Vorverpackungen bei Cocktailtomaten - Foto: NABU/K. Istel
Zu viel Verpackungsmüll für frisches Obst und Gemüse
Auspacken statt umpacken: Handel muss mehr lose Ware anbieten


In Deutschland fällt heute wesentlich mehr Verpackungsmüll an als vor zwanzig Jahren: Zwischen 2000 und 2022 ist der Verpackungsmüll von 15,2 Millioneno. Tonnen auf über 19 Millioneno. Tonnen gestiegen. Pro Kopf ist das ein Anstieg von 186 Kilogramm auf 227 Kilogramm. Einer der Gründe für das zunehmende Verpackungsaufkommen ist, dass auch frische Lebensmittel immer öfter abgepackt angeboten und Portionsgrößen kleiner werden. In Studien im Auftrag des NABU wurden Daten zum Verpackungsabfall durch frisches Obst und Gemüse erhoben, die letzten Daten für 2019: So wurde in diesem Jahr frisches Obst und Gemüse in Deutschland zu 60 Prozent (nach Gewicht) beispielsweise in Pappschalen, Plastik-Klappdeckelschalen, Folien oder Netzen vorverpackt verkauft. Dies verursachte 103.069 Tonnen Verpackungsmüll, darunter rund 66.000 Tonnen Kunststoff und über 32.000 Tonnen Papier, Pappe, Karton (PPK).
Die GVM Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung hatte für den NABU bereits für 2014 und 2016 Daten zum Verpackungsaufkommen durch vorverpacktes Obst und Gemüse sowie dessen Entwicklung in den letzten Jahren erhoben. Hier zeigte sich, dass der Anteil vorverpackter Ware 2019 im Vergleich zu 2016 leicht zurückgegangen war: von 63 auf 60 Prozent. Leider folgte daraus keine absolute Reduktion der Verpackungsabfälle, stattdessen stiegen diese zwischen 2016 und 2019 sogar von 93.380 Tonnen auf 103.069 Tonnen an. Der Grund dafür ist, dass die vorverpackte Ware in kleineren Portionsgrößen oder auch aufwändigeren Verpackungen angeboten wird, was einen höheren Verbrauch an Verpackungsmaterial pro Kilogramm Obst oder Gemüse bedeutet.
Der größte Anteil an Obst und Gemüse ist inzwischen vorverpackt
Obst und Gemüse, das private Haushalte im Supermarkt oder auf dem Wochenmarkt kaufen, wurde 2019 zu 60 Prozent vorverpackt verkauft, wobei es Unterschiede gab: Während Obst zu 55 Prozent industriell vorverpackt war, waren es bei Gemüse sogar 67 Prozent. Das heißt, die Kunden haben hier nicht die Möglichkeit, einen Servicebeutel zu nutzen oder sogar ganz auf eine Einwegverpackung zu verzichten, beispielsweise durch mitgebrachte Mehrwegbeutel.
Kunststoff ist das dominierende Packmittel
Die Studie zeigt, dass 2019 Kunststoff sowohl bei Gemüse als auch bei Obst das dominierende Packmittel war. Der Anteil von Kunststoff an den Verpackungsabfällen für vorverpacktes Obst und Gemüse lag – Obst und Gemüse zusammen betrachtet – bei 64 Prozent. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass Kunststoff im Vergleich zu Papier und Pappe ein sehr leichtes Packmaterial ist und daher deutlich weniger davon benötigt wird, um ein Kilogramm Ware zu verpacken als mit PPK. Deren Anteil am Verpackungsaufkommen lag im Jahr 2019 bei 31 Prozent. Andere Materialien wie Holz oder Baumwolle spielten mit fünf Prozent nur eine unbedeutende Rolle.
Die folgende Grafik zeigt, dass es allerdings durchaus Unterschiede bei der Relevanz von Kunststoff und PPK zwischen Obst und Gemüse gab. Kunststoffverpackungen spielten mit einem Anteil von 71 Prozent bei Gemüse eine noch größere Rolle als bei Obst mit 57 Prozent
Am meisten Verpackungsabfall für Tomaten und Beeren und Trauben
Tomaten hatten mit 33 Prozent den größten Anteil am Verpackungsaufkommen für frisches Gemüse. Gleichzeitig hatten sie jedoch nur einen Gewichtsanteil am haushaltsnahen Frischgemüse-Konsum von circa 15 Prozent. Das zeigt, dass Tomaten sehr verpackungsintensiv sind, vor allem durch kleine Packgrößen und materialintensive Schalenverpackungen. Im Jahr 2019 fielen für frische Tomaten knapp 4.500 Tonnen PPK und rund 12.000 Tonnen Kunststoff an.
