Spätsommerlicher Distelfalter Anfang September an Ackerkratzdistel - Foto: Helge May
Distelfalter auf Deutschlandtour
2019 war ein ungewöhnliches Naturschauspiel zu beobachten



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Distelfalter auf Garten-Zinnie - Foto: Helge May
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Distelfalter an Sommerflieder - Foto: Helge May
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Distelfalter an Wandelröschen - Foto: Helge May
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Distelfalter - Foto: NABU/Martin Manegold
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Auch im Frühherbst sind Blüten wichtig: Distelfalter stärkt sich vor dem Rückflug an Efeublüten - Foto: Helge May
Der Distelfalter ist einer der wenigen fast über den ganzen Erdball verbreiteten Schmetterlinge. Unsere mitteleuropäischen Winter mag er allerdings nicht, denn er verträgt keinen Frost. Jedes Frühjahr wandern die Distelfalter deshalb neu aus dem Süden ein, mal sind es mehr, mal weniger.
Wo kommen die Distelfalter her?
Viele Distelfalter überwintern im subtropischen und tropischen Afrika. Von dort aus fliegen sie ans Mittelmeer, wo sich die nächste Generation bildet. Diese bricht weiter nach Norden auf und erreicht Mitteleuropa, aber auch Skandinavien und das Baltikum. Manchmal fliegen die Falter nonstop in einer Generation von Afrika bis zu uns. Die lange Reise sieht man den Tieren an, die zarten Flügel sind dann stark zerzaust.
Nicht alle Details der Distelfalter-Wanderflüge sind bereits erforscht. Fest steht, dass der Zyklus über mehrere Generationen geht. Anders als etwa bei Zugvögeln flattert also nicht der selbe Falter von Afrika nach Europa und wieder zurück.
Das besondere 2019: Die Einwanderung erfolgte nicht wie meistens über die Sahara direkt nach Norden, sondern aus dem Nahen Osten von Arabien über Israel und dann weiter in nordwestlicher Richtung zu uns. Auch aus dem Iran wurden ungewöhnlich starke Wanderungen gemeldet. Dort hatte sich wohl eine Spätwinter-/Frühjahrsgeneration im Süden des Landes gebildet, im Mai zogen die Falter nach Norden und erreichten die Hauptstadt Teheran. Auch aus dem Kaukasus und Mittelasien wurden wandernde Distelfalter gemeldet. Die bei uns ankommenden Tiere sind also nur ein kleiner Teil des Phänomens. Selbst in Nordamerika erregen die Distelfalter Aufsehen. In diesem Fall wandern die Distelfalter von Mexiko nach Kalifornien. Offensichtlich gab es in den Subtropen im Frühjahr fast weltweit gute Bedingungen.
Bleiben die Distelfalter bei uns?
Die Distelfalter bleiben nicht, sondern fliegen wieder nach Süden. Jüngste Untersuchungen legen nahe, dass es im Herbst zu einer deutlich stärkeren Rückwanderung von Distelfaltern aus Europa bis tief hinein nach Afrika kommt, als bisher gedacht. Die Zielgebiete der Tiere reichen von Westafrika bis ins äthiopische Hochland. Dieser Rückflug geschieht innerhalb einer Generation, so dass die Falter 4000 Kilometer zurücklegen – die weltweit längste bekannte Non-Stop-Insektenwanderung.
Weitgehend offen ist noch, wo die Mehrheit der Distelfalter die Zeit von Dezember bis Februar verbringt. Möglicherweise finden hier innerhalb Afrikas weitere Bewegungen statt. Winterbeobachtungen gibt es aber auch von den Kanarischen Inseln bis nach Arabien.
Der Einflug nach Europa konzentrierte sich 2019 auf eine östliche Route über Israel, Zypern und den Balkan. Folglich traten die Distelfalter auch bei uns zunächst im Osten aus. Viele zogen nach Norden und Westen weiter, ab ungefähr 10. Juni wurden auch die Küste und Niedersachsen stark beflogen.
