayerischen NABU-Partner Landesbund für Vogelschutz (LBV), der ein von der EU gefördertes Projekt zum Schutz der Großlibelle leitet.
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Grüne Keiljungfer mit Markierung.
„Wir wollen die Bestände sichern, miteinander verknüpfen und nach Möglichkeit vermehren“, sagt Raab. Zu diesem Zweck sollen Ufer und Flussbetten von Aurach, Bibert, Rezat und Rednitz auf einer Gesamtlänge von mindestens 35 Kilometern umgestaltet werden. Denn auch hier, im Schutzgebiet, ist die Grüne Keiljungfer unter Druck geraten: „Stellenweise sind die Bestände eingebrochen“, sagt Raab. „Es gibt Flussabschnitte, wo gar keine Keiljungfern mehr vorkommen.“ Der Biologe will den Flüssen deshalb ihre Eigendynamik zurückgeben. Das fließende Wasser soll den Flusslauf ständig neu modellieren dürfen; mit Sandbänken und vegetationsfreien Uferstreifen.
Im Sommerlicht
Wenn die Männchen der Grünen Keiljungfer auf Brautschau sind, findet man sie meist am Ufer von Bachläufen, wo sie im Gebüsch oder auf Steinen hockend, oft nur wenige Meter entfernt von einem Rivalen, auf vorbeifliegende Weibchen lauern. Oder sie patrouillieren in der Mitte eines träge fließenden Flusses im langsamen Flug übers Wasser, während sich die Sonnenstrahlen in ihren durchscheinenden Flügeln fangen.
Um sich fortpflanzen zu können, braucht die Grüne Keiljungfer vor allem lichte Flachwasserzonen mit kiesigem Grund. An solchen Stellen treffen sich an warmen Tagen, wenn sich das Sonnenlicht auf den Kieseln bricht und im träge fließenden Wasser glitzert und flimmert, Männchen und Weibchen zur Paarung. Dabei umklammert das Männchen mit seiner Hinterleibszange den Kopf des Weibchens, während dieses den Hinterleib nach vorn krümmt und es entsteht das sogenannte Paarungsrad. Die Paarung dauert zwischen fünf und zehn Minuten.
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Renaturierung der Rezat.
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Anbringen einer Sohlgleite an der Zenn.
„Libellen-Disco“ nennt Bernd Raab solche Flachwasserzonen, wo Lichtreflexe die Keiljungfern zur Paarung stimulieren. „Sie ist sehr lichthungrig. Zuviel Schatten am Ufer bringt sie in Schwierigkeiten“, stellt der Biologe fest. Die Grüne Keiljungfer ist eine Libellenart des Hochsommers und mag es warm. Deshalb ließ Raab an der Rezat den Uferbewuchs auslichten und an manchen Stellen den Auenwald zurückschneiden. Jetzt fällt wieder mehr Sonnenlicht auf Sandbänke und sandige Uferzonen. Den im Flussbett aufgeschütteten Kies hat die Strömung mitgerissen und neu verteilt, sodass der Fluss an diesen Stellen nun mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten fließt. Zudem ließ Raab Nebenarme ausbaggern, das Flussbett aufweiten und die Ufer abflachen.
Larven im Ufersand
Die Grüne Keiljungfer, so scheint es, ist mit den Baumaßnahmen ganz zufrieden: „An einigen der umgestalteten Flussabschnitte hat sie sich bereits dauerhaft angesiedelt“, sagt Bernd Raab. Die Population habe sich stabilisiert. Mit messbaren Erfolgen sei jedoch erst zu rechnen, wenn sich die Natur vom Umbau erholt habe: „In drei bis vier Jahren werden die Bestandszahlen nach oben gehen“, ist der Biologe überzeugt. An einem der neu angelegten Nebenarme wurden bereits mehrfach Grüne Keiljungfern im Paarungsrad beobachtet.
Nach der Trennung fliegt das Weibchen allein zur Eiablage. Dabei streift es das Eipaket im Flug an der Wasseroberfläche ab. Die sich daraus entwickelnden Larven verbringen bis zu vier Jahre eingegraben im Ufersand.
Hartmut Netz
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