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Bausteine für umweltfreundlichen Güterverkehr
Die Zahlen sind erschreckend: Der Straßengüterverkehr nahm in Deutschland zwischen 1991 und 2000 um über 40 Prozent zu. 2012 wurden, Lkw-Maut und Dauerstau hin oder her, 72 Prozent der Verkehrsleistung im Güterverkehr über die Straße erbracht. Der Ruf nach Neu- und Ausbauten von Bundesstraßen und Autobahnen lässt da nicht lange auf sich warten, trotz heute schon massiver Lärm- und Feinstaubbelastung durch Brummis und einem weltweit einzigartig dichten Straßennetz. Es muss befürchtet werden, dass Ziele zur Reduzierung von Flächenverbrauch und Klimagasen unerreichbar bleiben, wenn der Güterverkehr der Zukunft nicht grundlegend anders vollzogen wird.
Der Lkw-Verkehr verursacht einen erheblichen Anteil der Belastungen, die vom Straßenverkehr ausgehen. Diese Belastungen reichen vom Lärm über Abgase und die durch den Lkw-Verkehr erzeugten Straßenschäden, bis hin zu schwerwiegenden Folgen von Verkehrsunfällen, an denen Lkw beteiligt sind. Die EU-Kommission hat das Ziel ausgegeben, bis 2050 die Hälfte des Straßengüterverkehrs über 300 Kilometer Entfernung auf die umweltfreundlicheren Verkehrsträger Bahn und Schiff zu verlagern.
Umweltvergleich zwischen Lkw, Bahn und Binnenschiff
Mit rund 70 Prozent Anteil an der Verkehrsleistung dominiert der Lkw auf der Straße das Güteraufkommen in Deutschland. Weit abgeschlagen folgen Schiene (16 Prozent) und Binnenschifffahrt (11 Prozent).
Nicht nur der Anteil an der Verkehrsleistung ist im Straßengüterverkehr sehr hoch, sondern auch die daraus resultierenden Umweltfolgen sind beim Lkw pro transportierter Tonne je Kilometer (t/km) überproportional negativ. Einige Vergleichsdaten belegen den deutlichen Umweltnachteil des Straßengüterverkehrs:
Energieverbrauch und Klimabelastung
Der Verkehr ist durch den Ausstoß des Klimagases Kohlendioxid (CO2) mittlerweile einer der größten Verursacher der globalen Klimaerwärmung - mit steigender Tendenz. Bis zu einem Viertel aller CO2-Emissionen stammen vom Verkehr. Die Straße produziert im Güterverkehr über fünfmal so viel Klimagasemissionen wie die Schiene.
Die Erkenntnisse über den Klimawandel haben die Politik zum Handeln veranlasst: Die Bundesrepublik hat sich Ziele zur Reduktion der Treibhausgase auferlegt, die jedoch verfehlt werden könnten. Schuld daran könnte das Verkehrswachstum sein, denn allein die CO2-Emissionen durch den Straßengüterverkehr werden laut DIW bis 2020 um 43 Prozent steigen.
Schadstoffe: Stickoxid-Emissionen
Stickoxide sind für die Versauerung des Bodens und damit u.a. für das Waldsterben verantwortlich. In Form von Stickstoffdioxid schädigen sie das Immunsystem und können zu Allergien führen. Darüber hinaus stellen sie eine Ozon-Vorläufersubstanz dar. Der Dieselmotor und damit der Lkw-Verkehr gehört zu den größten Verursachern von Stickoxiden. Im Güterverkehr produzieren sie 12mal mehr gesundheitsgefährdende Schadstoffe als die Bahn.
Feinstaub-Emissionen
Die Feinstaub-Debatte hat eindrücklich die Risiken durch lokale Abgase in Deutschland verdeutlicht. Diese können das Herz-Kreislaufsystem und die Atemwege schädigen sowie Krebs auslösen. Rußpartikel entstehen im Verkehr hauptsächlich bei der Verbrennung im Dieselmotor. Die Bahn fährt hauptsächlich mit Elektrizität, die in Großkraftwerken erzeugt wird. Gerade beim Feinstaub kann die Bahn ihren deutlichen Umweltvorteil ausspielen. So schlägt sie den Lkw bei den Partikelemissionen um den Faktor 13!
Lärm, Flächenverbrauch und Zerschneidung
Lärm ist mittlerweile eines der größten Umweltprobleme in Deutschland. Vor allem in Städten fühlen sich die Menschen von Verkehrslärm belästigt. Wie eine Studie des Umweltbundesamtes zeigt, fühlen sich fast 60 Prozent der Menschen durch Straßenlärm, rund 32 Prozent durch Fluglärm gestört. Über den Zuglärm klagen rund 20 Prozent. Durch aktiven (Lärmvermeidung) und passiven (Lärmschutzwände, -Fenster, etc.) Lärmschutz muss die Lärmbelastung daher bei allen Verkehrsträgern reduziert werden. Auch die Bahn muss ihre Lärmemissionen senken, wenn sie ihren Umweltvorsprung gegenüber dem Straßenverkehr erhalten will.