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Die nächste Generation kommt: Junge Distelfalterraupe vom 26. Juni aus dem Raum Celle - Foto: Rolf Jantz/www.naturgucker.de
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Schon etwas weiter entwickelt: Distelfalterraupe vom 30. Juni aus Prora auf Rügen - Foto: Manuela Vierke/www.naturgucker.de
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Am Ende einer langen Reise: stark zerzauster Distelfalter - Foto: Helge May
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Auch der Admiral ist ein Wanderfalter, beim ihm sind nach langem Flug ebenfalls nur noch Flügelreste übrig - Foto: Helge May
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Bereits nach rund vier Wochen endet das Leben der ausgewachsenen Distelfalter und die nächste Generation muss übernehmen. - Foto: Helge May
Bei Masseneinflügen wie 2019 lassen sich während des Zuges in einer Stunde Dutzende oder auch mal über hundert Falter beobachten. Die Grund-Zugrichtung dürfte bei den Distelfaltern genetisch vorgeprägt sein, sonst würde die Migration nicht generationenübergreifend funktionieren. Laborversuche mit Kunstlicht zeigen, dass sich die Falter im Flug weitgehend an der Sonne orientieren. Passt die Grundrichtung, fliegen Tiere gerne entlang von Landschaftsstrukturen. Das können auch Eisenbahntrassen sein, wie etwa in Potsdam, wo die Distelfalter nicht nur über offene Strecken flogen, sondern immer die Gleise entlang selbst mitten durch den Hauptbahnhof – einschließlich Unterführung.
Was kann ich beobachten?
Die Einwanderung 2019 war die stärkste seit zehn Jahren. Distelfalter zu notieren lohnt sich aber auch in „Normaljahren“. Um herauszufinden, wie umfangreich der Zuflug ist und wo überall die Distelfalter vorbekommen, ist jede Sichtung von Interesse. Mindestangaben sind dabei der genaue Ort und die Anzahl der Falter, hilfreich sind Zusatzinfos über die Flugrichtung – soweit auf dem Zug –, das Verhalten und eventuell besuchte Pflanzen.
Die ausgewachsenen Distelfalter sind fast ständig unterwegs. Die Fortpflanzung findet aber natürlich an einem Ort statt, denn Eier und Raupen bleiben fest an und bei der jeweiligen Nahrungspflanze. Erst wenn der fertige Falter schlüpft, wird die Mehrgenerationenreise fortgesetzt. Meldungen über die Fortpflanzung, also Eiablage, Raupen sowie Art der Raupenfutterpflanze oder gerade schlüpfende Distelfalter, sind besonders wertvoll.
Wie kann ich Distelfaltern helfen?
Was grundsätzlich für Schmetterlinge und andere Insekten gut ist, hilft auch dem Distelfalter: Ein nicht zu intensiv gepflegter Garten – gerne auch mit „wilden Ecken“ –, unbedingt Verzicht auf Giftanwendung, Verzicht auf Pflanzensorten mit gefüllten Blüten, da diese wenig bis gar keinen Nektar zur Verfügung stellen.
Als Langstreckenzieher sind Distelfalter bei der Ernährung nicht wählerisch. Bei der Rast und am Zielort wird nahezu jede Nektarquelle genutzt, die sich bietet. Angesichts unserer ausgeräumten Landschaften besuchen Distelfalter gerne blütenreiche Gärten, im Frühsommer stehen Ligusterhecken besonders hoch im Kurs. Die Raupen sind ebenfalls nahezu Allesfresser. Neben den namensgebenden Disteln knabbern sie auch an Brennnesseln, Flockenblumen, Malven und Beifuß.
