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Jetzt spenden!NABU fordert Herstellerverantwortung für Matratzen
Studie zur besseren Kreislaufführung von Matratzen
In Deutschland werden jedes Jahr schätzungsweise 8,27 Millionen Matratzen entsorgt, die mit 93 Prozent zum größten Teil aus privater Nutzung stammen. Durchschnittlich wird eine private Matratze 10 bis 14 Jahre lang genutzt. Weitere Altmatratzen kommen aus dem Gastgewerbe und Gesundheitseinrichtungen wie beispielsweise Krankenhäuser. Dort ist die Nutzungsdauer mit fünf bis acht Jahren deutlich kürzer.
Matratzen werden bisher beinahe komplett linear bewirtschaftet. Dies ist mit Blick auf die Ressourcenschonung sehr kritisch. Um Potentiale einer Kreislaufführung von Matratzen zu bewerten und mögliche Wege aufzuzeigen, hat der NABU das Öko-Institut mit einer Studie beauftragt.
Matratzenmarkt in Deutschland
Eine Matratze besteht aus einem Kern und einem äußeren textilen Bezug. Man kann Matratzen nach ihrem Kernmaterial kategorisieren. Die Mehrheit der Matratzen (rund zwei Drittel) in Deutschland hat einen Schaumstoffkern, welcher meist aus Polyurethan (PUR) hergestellt wird. Weiterhin spielen Federkernmatratzen eine Rolle mit einem Viertel der hergestellten Matratzen. In diesem System sind Stahlfedern in Fleece-Taschen eingenäht, welche meistens mit Schaumstoff ummantelt sind. Schließlich sind Matratzen mit einem Latexkern verbreitet. Hier ist der Schaum aus Naturlatex oder synthetischem Latex hergestellt und wird für jede Matratze einzeln gegossen.
Die verschiedenen Matratzentypen spiegeln sich in der Verteilung der Materialzusammensetzung wider. PUR-Schaum und Textilfasern, meist aus Polyester, machen hier den größten Teil aus, gefolgt von Eisen, Stahl und Latex.
Status Quo der Matratzenentsorgung
Matratzen werden in Deutschland fast ausschließlich verbrannt, zu über 95 Prozent. Bei der energetischen Verwertung wird Strom und Wärme produziert und metallische Anteile können zum Teil wiedergewonnen werden, allerdings gehen die Kunststoffe und Textilfasern unwiederbringlich verloren.
Üblicherweise werden Matratzen in Deutschland über die Sperrmüllsammlung, beziehungsweise die Gewerbeabfallsammlung entsorgt. Dadurch werden sie verunreinigt, da sie oft nicht vor Witterung geschützt sind und mit anderen Abfallfraktionen verpresst werden. Ein Recycling der Matratzen ist so praktisch unmöglich. Das führt dazu, dass heutzutage die Verbrennung den Standard für Altmatratzen darstellt.
Recycling von Altmatratzen
Matratzen können, wenn sie sortenrein und sauber gesammelt werden, auch recycelt werden. Beim mechanischen Recycling kann neben dem Stahl aus Federkernmatratzen auch Schaumstoff zurückgewonnen werden: Nach einer manuellen Zerlegung der Bestandteile werden aus den zerkleinerten Flocken mithilfe von Druck, Wärme und Klebern neue Schäume, sogenannte Rebonding-Produkte hergestellt.
Das recycelte Endprodukt hat allerdings nicht dieselbe Qualität wie das Ausgangsmaterial und kann auch kein zweites Mal recycelt werden. Diese Rebonding-Produkte können zu Dämmplatten oder Teppichunterseiten weiterverarbeitet werden, nicht jedoch zu neuen Matratzen. Zudem ist die Nachfrage nach diesen Produkten begrenzt und der Bedarf an Rezyklat-PUR-Schäumen ist in der EU bereits durch Angebote zum Beispiel aus Frankreich gedeckt. Die folgende Grafik veranschaulicht den Prozess des mechanischen Recyclings von Matratzen:
Neben dem mechanischen Verfahren werden auch sogenannte chemische Recyclingverfahren erprobt. Das chemische Recycling ermöglicht ein rohstoffliches Recycling der Polyole, Voraussetzung für einen erfolgreichen Prozess sind aber – genau wie beim mechanischen Recycling – vorsortierte und saubere Ausgangsmaterialien. Im Allgemeinen haben chemische Recyclingverfahren einen hohen Energieaufwand.
