Europäische Gottesanbeterin - Foto: Frank Derer
Gewinnerin des Klimawandels
Die Gottesanbeterin breitet sich immer weiter aus


Femme fatale, Vorbild für Kung Fu-Kämpfer und japanisches Symbol für Wachsamkeit, Geduld und Beständigkeit – um die Gottesanbeterin ranken sich viele Mythen. Ursprünglich stammt die Gottesanbeterin aus Afrika. Von dort haben sich die bis zu 75 Millimeter langen Weibchen und mit bis zu 60 Millimeter deutlich kleineren Männchen über Südeuropa immer weiter in Richtung Norden ausgebreitet.
In Deutschland kam das Insekt des Jahres 2017 lange Zeit nur in Wärmeinseln wie dem Kaiserstuhl bei Freiburg vor. Mittlerweile aber wurde die Gottesanbeterin mit Ausnahme von Niedersachsen und Schleswig-Holstein bereits in allen deutschen Bundesländern nachgewiesen. Einige der Fundorte mögen auch auf Verschleppung als unbeabsichtigtes „Urlaubsmitbringsel“ aus dem Süden zurückgehen. Aber insgesamt ist die Art ist ein gutes Beispiel für die Auswirkung des globalen Klimawandels auf die mitteleuropäische Tierwelt. Mit steigenden Temperaturen wird sich die Gottesanbeterin voraussichtlich immer weiter ausbreiten.
Besonders wohl fühlen sich die Insekten in sonnigen, trockenwarmen, meist in Südlage gelegenen Gras- und Buschlandschaften, Halbtrockenrasen und Ruderalflächen mit lockerer Vegetation. Von dort gehen sie in ihrer namensgebenden Pose, mit angewinkelten, „betenden" Vorderbeinen, auf die Nahrungssuche. Durch langsames Gehen oder Klettern pirscht sich die Gottesanbeterin an ihre Beute heran, meist kleine Insekten, selten auch Wirbeltiere, wie Frösche, Eidechsen oder Mäuse. Ist das Beutetier in Reichweite, wird es mit den großen Facettenaugen fixiert und die beiden dornenbewehrten Fangbeine schnellen auf das Beutetier zu. Der Vorgang des Fangschlags dauert nur 50 bis 60 Millisekunden – das ist etwa sechsmal schneller, als ein Lidschlag des menschlichen Auges.
Besonders bekannt ist die Gottesanbeterin für ihr außergewöhnliches Paarungsverhalten. Gelegentlich kostet die Fortpflanzung dem männlichen Tier im wahrsten Sinne den Kopf: das Weibchen verspeist diesen während oder nach der Paarung. Dieser Sexualkannibalismus ist aber keineswegs zwingend. Meistens endet die Kopulation für beide Partner ohne Schäden.
Einige Tage nach der Begattung, meist in den Monaten August bis Oktober, legen die Gottesanbeterinnen ihre Eier ab. Diese werden nicht einzeln, sondern in sogenannten Ootheken an Steinen oder Grashalmen befestigt. Eine Oothek besteht aus einer schnell erhärtenden Schaummasse mit bis zu 200 Eiern. In diesen Gebilden können die Larven auch sehr kalte Temperaturen überstehen bis sie im Frühjahr schlüpfen. Die erwachsenen Tiere hingegen sterben vor Beginn des Winters.
In Deutschland, der Schweiz und Österreich wird Mantis religiosa als bedrohte Art geführt. Das könnte sich aber in absehbarer Zeit ändern, denn sie besiedelt immer mehr Orte.
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