Neonikotinoide – Nervengift für Bienen
Warum ein Verbot von nur drei Stoffen nicht ausreicht
Die EU-Staaten haben im April 2018 entschieden, dass die drei Neonikotinoide Imidacloprid, Thiamethoxam und Clothianidin ab sofort auf europäischen Äckern weder versprüht noch zur Saatgutbehandlung angewendet werden dürfen. Das Verbot ist ein entscheidender Schritt zur Rettung der Artenvielfalt. Doch er reicht längst nicht aus. Denn wenn die Bundesregierung es mit dem Schutz von Bienen und Insekten ernst meint, müssen unter anderem alle Neonikotinoide und ähnlich wirkende Insektizide komplett vom Markt verschwinden. Bei dem extremen Rückgang der Insekten können wir es uns es nicht mehr leisten, weiterhin derartig gefährliche Stoffe einzusetzen.
Als nächster Schritt muss EU-weit eine deutliche Reduzierung aller Pestizide folgen sowie weitere Verbote besonders gefährlicher Wirkstoffe. Der NABU begrüßt daher, dass sich Bundesumweltministerin Svenja Schulze für einen grundsätzlich restriktiveren Einsatz bei allen Pflanzenschutzmitteln ausgesprochen hat. Um die Artenvielfalt zu retten, muss die EU ihre Agrarpolitik aber grundsätzlich naturverträglicher ausrichten und damit auch Anreize für einen nachhaltigeren Pestizideinsatz schaffen.
Neonikotinoide sind eine Gruppe von Wirkstoffen, die enorm schädlich für Insekten sind. Sie verfügen über den gleichen Wirkmechanismus: Insekten nehmen die systemisch wirkenden Gifte meistens über austretende Pflanzensäfte als auch über den Pollen und den Nektar auf. Die Aufnahme schädigt das Nervensystem und unterbindet die Reizweiterleitung. Infolgedessen kann die Fruchtbarkeit vermindert und der Orientierungssinn beeinträchtigt werden, was zum direkten oder indirekten Tod der Insekten führt. Diese Stoffe haben somit eine ähnliche Wirkung wie Nikotin, ein Stoff den die Tabakpflanze übrigens zur Verteidigung gegen Insekten im Zuge der Evolution entwickelt hat. Es wundert also nicht, dass chemisch ähnliche Stoffe giftig auf Insekten wirken.
Neonikotinoide galten lange als ungefährlich für Bestäuber
In den neunziger Jahren wurden die ersten Neonikotinoide zugelassen und galten als Wundermittel gegen schädlichen Insektenfraß. Sie sollten angeblich keinen Einfluss auf bestäubende Insekten wie Bienen haben und für Wirbeltiere ungiftig sein. Die Neonikotinoide wurden vor allem als Beizmittel eingesetzt. Dabei nimmt die Pflanze während des Wachstums den Stoff auf und verteilt ihn in allen Pflanzenteilen. Dies hat zur Folge, dass Insekten, die an der Pflanze fressen, vergiftet werden. Besonders gegen saugende Insekten wie Läuse schien ein Wundermittel gefunden.
Aber schnell wurden Zweifel an der Bienenungefährlichkeit der Stoffe laut. Als es 2008 zu einem massiven Bienensterben im Oberrheingraben kam, wurde die Beizung von blühenden Pflanzen 2013 verboten. Bei der Saat wurden Beizmittelstäube freigesetzt, die sich über blühende Rapsfelder in der Nähe der Flächen legten und die Tiere vergifteten. Trotzdem bestanden immer noch Zweifel, ob die geringe Menge, die die Bienen über den Nektar und den Pollen aufnahmen, gefährlich für die Tiere seien. Im Jahr 2013 verbot die EU, die Beizung von Saatgut blühender Pflanzen wie Raps und Sonnenblumen. Aus diesem Grund durften auch noch Zuckerrüben, mit Neonikotinoiden behandelt werden, da diese vor der Blüte geerntet werden. Allerdings nimmt die Pflanze höchstens 20 Prozent des Wirkstoffes aus der Beizung auf, die restlichen 80 oder mehr Prozent verbleiben im Boden und werden mit dem Wasser oder durch andere Effekte in die umliegenden Flächen transportiert.
Bienen können sich nicht mehr orientieren und bekommen weniger Nachwuchs
Neue Studien zeigen, dass vor allem Wildbienen unter den Neonikotinoiden leiden. Nicht nur der direkte Kontakt von höheren Dosen der Mittel führt zu Schäden bei den Bienen, sondern auch die chronische Aufnahme nur geringer Mengen. Auch Hummelkönigen, die mit Neonikotinoiden belastet waren, bekommen deutlich weniger Nachwuchs. Außerdem zeigen Versuche mit Honigbienen, dass diese anfälliger für Krankheiten sind und sich schlechter orientieren können. Den Bienen fällt es also schwerer, zu ihrem Bienenstock zurückzufinden und die Sterblichkeit ist damit höher. Die erhöhte Sterblichkeit ist besonders für Wildbienen dramatisch, da es kein Volk gibt, das Verluste kompensieren kann. Es gibt Studien, die darauf hinweisen, dass Neonikotinoide Insekten anfälliger für Bakterien und Pilze machen und somit zu einer höheren Sterblichkeit führen.
Drei Neonikotinoide-Stoffe werden nun von der EU verboten
Bisher wurde angenommen, dass Neonikotinoide aufgrund ihres Stoffwechselweges nur auf Insekten wirken, eine Studie aus Taiwan legt jetzt jedoch das Gegenteil nah. Die Autoren der Studie konnten zeigen, dass Fledermäuse, die mit Imidacloprid in Kontakt gekommen waren, eine schlechtere räumliche Gedächtnisleistung zeigten. Auch die Dachsammer, ein amerikanischen Singvogel,konnte sich schlechter orientieren.
Die drei Neonikotinoid Imidacloprid, Thiamethoxam und Clothianidin wurden am häufigsten eingesetzt und wurden endlich von der EU verboten. Allerdings bleiben diese Stoffe in Gewächshäusern erlaubt und es besteht weiterhin die Gefahr, dass die Stoffe über Gewässer oder ähnliches ausgewaschen werden. Außerdem sind noch weitere schädliche Neonikotinoide in der EU zugelassenen. Der NABU fordert aus diesem Grund, dass alle Neonikotinoide und Stoffe mit ähnlichem Wirkmechanismus verboten werden.
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