Am Unteren Niederrhein ist ein wichtiges Brutgebiet für den stark gefährdeten Kiebitz – doch auch hier lauern viele Gefahren. Bitte helfen Sie dabei, die Kinderstuben des kleinen Vogels zu schützen!
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Bis zu 2,8 Millionen Vögel sterben pro Jahr an Stromleitungen
Circa 35.000 Kilometer Höchstspannungsleitungen durchziehen Deutschland. Nur ein Bruchteil davon liegt als Erdkabel unter der Erde. Während im Mittelspannungsbereich der Stromschlag an ungesicherten Strommasten die größte Gefahr für Vögel darstellt, kommen sie im Hoch- und Höchstspannungsnetz vor allem durch Kollisionen an oberirdischen Stromleitungen um.
Ein vom NABU beauftragtes Gutachten („Vogel-Kollisionsopfer an Hoch- und Höchstspannungsfreileitungen in Deutschland – eine Abschätzung“, 2017, TNL Umweltplanung) macht das Ausmaß der Problematik deutlich: In Deutschland sterben jedes Jahr schätzungsweise 1 bis 1,8 Millionen Brutvögel und 500.000 bis 1 Million Rastvögel durch Leitungsanflug im Hoch- und Höchstspannungsbereich. Die Studie basiert auf der Verschneidung mehrerer Studien zu Leitungsanflügen – vor allem aus dem europäischen Raum –, auf dem artspezifischen Kollisionsrisiko, auf Rast- und Brutvogeldaten sowie auf der Verteilung und dem Umfang des deutschen Übertragungsnetzes. Diese geschätzten Verluste durch Stromleitungskollisionen sind vermutlich höher als die durch Stromschlag an Masten oder Kollision an Windkraftanlagen. Dabei sind Leitungen kleinerer Spannungsebenen hier noch gar nicht mitberücksichtigt.
Groß- und Wasservögel besonders gefährdet
Vor allem Großvögel wie Trappen, Kraniche und Störche sowie viele Wasser- und Watvögel kollidieren häufig mit Stromleitungen. Es sind vor allem die schlecht manövrierfähigen Arten, deren Sehvermögen eher der Rundumblick als das nach vorn gerichtete Fokussieren charakterisiert. Beim Anflug weichen sie sogar häufig noch den stromführenden dicken Kabeln nach oben aus und geraten dabei in das darüber gespannte, dünne und dadurch schwer sichtbare Erdseil, das die Freileitung gegen Blitzschlag schützt.
Zwar verunglücken auch vereinzelt Seeadler oder Uhus, doch da sie anhand ihrer Anatomie die Leitungen meist rechtzeitig erkennen, sind Greifvögel und Eulen in der Regel weniger von Leitungskollisionen betroffen. Diese Arten kommen eher durch Stromtod an Masten um. Auch für viele nachtaktive oder nachts ziehende Vögel ist das Kollisionsrisiko erhöht. Konzentrationsgebiete von Wasservögeln, die gleichzeitig auch noch in Korridoren des Vogelzugs liegen, sind Orte mit überdurchschnittlich hohen Opferzahlen. Hier können bis zu 400 - 700 Vögel pro Leitungskilometer pro Jahr verunglücken. Zudem spielen das Wetter, die Landschaft der Umgebung und die Bauweise der Freileitung eine große Rolle. So kam es bei dichtem Nebel im Dezember 2015 zum Beispiel zu einer Massenkollision von 50 Kranichen im Westen Brandenburgs.
NABU appelliert an Netzbetreiber, Leitungen zu sichern
Vögel sind nicht nur durch Kollisionen, sondern auch durch den veränderten Lebensraum direkt von neuen Stromleitungen betroffen. Deswegen muss der Vogelschutz im Zuge des für die Energiewende erforderlichen Übertragungsnetzausbaus bei jeder einzelnen Vorhabenplanung eine viel höhere Aufmerksamkeit erfahren. Beim Neubau von Trassen müssen z. B. breite Schneisen in Wälder geschlagen werden, was das Waldklima verändert. Vögel können vor allem geschützt werden, wenn zumindest Vogelschutzgebiete sowie für kollisionsgefährdete Arten unentbehrliche Gewässer und Rastgebiete großräumig gemieden werden. Neue Leitungen sollten bevorzugt entlang bereits bestehenden Infrastrukturen wie Autobahnen, Bundesstraßen und Schienenwegen geführt, mit bereits bestehenden Leitungstrassen gebündelt oder als Erdkabel verlegt werden.
