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Aus dem Leben der Bodentrichterspinne
von Oliver-David Finch
Welche erstaunlichen Verhaltensweisen Spinnen an den Tag legen, wird all denen stets verborgen bleiben, die ihnen einfach nur mit Ekel oder Abscheu entgegentreten. Genaue, sachliche und ohne Angst durchgeführte Beobachtungen sind aber im Falle der achtbeinigen „Krabbeltiere“ vielfach sehr lohnend und rufen eine nachhaltige Faszination hervor.
So sind zum Beispiel in nahezu jedem Laubwaldbestand und auch in älteren, dichten Hecken der offenen Landschaft Arten der Spinnengattung Coelotes anzutreffen, bei denen sich die Weibchen ausgesprochen fürsorglich gegenüber ihren Nachkommen verhalten. Diese Tiere werden je nach wissenschaftlicher Auffassung entweder der Familie der Finsterspinnen (Amaurobiidae) oder den Trichterspinnen (Agelenidae) zugeordnet und werden auch als Bodentrichterspinnen bezeichnet. In Mitteleuropa treten vier Arten dieser Gattung auf, wobei Coelotes terrestris am weitesten verbreitet und am häufigsten ist. Ausgewachsene Weibchen haben eine Körpergröße von bis zu 14 Millimetern, während die Männchen maximal zehn Millimeter erreichen. Der Körperbau dieser Spinnen ist vergleichsweise gedrungen und die Beine sind relativ kurz. Die Spinnen sind humusbraun gefärbt, der Hinterleib ist grauschwarz und trägt eine schwache Winkelzeichnung.
Stolperdrähte in der Bodenstreu
Bodentrichterspinnen fertigen in der Laubstreu der Wälder oder am Rande von Totholz oder Steinen kleine Trichternetze von etwa fünf Zentimetern Durchmesser. An einer Seite gehen die Netze in eine 10 bis 15 Zentimeter lange, innerhalb der Streu oder im Boden verlaufende Gespinströhre über, die in der Mitte erweitert ist und der Spinne als Unterschlupf dient. Die außerhalb der Röhre angelegten Gewebefäden helfen der Spinne bei der Ortung und der Überwältigung vorbeilaufender Beutetiere. In diesem Gewirr aus feinsten Fäden verfängt sich die Beute. Die Opfer werden von der flink herbeieilenden Netzbewohnerin durch Einspritzen von Gift überwältigt.
Im gelähmten Zustand wird die Beute anschließend in die Röhre gezogen. Mit dieser Technik können Bodentrichterspinnen erstaunlich große Beutetiere überwältigen, die nicht selten so groß sind wie die Spinnen selbst. Es handelt sich dabei vornehmlich um Käfer, aber auch Ohrwürmer, Ameisen und andere Gliederfüßer werden gefressen. Reste der Beutetiere lassen sich in einer Seitentasche der Gespinströhre finden.
Die Spinnenweibchen verbringen die meiste Zeit ihres Lebens in ihrer Röhre in der Laubstreu und verlassen diese nur während des Beutefanges oder auf der Suche nach einem neuen Netzstandort. Damit es überhaupt zur Paarung kommen kann, müssen die Männchen umherstreichen und die Netze der Weibchen suchen. Diese Partnersuche der Coelotes-Männchen vollzieht sich in den mitteleuropäischen Wäldern Ende August bis Anfang September. Zu dieser Jahreszeit sind für diese Spinnenarten die höchsten Aktivitäten am Waldboden festzustellen.
Mütterlicher Wachdienst am Ei-Kokon
Innerhalb der mit Spinnseide ausgekleideten Wohnröhre legt das Weibchen etwa ab Juni einen halbkugeligen, von weißer Spinnseide ummantelten Eikokon ab, den das Weibchen in der darauffolgenden Zeit bewacht. Solch eine günstige Unterbringung der Eier wird von Verhaltenskundlern als Brutfürsorge bezeichnet. Denn in der Wohnröhre sind die durchschnittlich pro Kokon abgelegten 80 Eier geschützt vor Fressfeinden und Parasiten. Letztere sind nämlich bei anderen Spinnenarten zum Teil sehr zahlreich in Eikokons festzustellen.
Nach einigen Wochen schlüpfen die Jungspinnen aus dem Kokon und verbreiten sich in der Wohnröhre der Mutter. Mutter und Nachwuchs verweilen noch bis zu einem Monat gemeinsam in der Röhre. Genaue Untersuchungen an Coelotes terrestris haben ergeben, dass die Mutter an ihre Jungen während dieser Zeit vorverdaute Teile von Beutetieren abgibt und sie insofern mit Futter versorgt. Vor der Nahrungsübergabe zeigen die Jungspinnen sogar ein spezifisches Bettelverhalten. Mit zunehmendem Alter und zunehmender Größe der Nachkommen werden auch ganze, aber stets bereits betäubte und damit ungefährliche Beutetiere von der Mutter an die Jungen übergeben. Wissenschaftler sprechen in diesem Zusammenhang von Nahrungsfürsorge oder Brutpflege, eine unter den wirbellosen Tieren herausragende Fähigkeit einiger weniger Arten. Schließlich macht die Coelotes-Mutter gemeinsam mit dem Nachwuchs in ihrem Netz Beute. Erst im Herbst verlässt der wohlbehütete Nachwuchs das Netz der Mutter und beginnt mit der Anlage eigener Netze.
Der Autor ist Sprecher der Nordwestdeutschen Arachnologischen Arbeitsgemeinschaft und aktiv in der Arachnologischen Gesellschaft. Anschrift: c/o Universität Oldenburg, FB 7/AG Terrestrische Ökologie, Postfach 25 03, 26111 Oldenburg, oliver.d.finch@uni-oldenburg.de.
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