In den vergangenen Jahren hat es in Deutschland nicht zuletzt durch den Bau von Straßen einen regelrechten "Flächenfraß" gegeben. So entspricht ein Kilometer Hochgeschwindigkeitsbahnstrecke in der Regel einem Flächenverbrauch von einem Hektar, während ein Kilometer Autobahn bereits vier Hektar verbraucht. Das deutsche Straßennetz ist mit über 600.000 Kilometern eines der dichtesten im internationalen Vergleich. Von Straßen unzerschnittene, verkehrsarme Räume mit mindestens 100 Quadratkilometern Flächengröße - d.h. Lebensräume mit ausreichender Größe für wildlebende Tiere und Pflanzen - haben dramatisch abgenommen.
Der Flächenverbrauch und die Zerschneidung von Landschaften durch Siedlungen und Verkehrsinfrastrukturen sind mit rund 130 ha pro Tag zu einem der gravierendsten Probleme für den Schutz und die Erhaltung von Arten und Landschaften geworden. Insbesondere stark befahrene Straßen, Bahntrassen und kanalisierte Fließgewässer stellen für viele Wildtiere - vom Laufkäfer bis zum Rothirsch - nahezu unüberwindliche Barrieren dar. Großräumige Wanderungen von Arten wie Luchs, Wildkatze, Rotwild oder Fischotter auf tradierten Wanderrouten werden unterbunden. Ihr langfristiges Überleben in "Lebensrauminseln" ist durch eine erhebliche Beeinträchtigung des natürlichen Genaustausches bedroht.
Und der Trend hält weiter an: so sieht der Bundesverkehrswegeplan bis zum Jahr 2012 durch den Bau zusätzlicher Autobahnen und Bundesstraßen eine weitere Verdichtung des Verkehrsnetzes um mehr als 15 Prozent vor. Zu den Straßen addieren sich noch die Netze der Eisenbahnlinien und Wasserstraßen, die ebenfalls zu den dichtesten der Welt gehören. Je nach Bauart kann die Barrierewirkung von Bahnlinien und Wasserstraßen mit derjenigen von Bundesfernstraßen verglichen werden, meist ist sie jedoch deutlich geringer.
Externe Kosten
Der zunehmende Verkehr in Europa verursacht mittlerweile Folgekosten in Milliardenhöhe. Diese so genannten externen Kosten, für die die Allgemeinheit aufkommen muss, resultieren unter anderem aus Unfällen, Straßen-, Gebäude- und Umweltschäden. Wie Wissenschaftler von INFRAS in Zürich und IWW in Karlsruhe in einer Studie für die EU-Länder sowie die Schweiz und Norwegen ermittelten, betrugen dabei die gesamten externen Kosten des Verkehrs (ohne Staukosten) 530 Milliarden Euro allein im Jahr 2000. Das entspricht fast 8 Prozent des Bruttoinlandprodukts in den untersuchten Ländern. Der kostenträchtigste Verkehrsträger ist hierbei die Straße, die fast 84 Prozent der gesamten externen Kosten verursacht, gefolgt vom Luftverkehr mit 14 Prozent. Die Schiene verantwortet 1,9 Prozent der externen Kosten.
Die Lkw-Maut - auf dem Weg zu mehr Kostenwahrheit im Güterverkehr
Bis jetzt haben die Transportunternehmen im Güterverkehr die Straße der Schiene vorgezogen, was unter anderem an den ungleichen Transportpreisen liegt. Denn im Gegensatz zu den Bahnen deckt der Straßengüterverkehr nur einen geringen Teil seiner Wegekosten und hat dadurch erhebliche Wettbewerbsvorteile. Der NABU begrüßt, dass die Bundesregierung zum 1. Januar 2005 die Lkw-Maut eingeführt hat, um diese Wettbewerbsverzerrung zu verringern. Die Lkw-Maut ermöglicht es, anhand der zurückgelegten Fahrtstrecke, des Gesamtgewichts und der Emissionsklasse des Fahrzeugs den Lkw an den entsprechend von ihm verursachten Kosten zu beteiligen, was insgesamt zu einem gerechteren Wettbewerb zwischen Straße und Schiene führt.
Die Maut wird in Deutschland für Lastwagen ab 12 Tonnen Gesamtgewicht erhoben und sie beträgt durchschnittlich 12,4 Cent pro gefahrenem Kilometer. Die Erlöse der Maut werden nach Abzug der Systemkosten nach folgendem Schlüssel verteilt:
- 50 Prozent für Investitionen in Straßeninfrastruktur
- 38 Prozent für Investitionen in Schieneninfrastruktur
- 12 Prozent für Investitionen in Wasserstraßeninfrastruktur
Lkw-Maut muss weiterentwickelt werden
Die LKW-Maut ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. Sie muss jedoch in mindestens drei Punkten verbessert werden, um eine echte Lenkungswirkung zu entfalten und mehr Kostengerechtigkeit und faire Wettbewerbsbedingungen im Güterverkehr zu erzielen.