Maßnahmen gegen Leitungsanflug
Die Erdverkabelung gilt als sicherste Maßnahme für den Vogelschutz; durch sie können Vogelkollisionen mit Leitungen und Seilen komplett vermieden werden. Auch laut VDE-Anwendungsregel sollten Leitungen überall dort, wo es technisch möglich und wirtschaftlich vertretbar ist, erdverkabelt werden.
Das Anbringen von Vogelschutzmarkern an den besonders dünnen und schlecht zu sehenden Erdseilen über den Leitungen, z. B. in Form beweglicher Stäbe mit kontrastreichem schwarz-weißem Muster, kann deren Sichtbarkeit erhöhen und so das Anflugrisiko erheblich verringern. Das ist hier technisch sogar einfacher als etwa im Verkehr oder an Windenergieanlagen. Mit den Markern können auch bereits bestehenden Trassen nachgerüstet werden.
Kein verbindliches Regelwerk
Jedoch bestehen für die Entschärfung von Stromleitungen mit hohem Kollisionsrisiko trotz internationaler Abkommen keine gesetzlichen Verpflichtungen – im Gegensatz zur Nachsicherungsverpflichtung an vogelgefährlichen Mittelspannungsmasten nach § 41 BNatSchG. Daher haben die zuständigen Netzbetreiber bisher nur wenige Freileitungen vogelsicher gemacht. Verbesserte rechtliche Vorgaben müssen zur vollständigen Nachrüstung in Vogelschutz- und Rastgebieten mit kollisionsgefährdeten Arten führen. Der NABU schätzt, dass dies bis zu 10 Prozent der bestehenden Leitungen betreffen würde. Der Gesetzgeber sollte auch den pauschalen Ausschluss von Erdkabeln bei den meisten der neu geplanten Wechselstromtrassen korrigieren.
Hohe Umweltstandards schaffen Planungssicherheit
Detaillierte Hinweise und Bewertungsmaßstäbe zu Vogelschutzmaßnahmen an Freileitungen gibt ein Empfehlungspapier des Forums Netztechnik/Netzbetrieb (FNN) des Verbands der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e.V. (VDE). Dieses wurde 2015 mit Unterstützung des NABU und in Zusammenarbeit mit Vertretern von Netzbetreibern, Herstellern, Behörden und anderen Umweltverbänden erarbeitet. Damit liegt, neben der VDE-Anwendungsregel (VDE-AR-N 4210-11) von 2011, ein weiteres Dokument vor, um den Vogelschutz an Freileitungen zu verbessern:
Die FNN-Empfehlung zur Vermeidung von Kollisionen von Vögeln mit Hoch- und Höchstspannungsfreileitungen präzisiert, für welche Vogelarten in welchen Trassenabschnitten Vogelschutzmarkierungen anzubringen und wie diese zu prüfen und zu montieren sind. Außerdem hilft das Dokument, das Kollisionsrisiko bereits bei der Trassenfindung in der Planungsphase einzuschätzen und zu erwägen, wo aus Vogelschutzgründen besser auf andere Standorte ausgewichen werden sollte. Dadurch gewinnen auch Netzbetreiber einen einheitlichen, hohen Standard und Planungssicherheit, was für sie bei Netzausbauvorhaben besonders wichtig ist. Das gemeinsame Dokument zeigt, dass Naturschutz und eine erfolgreiche Energiewende kein Widerspruch sind und dass hohe Umweltstandards notwendige Vorhaben nicht behindern müssen. Auch Genehmigungsbehörden können durch die FNN-Empfehlung in den weiterhin notwendigen Einzelfallprüfungen zu einer ausgewogenen und schnelleren Entscheidung kommen.
Das Empfehlungspapier des Verbands der Elektrotechnik (VDE) „Vogelschutzmarkierung an Hoch- und Höchstspannungsfreileitungen“ (2014) ist auf der FNN-Webseite erhältlich.
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