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Jetzt spenden!Emissionshandel: Was kann eine CO₂-Bepreisung leisten?
NABU-Empfehlungen für den Handel mit Zertifikaten
Für viele sind Emissionshandelssysteme das Allheilmittel der Klimapolitik: Unternehmen müssen für jede Tonne CO₂, die sie in die Atmosphäre pusten, bezahlen. So werden CO₂-intensive Produkte teurer und klimaschonende günstiger. Die Verbraucher*innen, also Unternehmen und Privatpersonen, zahlen den Aufschlag und passen ihr Verhalten an. Der Theorie nach regelt der Markt, wo am kostengünstigsten Emissionen eingespart werden können. Zusätzlich generiert das Handelssystem Einnahmen, die in klimafreundliche Innovationen oder in Ausgleichszahlungen für die gestiegenen Preise investiert werden können.
Was auf den ersten Blick nach einer einleuchtenden Maßnahme klingt, sollte dennoch im Detail hinterfragt werden: Bei welchen Gütern ändern Konsument*innen tatsächlich ihr Verhalten, wenn der Preis steigt? In welchen Märkten setzen sich klimafreundliche Alternativen durch? Wie lassen sich die Mehrkosten sozial gerecht verteilen? Ist ein Handel mit Zertifikaten wirklich effektiver als die Festlegung von Standards, die an den Klimazielen ausgerichtet sind?
Hintergrund: Wie ergibt sich der CO2-Preis?
Die Große Koalition hat 2019 die Einführung eines Emissionshandels für Brennstoffe beschlossen, welcher im Wesentlichen die Sektoren Verkehr und Wärme umfasst. Seit 2021 kostet eine Tonne CO₂ daher 25 Euro. Vorgesehen ist, dass dieser Festpreis bis 2025 auf 55 Euro steigt und danach in ein freies Handelssystem überführt wird. 2022 macht diese Abgabe rund sieben Cent am Liter Benzin aus.
Im Sommer 2021 hat die EU ihr Fit-for-55-Paket vorgestellt. Dabei handelt es sich um ein umfangreiches Klimaschutzprogramm, das sicherstellen soll, die Treibhausgasemissionen bis 2030 um 55 Prozent unter das Niveau von 1990 zu senken. Auch hier wurde ein Emissionshandelssystem für Straßenverkehr und Wärme vorgeschlagen. Dieser soll mit einem Klimasozialfonds, der Haushalte mit geringen Einkommen EU-weit für die gestiegenen Kraftstoffpreise entlasten soll, verbunden werden. Geplant ist, das deutsche System in das EU-System zu überführen.
Für Verbraucher*innen fehlen oft kurzfristige Alternativen
Der NABU hat eine differenzierte Haltung dazu: Wir unterstützen grundlegend das Prinzip, dass Verursacher*innen von Treibhausgasemissionen für den Ausstoß zahlen sollten. Der Emissionshandel für die Industrie, wie er seit 2005 in Kraft ist, erweist sich als ein sinnvolles Instrument, weil das Preissignal dazu führt, auf klimaschutzfreundlichere Technologien und Verfahren umzusteigen.
Jenseits davon lässt die Wirkung jedoch nach. Beim Heizen und beim Autofahren wird der Preis etwa direkt an die Endkund*innen durchgereicht. Hier zeigt sich immer wieder: Bei steigenden Preisen wird kaum weniger geheizt oder weniger Auto gefahren.
Der Grund dafür: Im Wärme- und Mobilitätssektor fehlen für Endverbraucher*innen aber oft die kurzfristigen Alternativen. Eine neue Dämmung oder Heizung ist eine längerfristige Investition, für die gegebenenfalls Förderung beantragt werden muss. Als Mieter*in bleibt einem oft nicht viel mehr Handlungsspielraum, als das eigene Heizverhalten zu optimieren.
Beim Auto fehlt gerade auf dem Land die gute Anbindung mit günstigen öffentlichen Verkehrsträgern. Daher sind wir der Meinung, dass hier andere Politikinstrumente mehr Klimaschutzwirkung entfalten können, wie zum Beispiel Effizienzstandards für Gebäude und CO₂-Grenzwerte für Autos. Einem Emissionshandel kommt hier eher die Rolle zu, ordnungspolitische Instrumente zu unterstützen. Es wäre fatal, wenn aus dem Glauben an rein marktbasierten Klimaschutz Standards verwässert würden.
Nicht zuletzt ist es auch eine Frage der Zeit: Der Europäische Emissionshandel für Straßenverkehr und Wärme (ETS2) wird aufgrund seiner Einführung im Jahr 2026 kaum Einfluss auf die Einhaltung der Klimaziele für 2030 haben können. Auch deshalb braucht es kurzfristig einen ambitionierten ordnungsrechtlichen Rahmen für die Sektoren Verkehr und Wärme, welcher durch die Förderung von emissionsfreien Alternativen und durch öffentliche Investitionen ergänzt wird.
Der NABU empfiehlt daher für Emissionshandelssysteme:
- CO₂-Bepreisung kann nur funktionieren, wenn sie zusätzlich zu einem ambitionierten Instrumentenmix etabliert und nicht als Leitinstrument angesehen wird. Im Gebäude- und Verkehrsbereich werden aufgrund der langen Investitionszyklen dringend klare Anreize für klimafreundliche Investitionen benötigt.
- Der neue europäische Emissionshandel für Verkehr und Wärme (ETS2) könnte also eine sinnvolle Ergänzung zu ordnungspolitischen Maßnahmen im Verkehrs- und Wärmesektor darstellen. Dafür muss sichergestellt sein, dass die Obergrenze klimazielkompatibel gesetzt wird und keine kurzfristige Zusammenlegung mit dem bestehenden europäischen Emissionshandel für Energie und Industrie (EU ETS) stattfindet.
- Eine wesentliche Voraussetzung für einen funktionierenden Markt ist die Ausgabe von Zertifikaten, welche die tatsächlichen Knappheiten des Emissionsbudgets und den tatsächlichen Preis für CO₂-Emissionen widerspiegeln. Daher sollte die kostenlose Zuteilung von Zertifikaten vollständig auslaufen.
- Statt kostenloser Zuteilung sollten Emissionshandelssysteme über einen Mindestpreis sowie einen Mechanismus für Marktstabilität verfügen, um eine tatsächliche Emissionsminderung sicherzustellen.
- Der Emissionshandel muss auch die Emissionen aus Abfallverbrennung und Biomasse-Verbrennung berücksichtigen.
- Die Einnahmenverwendung muss für einen sozialen Ausgleich, Investitionen in Klimaschutzinfrastruktur und Naturschutzzwecke sichergestellt werden.
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