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Jetzt NABU-Mitglied werden!Chancen und Risiken der Bioökonomie
Planetare Grenzen als Rahmen für die zukünftige Gestaltung
Chancen
Wissen und Innovation sind zentrale Bestandteile der Bioökonomie. Neue umweltfreundliche und ressourcensparende Produktions- und Verarbeitungsmethoden können auf vielfältige Weise zu einer nachhaltigen Bioökonomie beitragen. Die Anwendung innovativer land- und forstwirtschaftlicher Bewirtschaftungsmethoden bietet Chancen für einen verbesserten Umwelt- und Klimaschutz.
Dies gelingt beispielsweise im Rahmen der Digitalisierung mit Precision Farming: Dabei werden digitale Infrastrukturen wie automatische Bewässerungs- und Versorgungssysteme oder Drohnen mit künstlicher Intelligenz zur Überwachung des Pflanzenbestandes eingesetzt. Diese Technologien ermöglichen eine bedarfsgerechtere, standortangepasste und gleichzeitig effizientere Bewirtschaftung der Flächen. Dünge- und Pflanzenschutzmittel können standortspezifisch aufgetragen und somit langfristig sparsamer in der konventionellen Landwirtschaft eingesetzt werden. Auch neue Bewirtschaftungsformen in der Landwirtschaft wie Agroforstsysteme (eine Kombination aus Gehölzen mit Ackerbau und/oder Tierhaltung) sorgen für eine Verbesserung der lokalen Biodiversität, des Nährstoffhaushaltes sowie der Boden- und Grundwasserqualität.
Agrarökologische Konzepte könnten zukünftig resiliente Alternativen darstellen angesichts der höheren Temperaturen und unsteten Niederschläge. Durch den verstärkten Anbau alter Sorten und einheimischer Arten könnte eine abwechslungsreiche und saisonale Vielfalt in der Nahrungsmittelerzeugung etabliert werden. Aber auch soziale Innovationen wie die Etablierung von Selbstversorger-Konzepten oder Gemeinschaftsgärten in urbanen Räumen und die Schaffung von Netzwerken der Solidarischen Landwirtschaft können zu einem neuen Naturbewusstsein bei der Zivilgesellschaft beitragen. Es ist darüber hinaus möglich, Bioökonomie-Konzepte an charakteristische Rohstoffverfügbarkeiten und Standortgegebenheiten anzupassen und neue Wertschöpfungspotentiale zu erschließen. Indem lokal-spezifische Biomassepotenziale identifiziert und genutzt werden, lassen sich nicht nur neue und anspruchsvolle Arbeitsplätze schaffen, sondern auch die Attraktivität ländlicher Regionen steigern.
Darüber hinaus können durch die Anwendung von Technologien der Kaskaden- und Kreislaufwirtschaft Rohstoffpotentiale stofflich und energetisch möglichst effizient ausgenutzt werden. Auf diese Weise ließe sich der Bedarf an Anbaubiomasse senken. An Verfahren zur Erschließung und Nutzbarmachung neuartiger Rohstoffe (insb. Lignin, Produktionsabfälle, aber auch Mikroorganismen, Pilze, Mikroalgen) wird verstärkt geforscht. In der Biotechnologie werden durch die Möglichkeiten der Gentechnik Mikroorganismen als Produzenten von Aromen, Antibiotika oder Enzymen eingesetzt. Tierische und pflanzliche Bestandteile können ebenfalls zu neuartigen Produkten verarbeitet werden. Die Beispiele reichen von Biokunststoffen im Gesundheitswesen über Mikroalgen als alternatives Fischfutter bis hin zu Chemikalien aus Lignocellulose.
Doch alle technischen Neuerungen bewahren uns nicht vor der Grunderkenntnis: Wir leben über unsere Verhältnisse. Nur gesellschaftliches Umdenken und ein verändertes Konsumverhalten können im Rahmen der Bioökonomie zu einer langfristigen Entlastung der Ökosysteme führen.
Risiken
Die Grundidee der Bioökonomie basiert auf dem Austausch der fossilen durch eine nachwachsende, biobasierte Rohstoffbasis. Begriffe wie erneuerbar oder nachwachsend suggerieren eine grenzenlose Verfügbarkeit der Rohstoffe. Allerdings werden schon heute die ökologischen Belastungsgrenzen der Biomasseproduktion überschritten. Deutschland importiert einen Großteil seiner benötigten Flächen aus dem Ausland, um den aktuellen Biomassebedarf mit einer fossil-ausgerichteten Wirtschaftsweise decken zu können. Die Ausweitung der Bioökonomie wird zwangsläufig mit einem wachsenden Bedarf an biobasierten Rohstoffen einhergehen. Damit zukünftig neben gesunden Lebens- und Futtermitteln auch ausreichend Bioenergie und Biomasse für die Industrie bereitsteht, erhöht sich zunehmend auch der Druck auf verfügbare (Natur-)Flächen.
Der Ausbau der industriellen Biomasseproduktion führt somit zu einem verstärkten Nutzungsdruck auf Naturlandschaften und einem weiteren Verlust an Arten- und Lebensraumvielfalt. Um hohe Erträge auf der begrenzten Fläche zu erzielen, wird der Verbrauch an Dünge- und Pflanzenschutzmitteln steigen und schädigt so Wasser und Böden.
