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Jetzt NABU-Mitglied werden!Einseitige Ursachenforschung
Viele Indizien sprechen bei Vogelgrippe für Hauptverbreitung durch Geflügelwirtschaft
30. November 2016 – Angesichts einer neuen kritischen Analyse zum derzeitigen Auftreten der Vogelgrippe und ihrer Verbreitung erneuert der NABU seine Kritik an der bislang einseitigen Ursachenforschung zur Ausbreitung der Geflügelpest. Eine Expertengruppe des Wissenschaftsforums Aviäre Influenza (WAI) hat das bisherige Ausbruchgeschehen in Europa detailliert dokumentiert. Diese Aufstellung geht weit über die aktuelle Risikoanalyse des Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI) hinaus. Anhand der aufgelisteten Indizien wird die Hypothese des FLI, dass das Vogelgrippe-Virus H5N8 allein durch Wildvögel verbreitet wird, kritisch hinterfragt. Zahlreiche Indizien sprechen vor allem für eine Verbreitung des Virus durch die Geflügelwirtschaft selbst. Der NABU fordert das FLI auf, diese Hinweise ernst zu nehmen und mit allen ihm als zuständiger Behörde zur Verfügung stehenden Mitteln zu prüfen.
Tiertransporte überprüfen
„Das FLI ignoriert bis heute sämtliche Indizien, die dafür sprechen, dass sich Geflügelbetriebe vor allem durch die Stoffströme der Geflügelwirtschaft selbst mit dem Vogelgrippe-Virus H5N8 infizieren. Die Ergebnisse legen nahe, dringend die Fahrtenbücher und GPS-Daten von Tiertransporten auszuwerten, um zu untersuchen, ob sich diese Routen mit Ausbruchsherden der Krankheit decken“, sagte NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller. Stattdessen verweist das Institut ausschließlich auf Wildvögel als Überträger. „Diese Scheuklappen-Mentalität erklärt, warum auch zehn Jahre nach dem ersten großen Vogelgrippe-Ausbruch in Deutschland tatsächliche Eintragsquellen nie identifiziert wurden und zukünftige Ausbrüche nicht verhindert werden können.“
So zeigt eine eingehende Gen-Analyse zwar – wie vom FLI betont – eine große Ähnlichkeit des aktuell grassierenden Virus mit einem im Juni 2016 an einem sibirischen See bei Wildvögeln gefundenen Virus. Sie widerlegt allerdings die Behauptung, dass das Virus über diese Wildvögel über weitere Stafetten nach Europa gelangt sein könnte, denn das Virus der sibirischen Wildvögel ist kein Vorläufer des aktuellen Virus in Europa, sondern hatte sich wenige Monate zuvor von einem gemeinsamen Vorläufervirus abgespalten, das in einem chinesischen Schlachthof entdeckt wurde. Zudem wurden laut der vorliegenden russischen Originalquelle alle Wildvögel dort tot aufgefunden, und nicht, wie vom FLI behauptet „gesund geschossen“. Für die Aussage des FLI, dass Wildvögel das Virus lange Zeit in sich tragen und dabei ansteckend seien ohne selber daran zu erkranken, fehlen Belege. Ohne diese Hilfsthese ist eine Verbringung des Virus durch Wildvögel über Kontinente hinweg aber nicht denkbar.
Welchen Weg nahm das Virus aus China?
„Sehr wahrscheinlich hat das aktuelle Virus daher seinen Weg direkt aus der Geflügelwirtschaft in China nach Europa gefunden – ohne die Hilfe von Wildvögeln, die niemals direkt von China nach Europa ziehen“, sagte NABU-Vogelschutzexperte Lars Lachmann. Da entsprechende Viren offenbar nicht täglich aus China importiert werden, wo sie sich beständig in der Geflügelwirtschaft halten, wäre hier nach einem Zufallsereignis zu suchen, zum Beispiel einem nicht ausreichend desinfizierten Transportstall beim Handel mit Geflügel.
Vermutlich bereits ab Mitte Oktober zirkulierte das Virus in Ost-Ungarn bereits in Geflügelhaltungen. Entdeckt wurde es in den Stallhaltungen allerdings erst Anfang November. Ungarische Geflügelexporte gehen zu 99 Prozent in nur drei Länder: Polen, Österreich und Deutschland. Genau hier wurden Anfang November die ersten an H5N8 gestorbenen Wildvögel, meist Reiherenten gefunden. Die Tatsache, dass diese Ausbruchherde meist in unmittelbarer Nähe großer Schlachthöfe oder an den vermuteten Routen und Rastplätzen von Lebendgeflügel-Transporten liegen, ruft dringend nach einer eingehenden Überprüfung aller Transporte zwischen betroffenen Betrieben und Schlachthöfen in den genannten Ländern.
Der wiederholte Beginn des Ausbruchsgeschehens Anfang November soll laut FLI die These stützen, dass in Europa überwinternde sibirische Zugvögel das Virus jedes Jahr wieder eintragen. Dazu stellt der NABU fest, dass sibirische Wasservögel bereits ab August in Europa eintreffen, sicherlich aber nicht erst ab Anfang November. Plausibler wäre eher ein Zusammenhang mit der zu dieser Jahreszeit erhöhten Zahl von Martins- und Weihnachtsgänsen oder Erntedank-Truthähnen, die zu den wenigen Großschlachthöfen transportiert werden müssen.
Quelle Wildvögel oder Fleischmehlfabrik?
Nachdenklich stimmt auch der H5N8-Fall in einer großen deutschen Massenhaltung: In einem Putenbetrieb in Barßel im Landkreis Cloppenburg (Niedersachsen) mussten 16.000 Puten gekeult werden, dazu 92.000 Hühner in benachbarten Betrieben. Weit und breit wurde in der Umgebung bisher kein infizierter Wildvogel entdeckt. Auffällig ist, dass dieser Betrieb bereits beim vergangenen Ausbruch 2014 betroffen war. Zudem liegt er nur wenige Kilometer von einer großen Fleischmehlfabrik entfernt. Wie wahrscheinlich ist bei dieser Indizienlage, dass sich die abgeschlossene Massenhaltung über den Kot von Wildvögeln angesteckt hat?
Der NABU fordert Bund und Länder auf, die Suche nach den Haupt-Übertragungswegen dringend auch auf die Transporte und Stoffströme der Geflügelindustrie auszudehnen. Achselzuckend nur auf die Zugvögel als angeblich unvermeidliche Infektionsherde zu verweisen, verspielt die Chance, zukünftigen Ausbrüchen endlich einen Riegel vorzuschieben, und damit die überproportionale Belastung von Freiland-Geflügelhaltungen durch die wiederkehrende Stallpflicht zu vermeiden und gleichzeitig auch die Gefahr für Wildvögel zu bannen.
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