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Jetzt NABU-Mitglied werden!Thomas Schaaf
Leben am Fluss
Bundesliga-Trainer Thomas Schaaf im Porträt
von Malte Siegert
Tief unten fließt die Weser entlang am großen Betonoval, das sich nicht ohne Stolz mit ihren Namen schmückt: Weserstadion. Oben, im VIP-Bereich des modernen Schmuckkästchens mit seinen noblen Firmenlogen, schaut Thomas Schaaf durch die große Fensterfront. Der Cheftrainer des SV Werder Bremen beobachtet Bauarbeiter, die Teile des alten Stadion-Schwimmbades zwischen Südtribüne und Weser demontieren. Wenn der 45-Jährige sich erinnert, wie er bereits als Kind auf den Wiesen des Freibades gelegen hat, huscht ein Lächeln über sein Gesicht: "Und nach dem Training sind wir einfach über den Zaum geklettert und haben gebadet."
Man könnte meinen, Thomas Schaaf hätte sich das bedächtige Fließen der Weser ganz zu eigen gemacht. Ähnlich wie er selbst, schäumt der Fluss hier und da mal kurz auf oder wirft ein paar Wellen. Ansonsten zieht das Gewässer völlig ruhig dahin. Ausreichend Zeit, den Charakter der Weser zu ergründen, hatte der gebürtige Mannheimer. Denn sportlich ist Schaaf bereits seit 34 Jahren ununterbrochen in Diensten des Vereins am Rand des Naturschutzgebietes Pauliner Marsch. Bei den "Grün-Weißen" durchlief der Fußballlehrer erst als Spieler, später als Trainer zahlreiche Stationen. Mit Werder hat er fast alles gewonnen, was man als Spieler oder Trainer im europäischen Vereinsfußball erreichen kann.
Lakonisch und loyal
Thomas Schaaf ist Profi genug um zu wissen, dass man sich im harten Fußballgeschäft nicht auf Erfolgen ausruhen kann. Er schaut, was kommt. Als Angestellter des Vereins hat er, wie er sagt, grundsätzlich keine Ambitionen bei Werder einen Beschäftigungsrekord aufzustellen. Und in der für ihn typisch lakonischen Art merkt er an: "Entweder das passt und dann ist gut, oder es passt nicht und dann kommt was Neues."
So ganz mag man dem erfolgsorientierten Coach ein derart differenziertes Verhältnis zu seinem langjährigen Arbeitgeber nicht abnehmen. Der bekennende Familienmensch Thomas Schaaf, seine Frau Astrid und Tochter Valeska sind fest in ein persönliches Umfeld sowie in das Vereinsleben des Erstligisten eingebunden. Der Thomas in Bielefeld, Bochum, Bayern? Kaum vorstellbar nach mehr als drei Dekaden grün-weißer Loyalität. Verschmitztes Lächeln. "Da bewegen sich die Dinge sicherlich langsamer", räumt er denn auch ein.
...schweigen ist Gold
Thomas Schaaf ist Mitglied einer NABU-Ortsgruppe in Bremens Umland. Seine ungezwungene Art, mit Menschen umzugehen, setzt er gern außerhalb seines Arbeitsplatzes ein. Besonders engagiert er sich als Botschafter des "Zentrums für trauernde Kinder". Der Bremer Verein betreut traumatisierte Kinder und Erwachsene nach dem Verlust enger Angehöriger.
Der Cheftrainer weiß um die Möglichkeiten von Prominenz und Popularität. Mit seinem Namen lassen sich, wie er sagt, behutsam Türen aufstoßen, die für weniger bekannte Menschen verschlossen bleiben würden. Die öffentliche Wahrnehmung seines Engagements ist unumgänglich und ihm dennoch unangenehm. Beliebigkeit ist ihm zuwider und er achtet darauf, sich trotz unzähliger Anfragen nicht für zu viele Aktionen vereinnahmen zu lassen. Wenn er sich jedoch für etwas entscheidet, will er sich mit dem Thema identifizieren und möglichst viel darüber wissen. "Man sollte sich nie für etwas engagieren, nur weil es gut aussieht."
Deswegen freut es ihn, wenn sich zum Beispiel sein Bremer Nationalspieler Tim Borowski aktiv im Rahmen einer großen Hilfsaktion für ein Projekt zugunsten von Tsunami-Opfern in Asien stark macht. Verantwortungsbewusstsein kann man entwickeln, sagt Schaaf, jedoch erwartet er kein zwangsläufiges Engagement von den meist jungen Menschen seines Profi-Kaders.
Angenehmes und Nützliches
Echte Erwartungen knüpft der Cheftrainer lediglich an die Leistungsbereitschaft seiner Spieler. Nicht nur mit dem Ball oder in taktischen Fragen verlangt er seinen Profis einiges ab. Schaaf ist passionierter Fahrradfahrer und verbindet zu Trainingszwecken gern das Angenehme mit dem Nützlichen. Alle Spieler haben ein eigenes Rad am Trainingsplatz. So macht das ganze Team bei gutem Wetter Schweiß treibende Touren durch das reizvolle, dünn besiedelte Bremer Umland. So kann sich der Übungsleiter auch bei hohem Tempo aus dem Fahrradsattel heraus an vorbei fliegenden Wiesen und Wäldern erfreuen. "Mit einer Brise im Gesicht über die Dörfer zu fahren, finde ich einfach herrlich."
Thomas Schaaf braucht viel Bewegung, um dem täglichen Erfolgsdruck standzuhalten. Privat, bedauert er, kommt er während der Zeit raubenden Fußballsaison viel zu wenig zum Radfahren, Wandern oder Joggen. Schaaf ist Naturfreund, ohne wirklich ein Kenner zu sein. Gängige Vogelarten kann er zwar unterscheiden, doch sonst nimmt er Natur so, wie sie sich ihm gerade bietet: "Ich genieße es einfach, an der frischen Luft zu sein und begeistere mich völlig unvoreingenommen an vielfältigen Landschaften oder Naturschauspielen."
Werder-Wetter
Kommt er drei Tage nicht raus, kriegt der Chef schlechte Laune. Deswegen könnte sich Thomas Schaaf auch nicht vorstellen, Fußball ausschließlich in hallenartigen Arenen mit konstanten klimatischen Verhältnissen zu spielen. Fußball ist immer noch ein Freiluftsport. In gewissen Situationen schätzt er sogar die raue, unberechenbare, aber manchmal Spiel entscheidende Witterung der norddeutschen Tiefebene. "Dann sprechen wir hier in Bremen regelrecht von Werder-Wetter: Sturm Nord-Ost, Windstärke sieben." Spielt das Team bei jeder Wetterlage erfolgreich, wogt eine grün-weiße Welle der Begeisterung durch das Stadion. Und dann tritt, wenn man genau hinschaut, auch schon mal die sonst so ruhig dahin fließende Weser vor Freude sprudelnd über ihre Ufer.