Dasselbe gilt für Beeren und Trauben, für die zunehmend mehr Verpackungsabfall anfällt: im Jahr 2019 bereits 42 Prozent der gesamten Vorverpackungen für frisches Obst. Für Beeren und Trauben fielen 2019 sogar mehr Kunststoffabfälle an als für Tomaten: knapp 16.000 Tonnen Kunststoff im Jahr 2019 – seit 2016 bedeutete dies eine Steigerung um 85 Prozent. Dazu kamen über 4.600 Tonnen PPK-Verpackungsabfälle.
Vorverpackungen sind viel materalintensiver als Serviceverpackungen
Der Materialaufwand bei vorverpackter Ware ist deutlich höher als bei den so genannten Knotenbeuteln aus Kunststoff oder Papiertüten (Serviceverpackungen). Dies zeigt der durchschnittliche Packmittelverbrauch pro Kilogramm Ware: Um ein Kilogramm Obst und Gemüse einzupacken, braucht man durchschnittlich siebenmal mehr Material für eine Vorverpackungen, das heißt „Industrieverpackung“ (23 g), als für einen Knotenbeutel aus Kunststoff (2,8 g).
Gerade PPK-Vorverpackungen sind extrem materialintensiv mit 60,8 Gramm Verpackungsmaterial für ein Kilogramm Obst oder Gemüse – daher haben diese nicht per se ökobilanzielle Vorteile gegenüber einer materialeffizienteren Kunststoffverpackung. In die in der folgenden Grafik dargestellten Durchschnittswerte fließen sowohl vergleichsweise materialeffiziente Netze oder Beutel mit ein als auch sehr materialintensive Kunststoffschalen mit Deckel oder Pappschalen.
Weniger vorverpackt und dennoch mehr Verpackungsmüll
Zwischen 2016 und 2019 ist das Verpackungsaufkommen für frisches Obst und Gemüse angestiegen, sowohl bei Kunststoff als auch bei PPK. Bis 2016 war der PPK-Verbrauch noch zurückgegangen, zwischen 2016 und 2019 stieg er aber an.
Vergleicht man die Entwicklung des Verpackungsaufkommens mit der Entwicklung der Füllgutmenge (siehe Infokasten), zeigt sich, dass sich die sogenannten Packmittelstrukturen geändert haben müssen. Die folgende Tabelle veranschaulicht, dass im Jahr 2019 tatsächlich 3,5 Prozent weniger frisches Obst und Gemüse vorverpackt verkauft wurden als 2016, gleichzeitig aber das Verpackungsaufkommen um 10,5 Prozent anstieg. Das muss daran liegen, dass die Portionsgrößen kleiner und die Verpackungen materialintensiver wurden (d.h. Änderung der „Packmittelstruktur“ wie Schalen statt Folien, Eimer mit Deckel und Kunststoffhenkel). Diese Trends hatten auch bereits die GVM-Datenerhebungen zum Verpackungsaufkommen 2014 und 2016 gezeigt.
Info: Füllgutmenge
Die sogenannte Füllgutmenge gibt an, wie viel Tonnen Obst oder Gemüse industriell vorverpackt gekauft wurden. Ein Beispiel: Die Füllgutmenge bei Tomaten ist zwischen 2010 und 2016 um 17 Prozent gestiegen. Das meint, dass 2016 17 Prozent mehr Tomaten vorverpackt verkauft wurden als 2010. Gleichzeitig ist aber der Kunststoffbedarf für Tomatenverpackungen um 42 Prozent gestiegen und der Bedarf an Papier, Pappe, Karton um 28 Prozent. Daher ist davon auszugehen, dass die Packgrößen kleiner wurden, beispielsweise durch Cocktailtomaten und/oder dass die Packmittel materialintensiver wurden, zum Beispiel durch Schale mit Deckel statt mit Folie.
