Wald unter Wasser
„Mangroven sind unsere Beschützer“
Bäume im Meer? Verwurzelt unter der Wasseroberfläche? Ja, Mangroven untergraben die Sehgewohnheiten gewöhnlicher Waldspaziergänger*innen. Die salztoleranten Bäume und Sträucher wachsen an tropischen und subtropischen Küsten und Flussdeltas und bilden eine Brücke zwischen terrestrischen und marinen Ökosystemen.
Von ihren Reisen in die Küstenregion von Gorontalo, einer Provinz im Norden der indonesischen Insel Sulawesi, kennt Patma Santi die Mangroven sehr gut. Sie zu erhalten und wiederherzustellen ist für die Naturschützerin des NABU-BirdLife-Partners Burung Indonesia Herzensangelegenheit und Tagesgeschäft zugleich. „Mangroven sind unsere Beschützer“, sagt Santi. Was sie damit meint, wird im Gespräch über das bedrohte Ökosystem schnell klar.
Natürlicher Klima- und Küstenschutz
Mangroven bilden wertvolle Lebensräume, in denen zum Beispiel Fregatt- oder Eisvögel brüten und Fische sich im Schutz des Wurzelwerks vermehren. Sie speichern enorme Mengen an Kohlenstoff in ihrer Biomasse und – noch wichtiger – in den Bodensedimenten: Sie sind natürliche Klimaschützer. „Außerdem halten Mangroven das Wasser sauber und verringern das Risiko von Überschwemmungen und Küstenerosion“, erklärt Santi.
Drei- bis viermal im Monat fährt Patma Santi aus der Kleinstadt Marisa für mehrere Tage nach Torosiaje und in fünf weitere Küstengemeinden in Gorontalo. Als Koordinatorin für Naturschutz und Nachhaltigkeit bei Burung Indonesia ist sie für diese Region zuständig. Über einen Steg gelangt sie nach Torosiaje, einem auf Stelzen gebauten Dorf. Es ist gesäumt von Mangrovenwäldern, die sich im Wasser spiegeln. Noch gehören sie hier zum Landschaftsbild.
Deshalb stehen Mangroven unter Druck
Die meisten Bewohner*innen leben vom Fischfang. Viele erzählen Santi, wie sich ihr Alltag in den vergangenen Jahrzehnten verändert hat: Mit ihren Booten müssten sie heute weit hinausfahren. Ihre Arbeit sei mühsamer geworden, der Ertrag geringer. Warum das so ist? „Für die Küstengemeinden sind die Mangroven ihre Lebensgrundlage“, sagt Santi. Doch das Ökosystem Mangrove steht unter Druck und mit ihm die Kinderstube zahlreicher Vögel, Fische und anderer Meereslebewesen. Rund 60 Prozent der ursprünglichen Mangrovenfläche wurden hier, im Westen der Provinz Gorontalo, in den vergangenen Jahrzehnten zerstört. „Nur“ ein lokales Problem? Mitnichten.
Indonesien umfasst mit rund 22 Prozent aller Mangrovenwälder die größte Mangrovenfläche der Welt. „In den letzten 25 Jahren wurde jedoch mehr als die Hälfte dieser Fläche durch Umwandlung in Aquakulturteiche und Wohngebiete, Abholzung für Baumaterial oder nicht nachhaltige Nutzung degradiert“, erzählt die Naturschützerin.
Das hat nicht zuletzt mit der Nachfrage auf dem nationalen und internationalen Markt zu tun, erklärt Martin Baumann, NABU-Projektleiter Südostasien. Er arbeitet eng mit Patma Santi zusammen. „In Südostasien werden Mangrovenwälder meist gerodet, um Ölpalmplantagen oder Aquakulturteiche für Garnelen anzulegen. Die weltweit steigende Nachfrage nach Garnelen und Produkten mit Palmöl führt zu einer fortschreitenden Zerstörung der Mangrovenwälder.“ Baumann rät, beim Restaurantbesuch und beim Einkauf bewusst auf diese Produkte zu verzichten oder zumindest auf Nachhaltigkeitssiegel wie „Naturland“ zu achten.
Alle in einem Boot
Im Westen der Provinz Gorontalo werden jetzt die Weichen gestellt, um gemeinsam mit den Küstengemeinden den Mangrovenbestand vor Ort zu schützen: „Nachhaltige Wirtschaftsentwicklung und Mangrovenschutz im Golf von Tomini, Indonesien“ heißt das Projekt, das Burung Indonesia und der NABU vor einem Jahr ins Leben gerufen haben und das vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) gefördert wird.
Patma Santi hält die Fäden zusammen
In allen Gemeinden bilden sich derzeit Monitoring-Gruppen zum Schutz der Mangroven. „Wir haben bereits mit der Kartierung der biologischen Vielfalt begonnen und gemeinsam mit den Gemeinden viele Tier- und Pflanzenarten erfasst.“ Wichtig sei es, alle Beteiligten – wie Gemeindeverwaltungen, Fischer*innen, Teich- und Landwirt*innen – mit ins Boot zu holen, Wirtschaftlichkeit und Naturschutz zusammenzudenken und ein gemeinsames Verständnis von Mangrovenschutz zu entwickeln.
Indonesien hat ein Programm aufgelegt, um die Entwaldung zu reduzieren und die Klimakrise abzumildern. Mangroven sind ein wichtiger Bestandteil mit hoher Priorität: Bis 2030 sollen 600.000 Hektar Mangroven renaturiert werden.
„Ein ehrgeiziges Ziel“, sagt Santi. „Unser Projekt in Gorontalo soll dazu beitragen. Der Wille zur Veränderung ist da, das spüren Santi und ihre Kolleg*innen in vielen Gesprächen, die mal in den örtlichen Gemeindehäusern, mal in Verwaltungsbüros stattfinden.
Ähnlich wie Mangroven eine Brücke zwischen terrestrischen und marinen Ökosystemen schlagen, baut auch Patma Santi eine. Sie führt vom Menschen zur Mangrove.
Dieser Artikel erschien in der Winterausgabe 2023 von „Naturschutz heute“.
Über das Projekt
Gemeinsam mit BirdLife-Partner Burung Indonesia und sechs Küstengemeinden im westlichen Pohuwato-Bezirk, Gorontalo-Provinz, schützen wir Mangroven, identifizieren Renaturierungsgebiete und fördern gemeinsame Anstrengungen für nachhaltigen Schutz und Bewirtschaftung. Das Projekt wird durch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) finanziell gefördert.
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