Zielkonflikte
Ausgelaugte Böden
Der Boden hat vielfältige Funktionen: Er ist nicht nur der Lebensraum für unzählige Tiere, Pflanzen, Pilze und Kleinstlebewesen, sondern regelt Kreisläufe in der Natur, ist Grundlage für den Anbau von Nahrungsmitteln und nachwachsenden Rohstoffen und nimmt eine wichtige Filterfunktion für das Grundwasser ein. Böden sind damit von zentraler Bedeutung für unsere Ökosysteme und unser Wohlergehen.
Ausgelaugte Böden sind ein großes Problem der intensivierten Landwirtschaft. Monokulturen entziehen dem Boden wichtige Nährstoffe. Natürliche Kreisläufe funktionieren in ihnen nicht mehr. Durch das Ausbringen von Pflanzenschutzmitteln wird die Biodiversität in Böden geschädigt. Die Bodenorganismen sind unverzichtbar für vielfältige Funktionen im Ökosystem. Sie stellen Nährstoffe für Pflanzen und andere Lebewesen bereit, binden Stickstoff, filtrieren Wasser und schaffen eine fruchtbare und wasserspeichernde Bodenstruktur. Schwere Landmaschinen sorgen für einen verdichteten Boden, in dem das Regenwasser nicht mehr versickern kann. So sind verschlechterte Wuchsbedingungen für die Pflanzen und verminderte Erträge die Folge.
Wasser als kritischer Rohstoff
Etwa 70 Prozent der Erdoberfläche sind von Wasser bedeckt. Jedoch ist davon nur etwa ein Prozent als Trinkwasser verfügbar. Die Wasserverfügbarkeit wird zum einen durch Niederschlag und zum anderen stark von temperaturabhängiger Verdunstung beeinflusst. Im Zuge des Klimawandels werden sich die Niederschlagsmengen in den Weltregionen und damit auch die Wasserverfügbarkeit ändern. In Deutschland spielt die Bewässerung bislang nur eine untergeordnete Rolle. Dies kann sich bei zunehmend auftretenden Wetterextremen in den kommenden Jahren ändern. Der Wasserverbrauch durch den Menschen hat sich im Zuge der wachsenden Weltbevölkerung während der vergangenen 50 Jahre in etwa verdreifacht. Gleichzeitig werden die Grundwasservorräte zunehmend aufgebraucht und die bestehenden Wasserbestände immer mehr verschmutzt. Die Wasserknappheit wird sich in den nächsten Jahrzehnten ausweiten und verschlimmern. Gleichzeitig hat die Landwirtschaft einen hohen Wasserbedarf.
Eine 1:1-Substitution erdölbasierter Rohstoffe kann und darf bei dem Niveau unseres derzeitigen Konsums und der wirtschaftlichen Aktivität nicht das Ziel der Bioökonomie sein. Die Umsetzung der Bioökonomie lässt sich langfristig nicht allein durch die Anwendung intelligenter Technologien realisieren, sondern erfordert gleichzeitig eine drastische Änderung bestehender Konsum- und Lebensgewohnheiten. Biomasse ist knapp und nachhaltig erzeugte Biomasse ist noch viel knapper – daher muss eine Bioökonomie grundsätzlich immer zuerst darauf ausgerichtet sein, deutlich weniger zu produzieren und zu konsumieren, die Lebensdauer von Produkten zu verlängern und insgesamt einen geringeren ökologischen Fußabdruck zu hinterlassen.
Einfach erklärt, ist Bioökonomie ein auf nachwachsenden Rohstoffen basierendes Wirtschaftssystem. Als Rohstoffe können dabei nicht nur Pflanzen, Holz und Nutztiere eingesetzt werden – sondern auch organische Reststoffe, Mikroorganismen, Algen oder Insekten. Mehr →
Die Bioökonomie nutzt nicht nur land- und forstwirtschaftlich erzeugte Rohstoffe, sondern auch organische Reststoffe, Tiere, Mikroorganismen, Insekten oder Algen. Nachhaltig und naturverträglich ist sie aber erst dann, wenn sie den Einsatz fossiler Rohstoffe, den Ausstoß klimaschädlicher Emissionen sowie den Verlust an Biodiversität begrenzt. Mehr →
Das Konzept der Planetaren Grenzen trifft Aussagen über die Erdgesundheit und die Lebensgrundlagen der Menschheit. Neun globale Prozesse bestimmen dabei die Widerstandskraft und die Belastungsgrenzen des Planeten. Mehr →
Biomasse ist viel mehr als nur ein Rohstoff, mit dem Energie für Strom, Wärme und Kraftstoffe oder Grundstoffe der Chemie, Kleidung und Papier hergestellt wird. Biomasse ist auch alles was lebt und unser Leben ermöglicht. Mehr →
Um Klimawandel und Umweltzerstörung zu begrenzen, muss unser Verbrauch fossiler Energieträger eingeschränkt und unser Wirtschaftssystem auf biobasierte Rohstoffe umgestellt werden. Doch für ein grundsätzliches Umdenken fehlt der Politik (noch) der Mut. Mehr →