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Die EU propagiert Holzverbrennung in Kraftwerken als klimaneutrale Form der Energiegewinnung. Doch das Gegenteil ist der Fall.
Die Steag mit Sitz in Essen überlegt, das gerade mal zehn Jahre alte Steinkohlekraftwerk Walsum 10 mit einer Leistung von 790 Megawatt auf den „CO2-neutralen Brennstoff Holzpellets“ umzurüsten. Ähnliche Pläne gibt es in Wilhelmshaven mit dem 730-MW-Kraftwerk von Onyx, hinter dem das US-Unternehmen Riverstone Holdings steht. Riverstone ist auch Haupteigentümer des weltgrößten Holzpelletherstellers Enviva.
Atom und Biomasse
Vorbild für die deutschen Vorhaben ist Großbritannien. Dort rühmt man sich, den Kohleausstieg schon jetzt weitgehend vollzogen zu haben. Tatsächlich wurden auf der Insel Solar- und vor allem Windkraft stark ausgebaut. Neben Gas stützt sich der britische Kohleverzicht aber auch auf Atomenergie und Biomasse. Allein das Drax-Kraftwerk im nordenglischen Yorkshire bringt es nach Umrüstung auf eine Leistung von 3000 MW via Holzpellets. Für das Unternehmen Drax Global lohnt sich das aufgrund milliardenschwerer Subventionen.
Traditionell hat Holz als Brennstoff auch in Skandinavien große Bedeutung, in den Niederlanden wurde Biomasse ebenfalls lange subventioniert, bis man 2021 einen stufenweisen Ausstieg beschloss. Angetrieben wird das Ganze durch die EU. Die Erneuerbare-Energien-Richtlinie (Renewable Energy Directive – RED) stuft die Verbrennung von Holz nämlich als „erneuerbar“ und damit auch klimaneutral ein: „Die Emissionen bei der Nutzung des Kraftstoffs werden für Biokraftstoffe und flüssige Biobrennstoffe mit null angesetzt“. Das gibt den Mitgliedstaaten grünes Licht für Subventionen und schönt die gesamtstaatliche Klimabilanz. Auch der Emissionshandel wird nicht belastet. Auf dem Papier also eine Win-win-Situation, für die Umwelt leider nicht.
Schnell verbrennen, langsam wachsen
Tatsächlich entsteht bei der Holzverbrennung in erheblichem Maße Kohlendioxid (CO2), je erzeugte Energieeinheit sogar mehr als bei Kohle. Durch die Null-Einstufung der RED wird diese Wirklichkeit aber komplett ignoriert. Unternehmen und Regierungen brüsten sich mit Klimaschutz per Holzverbrennung, selbst wenn Millionen Tonnen Abgase durch die Schornsteine rauschen.
Das Argument dahinter ist so alt wie durchschaubar: Da für gefällte und verbrannte Bäume wieder neue nachwachsen und Kohlenstoff binden, sei die Bilanz ausgeglichen. Der Faktor Zeit wird dabei komplett übergangen. Bis wieder genügend Biomasse nachwächst, dauert es viele Jahrzehnte, in der Zwischenzeit entsteht durch die Verbrennung eine Kohlenstoff schuld. Ein Bericht des Forschungsrates der Europäischen Kommission weist darauf hin, dass so EU-weit pro Jahr 350 Millionen Tonnen CO2 ausgestoßen werden, die über Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte in der Atmosphäre verbleiben.
Großflächige Waldzerstörung
Dazu kommt: Alleine bei Drax in Yorkshire geht mehr Holz in Flammen auf, als in ganz Großbritannien geerntet wird. Folgerichtig werden die gesamten Pellets importiert, vor allem aus Nordamerika. 2020 verließen die USA 7,26 Millionen Tonnen Holzpellets im Wert von gut einer Milliarde US-Dollar, fast ausschließlich nach Europa, mit einem Enviva-Marktanteil von 75 Prozent. Dazu werden vor allem im Süden der USA im Großmaßstab Wälder gerodet. Naturschützer*innen beklagen, dass dem auch wertvolle Sumpfwälder zum Opfer fallen.
In Europas Wäldern ist die Lage gleichfalls angespannt, vor allem in Skandinavien und im Baltikum. Selbst in durch die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie geschützten Gebieten findet Holzernte bis hin zum Kahlschlag statt. Seit der Jahrtausendwende nahm der Energieholzeinschlag EU-weit um 47 Prozent zu, inzwischen wird die Holzernte zur Hälfte verfeuert.
Druck auf den Wald
Deutschland macht da keine Ausnahme. Mehr als 60 Millionen Kubikmeter Holz werden hierzulande jährlich verbrannt, 25 Millionen in den Kaminen der Privathaushalte. Die Nutzungskonkurrenz ums heimische Holz ist enorm, damit steigt der Druck, möglichst viel zu ernten. In der EU hat Deutschland noch die Wälder mit den größten Holzvorräten und noch führen wir genauso viel Holz aus, wie wir importieren. Sollten tatsächlich Großkraftwerke umgerüstet werden, gehen Expert*innen jedoch davon aus, dass 85 Prozent der Pellets eingeführt werden müssten.
Chancen auf EU-Ebene liegen in der anstehenden Überarbeitung der RED. Allzu optimistisch sollte man allerdings nicht sein. Doch egal wie es ausgeht: Die EU ermöglicht Subventionen, sie erzwingt sie nicht.Deutschland muss also Holzverbrennung nicht fördern.
Was macht die Ampel?
Bisher ist die Biomassestrategie der neuen Bundesregierung noch in Arbeit. Bei der Vorlage seiner Eröffnungsbilanz kündigte Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck eine Deckelung der Energiegewinnung aus Biomasse auf das „nachhaltig verfügbare Potential“ von 1000 bis 1200 Petajoule an. Zum Vergleich: Aktuell stehen wir in Deutschland bei 880 Petajoule, es soll also ausgebaut werden.
Dabei ist bereits der jetzige Umfang nicht naturverträglich, denn Bioenergie wird zu einem großen Teil aus speziellen Energiepflanzen sowie eben aus Holz erzeugt. Bioenergie trägt zum Artenverlust in der Landwirtschaft und zur Übernutzung der Wälder bei. Zudem hat Bioenergie im Vergleich zu Energie aus Wind und Sonne einen höheren Flächenbedarf.
Das Umweltbundesamt kommt übrigens in einer Studie zu dem Schluss, dass künftig – Zieljahr 2050 – nur gut 200 Petajoule genutzt werden sollten. Zum Verheizen ist Holz einfach zu schade.
Helge May (aus „Naturschutz heute“, Ausgabe März 2022)
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