Verfahren der Depolymerisation kommen bereits bei der Verwertung von Produktionsabfällen aus der Matratzenherstellung zum Einsatz. Für das Recycling von Post-Consumer-Schäumen laufen in Deutschland aktuell Forschungs-, Entwicklungs- und Pilotprojekte. In Frankreich und den Niederlanden sind Anlagen in Betrieb und es gibt bereits Matratzen, die mit dem Einsatz von PUR-Rezyklat beworben werden.
Wie funktioniert das chemische Recycling von Matratzen?
PUR wird aus den Komponenten Polyol und Diisocyanat hergestellt. Es sind vor allem die Polyole, die durch chemische Recyclingverfahren zurückgewonnen werden: Bei der Depolymerisation, oftmals auch Solvolyse oder Chemolyse genannt, wird das Schaummaterial in Chemikalien unter Wärmezufuhr aufgespalten und die Ausgangsmonomere werden teilweise zurückgewonnen. Die verwendeten Prozesschemikalien gehen überwiegend in die Polyole über.
Aus den zurückgewonnenen Polyolen können neue PUR-Schäume hergestellt werden. Aufgrund der höheren Viskosität von rezyklierten Polyolen (zum Beispiel bei zu geringer Reinheit des Inputs) ist jedoch eine Beimischung von primären Polyolen notwendig. Im PUR-Weichschaum von Matratzen ist laut Öko-Institut ein Anteil von 30 Prozent rezyklierten Polyolen ohne Qualitätseinbußen möglich. In technisch weniger anspruchsvollen Anwendungen (zum Beispiel Hartschaumisolierungen) können auch Anteile von bis zu 50 Prozent erreicht werden.
Chemische Recyclingverfahren sind im Allgemeinen mit einem höheren Verfahrensaufwand verbunden als mechanische Verfahren. Das heißt, es braucht meist einen extra Prozessschritt für die Aufreinigung der Produkte, das Verfahren ist energieintensiv und es werden Chemikalien benötigt. Gleichwohl ermöglichen sie die Produktion hochwertiger Recyclingprodukte, während bei Matratzen im mechanischen Recycling Produkte minderer Qualität bei eingeschränkter Nachfrage entstehen.
Verbesserung der Kreislaufführung von Matratzen
Das Öko-Institut kommt in seiner Studie zu der Schlussfolgerung, dass für eine verbesserte Kreislaufführung von Matratzen beide Recyclingverfahren gestärkt werden müssen. Dafür sind gesetzliche Anforderungen an das Ökodesign (siehe unten) und Systeme einer erweiterten Herstellerverantwortung (EPR-Systeme) vonnöten:
Sowohl chemische als auch mechanische Recyclingverfahren sind auf einen möglichst sortenreinen Abfallstrom angewiesen. Um diesen zu erreichen, ist eine getrennte Sammlung der Matratzen unabdingbar, sowie deren schonende Lagerung und Transport und eine Zerlegung in Einzelbestandteile. Nur über eine sortenreine und saubere Sammlung der Matratzen kann sichergestellt werden, dass Verunreinigungen den Recyclingprozess nicht stören.
Die Finanzierung der getrennten Sammlung sollte über gesetzliche Systeme einer erweiterten Herstellerverantwortung (EPR-Systeme) erfolgen. Während für Matratzen in Deutschland kein EPR-System existiert, gibt es beispielsweise in Belgien, Frankreich, den Niederlanden und einigen US-Bundesstaaten wie Kalifornien diese bereits. In der Studie werden mögliche Eckpunkte für die Einführung eines EPR-Systems in Deutschland vorgeschlagen, die sich auf den Erfahrungen mit solchen Systemen in Belgien und Frankreich stützen.
Was meint Ökodesign?
