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Beispiele für modellhaftes Bauen mit Stroh
Stroh als Baustoff? Eine bis dato eher ungewöhnliche Vorstellung. Jedoch nicht im Ökodorf Sieben Linden in der altmärkischen Gemeinde Beetzendorf. Der erste Strohbau in der Modellsiedlung, ein zweigeschossiges Wohnhaus aus Holz, Lehm und Stroh, wurde bereits vor 20 Jahren gebaut. „Die Villa Strohbunt war das erste genehmigte Strohhaus in Deutschland“, berichtet Michael Würfel von der Wohnungsgenossenschaft. „Das war damals eine kleine Revolution.“
Daumen hoch von der Bauaufsicht
Mittlerweile stehen im Ökodorf elf Strohhäuser, darunter das 2005 fertiggestellte „Strohpolis“. Das dreistöckige Holzständergebäude, dessen Außenwände mit Strohballen ausgefacht und mit Lehm verputzt sind, ist ein weiterer Meilenstein für das Bauen mit Stroh. Denn im Zuge der Genehmigung wurde nachgewiesen, dass fachgerecht gebaute Strohwände normal entflammbar sind. Verkleidet man sie mit Kalk- oder Lehmputz, erfüllen sie, je nach Stärke der Putzschicht, die Feuerwiderstandsklasse F30 oder F90. Heute sind Strohballen bauaufsichtlich zugelassen, können also ohne weitere Genehmigung in Gebäuden bis zu drei Stockwerken verbaut werden.
Als Abfallprodukt der Getreideernte ist Stroh überall verfügbar, wo Landwirtschaft betrieben wird. Ein Fünftel des Strohs, das nach einer durchschnittlichen Ernte in Deutschland übrigbleibt, reichte für den Bau von rund 350.000 Einfamilienhäusern. So hat es der Fachverband Strohballenbau (Fasba) errechnet, in dem Planungsbüros, Herstellerbetriebe und Handwerksfirmen zusammengeschlossen sind.
Weizen und Roggen bevorzugt
Ist Stroh somit ein Lowtech-Baustoff, den man nur auf dem nächstgelegenen Acker aufzusammeln braucht? Nicht ganz. Um als Baustoff zugelassen zu werden, muss das Stroh bestimmte Anforderungen erfüllen. So sollten die Halme möglichst lang und unbeschädigt sein. Die gepressten Ballen müssen eine Dichte von etwa 100 Kilo pro Kubikmeter aufweisen. Davon hängen bauphysikalische Eigenschaften wie Entflammbarkeit, Schallschutz oder Wärmedämm-Qualitäten ab. Am besten als Baustroh geeignet sind Weizen und Roggen.
In Deutschland wird der Baustoff vom Getreideacker meist in nichttragenden Konstruktionen verbaut, bei denen in aller Regel ein Holzständerwerk das Gewicht von Dach und Obergeschossen abfängt. Die Dach-, Wand- und Deckenelemente eines Strohhauses fertigen Zimmereibetriebe in der Werkshalle vor. Meist werden auch die Strohballen schon dort in die Gefache gepresst. Per Lkw gelangen die vorgefertigten Elemente auf die Baustelle, wo sie ein Kran in das Bauwerk einpasst.
Die Benediktiner machen es vor
Auf diese Weise entstand auch das Gästehaus Sankt Wunibald, ein Erweiterungsbau des südlich von Neumarkt in der Oberpfalz gelegenen Klosters Plankstetten. Eine ortsansässige Zimmerei errichtete für die als grünes Kloster bekannte Benediktiner-Abtei einen dreistöckigen Mehrzweckbau mit 1.700 Quadratmetern Nutzfläche in Holzständer-Bauweise, unter dessen Dach 30 Einzelzimmer, ein Tagungsbereich, ein Kindergarten und die Pfarrverwaltung untergebracht sind.
Das Gebäude, das den Passivhaus-Standard erfüllt, stammt sozusagen aus eigenem Anbau, denn die verbauten 2.000 Strohballen wurden auf den Feldern der Abtei geerntet, die 500 Fichten für das Tragwerk im Klosterforst geschlagen. Damit ergebe sich ein perfekter Kreislauf, sagt Fasba-Sprecher Benedikt Kaesberg: „Endet die Lebensspanne des Hauses, kompostiert man das Stroh einfach auf den Feldern.“
Billiges Material, teure Verarbeitung
Mit Materialkosten zwischen fünf und acht Euro pro Ballen ist Stroh zudem ein äußerst günstiger Baustoff. Doch um das Stroh in die Gefache zu bekommen, ist weit mehr Handarbeit nötig als beim Anbringen eines Wärmedämm-Verbundsystems. Auch das Verputzen wird von Hand erledigt und kostet Zeit. Das macht den Preisvorteil wieder zunichte. In Plankstetten schätzt man die Mehrkosten im Vergleich zu einem konventionellen Beton- oder Ziegelbau auf zehn Prozent.
Mehrkosten, die sich allerdings drücken lassen, wie das Mehrgenerationenhaus der Uferwerk-Genossenschaft in Werder/Havel zeigt. Auf dem Gelände einer ehemaligen Fabrik errichtete die Genossenschaft einen zweistöckigen Bau mit elf Wohnungen. Die Strohballen in den Außenwänden wurden in Eigenleistung in die Gefache gepresst. Das Aufbringen der mehrlagigen, drei Zentimeter dicken Lehmputzschicht erledigten allerdings Profis. Zwar macht die Dämmung einen vergleichsweise geringen Teil der Baukosten aus, doch zeigt das Beispiel, wie sich mithilfe der Muskelhypothek sparen lässt.
Frankreich ist schon weiter
Aktuell gibt es in Deutschland laut Fasba über 1.000 Strohhäuser. EU-weit führend sei allerdings Frankreich, berichtet Fasba-Sprecher Kaesberg: „Dort werden sogar Schulen und Kindergärten mit Stroh gebaut.“ In Saint-Dié-des-Vosges, einer 20.000-Einwohner-Stadt im Nordosten Frankreichs, errichtete die Genossenschaft Le Toit Vosgien 2013 einen achtgeschossigen Sozialwohnungsbau, strohgedämmt und in Passivbauweise. Leuchtturmprojekte wie dieses wünscht sich Kaesberg auch in Deutschland.
Hartmut Netz, Naturschutz heute 2022
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