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Wiederansiedlungsprojekt im Borkumer Riffgrund
Woran denken Sie, wenn Sie das Wort „Auster“ hören? An Sylt? An Essen für reiche Leute? Die Austern, die bei uns auf dem Teller landen, sind Pazifische Austern. Diese Art lässt sich einfach züchten. Die Europäische Auster dagegen, die früher im nord- und ostfriesischen Wattenmeer und in der Helgoländer Austernbank bis zu den küstenfernen Austerngründen der Deutschen Bucht vorkam, gilt in den deutschen Gewässern seit 1950 als ausgestorben. Schon 1920 waren die Austernbestände massiv überfischt und konnten trotz einiger Versuche nicht gerettet werden. Austernbänke der Europäischen Auster bestehen heute nur noch vereinzelt in Großbritannien, Irland, Frankreich und Dänemark. Diese Entwicklung gefährdet die biologische Artenvielfalt in der Nordsee.
Einmaliges Ökosystem. Austern bilden aufgrund ihres Schalenwachstums so genannte biogene Riffe. Das sind Riffe, die sich im Laufe von Jahrhunderten durch den kontinuierlichen Aufwuchs junger Austern auf vorhandenen Austernschalen, und durch Sedimentablagerungen innerhalb der Zwischenräume, entwickeln. Austernriffe bieten Nahrung, Laichgrund, Kinderstube, Versteck- und Schutzraum für zahlreiche Arten: beispielsweise Seenelken, Meeresschnecken, Moostierchen, Schwämme, Krebse und viele Fischarten. Sie verbessern die Wasserqualität durch Filtration, verringern toxische Algenblüten, festigen lose Sedimente, dienen damit dem Küstenschutz und sorgen insgesamt für eine Wertsteigerung des umliegenden Ökosystems. „In den vergangenen Jahren ist ein globaler Rückgang der Austernriffe um mehr als 85 Prozent zu verzeichnen“, sagt Bernadette Pogoda, Projektleiterin am Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) des ersten Wiederansiedlungsprojektes Europäischer Austern in einem Meeresschutzgebiet in der offenen Nordsee.
Austern im Borkum Riffgrund. 2016 startete das Erprobungs- und Entwicklungsvorhaben zur Wiederansiedlung der Europäischen Auster in der Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) der deutschen Nordsee zunächst mit Voruntersuchungen. Initiiert und gefördert wird das Projekt vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) mit Mitteln des Bundesumweltministeriums. Als Standort für ein erstes Pilotprojekt wurde das Meeresschutzgebiet Borkum Riffgrund festgelegt. Dies erfüllt die historischen, ökologischen und logistischen Auswahlkriterien. „Die Europäische Auster ist neben Krankheiten und Klimaveränderungen vor allem aufgrund der Austernfischerei mit Bodenschleppnetzen ausgestorben“, so Pogoda.
Weibliche Austern strudeln die männlichen Spermien ein. Die Larven siedeln sich auf den Austernschalen an. „Fehlen diese, da sie beispielsweise durch bodenzerstörende Fangmethoden zerstört wurden, finden sie keinen Halt oder es kann gar nicht mehr zur Befruchtung kommen, da weibliche und männliche Austern zu weit voneinander entfernt sind“, erklärt die Meeresbiologin.
Ausbringung der Austern in der Nordsee. Die Austernriffflächen wurden in etwa 30 Meter Tiefe auf dem Meeresboden angelegt: Auf dem sandigen Untergrund wurden durch das Tauchteam lebende Austern direkt oder auf Kalksteinen und Sandsteinblöcken ausgebracht. Zusammen mit der jeweiligen Unterlage bilden diese das Pilotriff. „Weitere Flächen sollen zukünftig angelegt werden, wobei berücksichtigt wird, auf welchen Unterlagen sich die Austern im Offshore-Bereich am besten entwickeln. Solche Maßnahmen bilden einen wichtigen Beitrag für das Management und das Erreichen der Schutzziele der küstenfernen Meeresschutzgebiete in der deutschen AWZ, für die das BfN zuständig ist“, so Pogoda. Zweimal im Jahr fährt das Team raus, um das Riff zu kontrollieren, einmal mit Unterwasserkameras und Sensorik, einmal für Taucharbeiten.
Know-how zur Aufzucht ist verloren gegangen. Für die langfristige Wiederansiedlung ist auch der Aufbau einer Austernaufzuchtanlage wichtig, der im Rahmen eines Projektes im Bundesprogramms Biologische Vielfalt gefördert durch das BfN mit Mitteln des BMU am AWI-Standort auf Helgoland erfolgt. „Das Know-how zur Aufzucht Europäischer Austern ist verloren gegangen. Früher wurde vor allem Wert darauf gelegt, alle Austern gleich groß und schwer zu züchten, um sie besser verkaufen zu können. Im Gegensatz zu wirtschaftlichen Kriterien geht es im Naturschutz aber um genetische Vielfalt. Wir brauchen daher langsames Wachstum, schnelles Wachstum, große, kleine und verschiedene Formen der Austern“, so Pogoda.
Erste Ergebnisse, ob sich die Austern gut entwickelt haben, sollen Ende Mai vorliegen. Das Team um Pogoda hofft, dass sich dann die im Juli 2020 ausgebrachten Austern in ihrem neuen Zuhause eingerichtet haben.
Nicole Flöper (Artikel erschien in der Naturschutz heute 2/21)
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