Exkurs Salatgurke
Die Salatgurke in Folie stand lange Zeit im Fokus der medialen Öffentlichkeit als überflüssige Plastikverpackung in der Obst- und Gemüseabteilung. Viele Anbieter haben die große Salatgurke inzwischen „ausgepackt“. Die folgende Grafik zeigt, dass 2019 tatsächlich 43 Prozent weniger Salatgurken vorverpackt verkauft wurden als 2016 (nach Gewicht). Gleichzeitig stieg aber das Verpackungsaufkommen für Salatgurken stark an: Kunststoff um 18 Prozent und PPK um 253 Prozent. Die Plastikeinsparung durch das „Auspacken“ der großen Salatgurken wurde zunichte gemacht durch den zunehmenden Verkauf vorverpackter Mini-Salatgurken.
Verbot nach EU-Verpackungsverordnung
Die EU-Verpackungsverordnung verbietet ab 2030 EU-weit Einwegkunststoffverpackungen für frisches, unverarbeitetes Obst und Gemüse. Die EU-Kommission hatte ursprünglich ein materialunabhängiges Verbot vorgeschlagen, was auch der NABU unterstützt hat. Leider wurde das Verbot im Verlauf des Gesetzgebungsprozess auf Kunststoff reduziert.
Aber es kann selbst Ausnahmen vom Kunststoff-Verbot geben: Mitgliedstaaten können Ausnahmen vorsehen, wenn nachgewiesen ist, dass der Verlust von Wasser und Prallheit u.ä. vermieden werden muss oder keine andere Möglichkeit besteht, ökologisch und nicht-ökologisch produzierte Ware voneinander zu unterscheiden.
NABU-Forderungen
Verpackungsmüll: Große Einsparpotenziale im Supermarkt
Frisches Obst und Gemüse braucht nur selten eine Vorverpackung für den Produktschutz. Der Packmittelverbrauch für diese Vorverpackungen ist um ein Vielfaches höher als bei Serviceverpackungen, das heißt Papiertüten oder Plastik-Knotenbeutel. Und selbst letztere sind nur die zweite Wahl, da es das Ziel sein muss, auch diese zu reduzieren. Viele Supermärkte bieten inzwischen Mehrwegnetze und Mehrwegbeutel an. Allerdings muss der Handel Obst und Gemüse erst einmal konsequent auspacken, damit Kund*innen diese Mehrwegalternativen auch nutzen können.
Mit Aufklebern, Banderolen etc. können unterschiedliche Sorten und Preise auch ohne abfallintensive Vorverpackung an der Kasse unterschieden werden. Kritisch sieht der NABU, dass viele Unternehmen unter dem Motto „Plastikvermeidung“ nur umpacken statt auspacken: PPK statt Kunststoff ist die Devise. Papierverpackungen gehen mit einem enormen Einsatz von Energie, Wasser, Chemikalien und natürlichen Rohstoffen einher, entgegen dem irreführenden Öko-Image sind Papierverpackungen keine umweltfreundliche Alternative zu loser Ware.
Auch wenn das EU-Verbot nur Einwegkunststoffverpackungen adressiert, sollte der Lebensmittelhandel im Sinne der Abfallvermeidung standardmäßig auspacken statt umpacken. Denn Papier- und Pappverpackungen sind mit hohen Klimabelastungen und negativen Auswirkungen auf die Biodiversität verbunden.
Hinweis:
Alle Zahlen beziehen sich auf frisches Obst und Gemüse, das Privathaushalte im Einzelhandel oder auf dem Wochenmarkt kaufen, einschließlich vorgeschnittenem Obst und Gemüse (ohne Nebensortimente wie Nüsse, Kerne, Trockenobst und Trockengemüse). Gewerblich, z.B. in der Gastronomie erworbenes oder in Kantinen verarbeitetes Obst und Gemüse wird nicht berücksichtigt. Nicht berücksichtigt ist auch der Bedarf an Kunststoff und PPK für die Serviceverpackungen, das heißt Papiertüten oder Knotenbeutel aus Kunststoff.
Die Daten beruhen auf folgender Studie sowie eigenen Berechnungen auf Basis dieser Studie:
GVM 2019/2020: „Der deutsche Markt der Verkaufsverpackungen von Frischobst und Frischgemüse 2019“ (Dezember 2019/April 2020)
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