Der NABU und sein Partner naturgucker.de wollten den spektakulären Einflug nutzen, um mehr Informationen über die Falter zu gewinnen. Insektenfreud*innen waren aufgerufen, ihre Distelfaltersichtungen zu melden, seien es Zufallsbegegnungen oder gezielte Nachsuche. So wurde man nicht nur Zeuge eines faszinierenden Naturschauspiels, sondern half auch mit, es zu dokumentieren. Im gesamten Sommerhalbjahr kamen schließlich mehrere tausend Meldungen zusammen. Vielen Dank an alle, die mitgemacht haben!
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Ligusterblüten werden im Juni von Distelfaltern gerne besucht - Foto: Helge May
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Ligusterblüten werden im Juni von Distelfaltern gerne besucht - Foto: Helge May
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Hier tummeln sich gleich mehrere Distelfalter an einer Ligusterhecke - Foto: Helge May
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Akkurat geschnittene Ligusterhecke, blütenlos und schmetterlingslos - Foto: Helge May
Im Juni wurden Falter in nahezu allen Regionen Deutschlands gesichtet. Bald drängte es die Falter weiter nach Norden. Zeitweise stauten sich die Tiere an der Nordseeküste, nach kurzer Rast flogen sie dann über weiter über das offene Meer an die englische Ostküste. Anfang Juli wurden selbst in Schottland reichlich Distelfalter beobachtet. Auch Skandinavien wurde beflogen – eindrucksvoll war eine Meldung, dass Ende Juni Hunderte auf einem Frachter 50 Kilometer vor der norwegischen Küste Rast machten.
Nicht alle Distelfalter zogen weiter. Vermehrte Raupenfunde seit Ende Juni zeigten, dass die Falter fleißig Eier abgelegt hatten. Im Lauf des Juli, vor allem aber im August schlüpfte dann die nächste Generation. Im Spätsommer zogen diese Falter wieder nach Süden. Naturfreunde haben also mindestens bis in den September hinein Gelegenheit, bei uns Distelfalter zu beobachten - wenn auch nicht jedes Jahr so viele wie 2019.
So funktioniert die Distelfalter-Meldung
Für Zufallsbeobachtungen ist der direkte naturgucker-Meldelink am einfachsten. Er ermöglicht eine einmalige Meldung für einen genau per Karte eintragbaren Beobachtungspunkt. Der Distelfalter ist dabei als Art bereits vorausgewählt. Wer will, kann zusätzliche Informationen unter „Alter/Status“ und „Beobachtung“ oder in einem freien Bemerkungsfeld festhalten.
Wer bereits am „Insektensommer“ teilgenommen und sich dafür bei naturgucker.de registriert hat, kann sein Login verwenden (Menüpunkt „Anmelden“) und entweder ebenfalls eine Punktmeldung abgeben oder seine Beobachtung einem festen Gebiet zuordnen. Existiert noch kein naturgucker-Gebiet und man beobachtet aber öfter am gleichen Ort – zum Beispiel im eigenen Garten –, empfiehlt es sich, hierfür ein neues Gebiet anzulegen. Für weitere Beobachtungen lässt sich dieses Gebiet immer wieder gezielt aufrufen.
Natürlich kann man sich auch ohne „Insektensommer“ bei naturgucker.de registrieren, um Tiere, Pilze und Pflanzen zu melden. 71.000 Naturbegeisterte nutzen diese Möglichkeit bereits.
Externe Links
- Distelfalterfotos und -beobachtungen bei naturgucker.de
- Distelfalter-Porträt des Lepiforums, toll bebildert (auch Raupen) und sehr informativ
- „National Geographic“-Reportage zur Distelfalter-Forschung in Afrika
- Forschungs-Website „The Vanessa cardui project. An amazing worldwide traveller.“
- Anschließendes Citizen-Science-Projekt „The Worldwide Painted Lady Migration“
- März 2019: „Mass Migration of Painted Lady Butterflies Entrances Californians“ (New York Times)
- März 2019: 700 Millionen Schmetterlinge besuchen Israel
- Mai 2019: Swarms of butterflies bring colour to Iran's capital (Al Jazeera)
Distelfalter-Porträt
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Rückblick MassenEinflug 2009
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