Unter Ökodesign wird ein umfassender Ansatz verstanden, der die Umweltbelastungen von Produkten über ihren gesamten Lebenszyklus durch ein optimiertes Produktdesign verringert. Zukünftig wird es mit der EU-Verordnung zur „Schaffung eines Rahmens für die Festlegung von Ökodesign-Anforderungen für nachhaltige Produkte“ (Ecodesign and Sustainable Products Regulation, ESPR) ein EU-Gesetz für viele Produktkategorien geben. In der Verordnung sind allgemeine Produktaspekte aufgeführt, die beim Design berücksichtigt werden müssen. In zukünftigen produktspezifischen Rechtsvorschriften (delegierte Rechtsakte) werden zu diesen Produktaspekten dann konkrete Anforderungen gestellt. Auf der Liste der priorisierten Produkte finden sich auch Matratzen. Das heißt, dass in den kommenden Jahren spezifische Ökodesign-Anforderungen für Matratzen entwickelt werden könnten. Da Matratzen eine lange Nutzungsdauer von mehr als zehn Jahren haben, greifen Ökodesign-Ansätze allerdings nur stark verzögert.
Über Anforderungen an die Haltbarkeit hinaus gibt es zusätzliche Optionen, um die Produktlebensdauer einer Matratze auszuweiten. Dazu zählt das Verbot der Vernichtung von Retouren, welches bislang EU-rechtlich für Textilien, nicht aber für Matratzen geplant ist.
Auch Verbraucher*innen tragen Verantwortung, die Matratzen so lange wie möglich zu nutzen. Durch das Verwenden von Schutzbezügen und regelmäßiges Waschen und Lüften der Bezüge kann die Lebenszeit einer Matratze deutlich verlängert werden. Wenn eine Matratze entsorgt werden soll, ist zunächst zu prüfen, ob sie noch gut genug für eine Weiternutzung ist. In diesem Fall sollte sie weiterverkauft oder gespendet werden.
Was ist die erweiterte Herstellerverantwortung?
Systeme der Erweiterten Herstellerverantwortung (Extended Producer Responsibility, EPR) verlagern die Verantwortung für sachgerechte Sammlung und Verwertung weg von den Kommunen und Entsorgungsbetrieben auf die Hersteller und Inverkehrbringer, die für die Entsorgung ihrer Produkte bezahlen müssen. Die Erfahrungen zeigen, dass über verpflichtende Sammel-, Reuse- und Recyclingquoten deutliche Verbesserungen hinsichtlich der Kreislaufführung erzielt werden können. Vorteile liegen v.a. in einer getrennten Sammlung, der Schaffung einer Zerlege- und Recycling-Infrastruktur, der Erreichung höherer Recyclingquoten sowie der stabilen Finanzierung der entsprechenden Systeme.
Die Nutzungsdauer, die Wiederverwendung und das Recycling der Matratzen können durch ein intelligentes sogenanntes Ökodesign von vornherein mitgedacht werden. Zu beachtende Produktaspekte sollten Haltbarkeit, Reparierbarkeit, Rezyklateinsatz und Recyclingfähigkeit (beispielsweise die gute Trennbarkeit der Materialien) sein. Auch der von der EU geplante digitale Produktpass mit Informationen zu Reinigung und Pflege kann zu einer längeren Nutzung von Matratzen beitragen. Ebenso würden einheitliche und verlässlich zertifizierte Hygienestandards für die Reinigung von Altmatratzen deren Wiederverwendung stärken: Im Sinne der Abfallhierarchie ist die Wiederverwendung immer dem Recycling zu bevorzugen.
NABU-Forderungen
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Einführung der erweiterten Herstellerverantwortung für Matratzen
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Gesetzliche Wiederverwendungs- und Recyclingquoten von Matratzen
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Förderung von Weiternutzungskonzepten
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Getrennte Sammelstruktur für Matratzen vom Haushalt bis zur Recyclinganlage, bei der die Matratzen vor Verschmutzung und Verformung geschützt sind
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Verbindliche Ökodesign-Anforderungen an Matratzen auf EU-Ebene: Fokus auf Langlebigkeit, Trennbarkeit der Materialien und Rezyklateinsatz
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Verbot der Vernichtung von Matratzen-Retouren
Downloads
Praktisch gesehen heißt Kreislaufwirtschaft, Abfälle durch Wiederverwendung und Reparatur bestehender Produkte zu vermeiden. Ist das nicht möglich, werden sie wieder in ihre Ausgangsstoffe, also Rohstoffe, zerlegt und diese wiederverwertet. Mehr →
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