Der NABU fordert
1. die schrittweise Anhebung der Maut auf das Niveau der Schweiz!
Die Mauthöhe muss, im Sinne der von der Bundesregierung angestrebten Verkehrsverlagerung auf die Schiene, angehoben werden. Der NABU hält eine Mauthöhe von 45 Cent/ km wie in der Schweiz für notwendig.
2. die Einbeziehung auch kleinerer LKW ab 3,5 Tonnen zulässigem Gesamtgewicht!
Die neuerliche Ankündigung der Bundesregierung, die LKW-Maut auch zukünftig nur für schwere LKW ab 12 Tonnen zu erheben, ist nicht einsichtig. Auch kleinere LKW führen zu Schäden an der Infrastruktur und belasten Mensch und Umwelt durch Lärm und Schadstoffe. Daher muss der gesamte gewerbliche Straßengüterverkehr ab einem Gesamtgewicht von 3,5 Tonnen (wie in der Schweiz) in die LKW-Maut einbezogen werden.
3. Die Ausdehnung des Geltungsbereichs der Maut auf alle Straßen!
Die Maut muss auf allen Straßen und nicht nur auf den Autobahnen erhoben werden, um Ausweichreaktionen zu vermeiden. Bekannte Ausweichstrecken des Bundesstraßennetzes sollten bereits 2006 in die Erhebung einbezogen werden.
4. Ein stärkere Differenzierung der Mauthöhe nach Gewichts-, Schadstoff- und Lärmklassen!
Die Spreizung der Mautgebühr muss erhöht werden, damit der Anreiz zum Einsatz von sauberen, leisen LKW verstärkt wird.
Nicht nur verlagern, sondern auch vermeiden
So wichtig die Verlagerung von Transporten von der Straße auf die Schiene auch sein mag - sie wird die Umweltauswirkungen im Güterverkehr nur teilweise einschränken können, da selbst Schienen- und Binnenschifffahrtsverkehr Schadstoffe und Lärm erzeugt und die dazu notwendige Infrastruktur Landschaften zerstört. Darüber hinaus wird das gigantische Transportaufkommen aus Kapazitätsgründen auch in Zukunft nicht vollständig auf dem Schienen- oder Wasserweg bewältigt werden können. Hinzu kommt, dass ein Verteilerverkehr bis in einzelne Orte nur mit dem LKW realisierbar ist.
Ein riesiges Potenzial zur Reduzierung der Umweltbelastungen im Güterverkehr liegt daher in der Vermeidung unsinniger Transporte. LKW-Schlangen ziehen sich auch deshalb durchs Land, weil unsere Gesellschaft nach einem großen Warenangebot aus allen Teilen der Welt zu Niedrigpreisen verlangt. Bekleidung aus Asien, Früchte aus Spanien, Wein aus Australien, Wasser aus Südfrankreich. Wir kaufen Äpfel aus Neuseeland, während die Obstwiesen aus unserem Landschaftsbild verschwinden. Im Hamburger Supermarkt gibt es Milch aus Bayern, während in München Milch aus Schleswig-Holstein verkauft wird. Wir müssen uns immer wieder verdeutlichen, dass hinter jedem Produkt eine Transportleistung und damit ein Energieverbrauch steht.
Allein in Deutschland stieg die durchschnittliche Transportentfernung im gewerblichen Straßengüterverkehr zwischen 1995 und 2000 um etwa 30 Prozent - von rund 88 km auf 115 km pro Fahrt. Stabile regionale Wirtschaftskreisläufe könnten helfen, Güterverkehr und Umweltbelastungen zu verringern. In einem regionalen Wirtschaftskreislauf erfolgen Produktion (einschließlich Vorleistungen), Konsum und Entsorgung eines Gutes innerhalb eines begrenzten Gebietes. Dadurch entstehen enge regionale Produktions- und Handelsverflechtungen mit kurzen Transportwegen, die in den vergangenen Jahren im Zeitalter der Globalisierung jedoch immer mehr an Bedeutung verloren haben.
Zusammenfassung
Schon heute sind die Straßen überlastet und Wissenschaftler erwarten eine drastische Zunahme des Güterverkehrs in den nächsten Jahren. Wenn diese Prognosen Wirklichkeit werden, sind die von der Regierung festgelegten Umweltschutzziele nicht erreichbar. Eine veränderte Verkehrspolitik ist daher dringend nötig! Dazu gehören insbesondere faire Wettbewerbsbedingungen zwischen den Verkehrsträgern, eine Emissionsverbesserung bei allen Verkehrsträgern (weniger Kohlendioxid, weniger Stickoxide, weniger Feinstaub, weniger Lärm), sowie eine Verlagerung und Vermeidung von Transporten. Der beste Umweltschutz ist, wenn Verkehr überhaupt nicht entsteht. Deshalb müssen regionale Wirtschaftskreisläufe gestärkt werden. Das kann letztlich jeder selbst mit dem Einkauf regionaler Produkte im Laden um die Ecke tun.
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