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Chemisches Recycling von Kunststoffen
Potenziale, Risiken und viele offene Fragen





Chemisches Recycling umfasst zum Beispiel die Pyrolyse, mit der Altreifen recycelt werden können - Foto: Pixabay/Pexels
Kunststoffabfälle zu recyceln ist technisch und wirtschaftlich eine Herausforderung: Weniger als 40 Prozent werden in Deutschland aktuell recycelt, der Rest wird verbrannt (Conversio 2024). Um die recycelten Mengen zu erhöhen, wurden gesetzliche Quoten eingeführt, wie viel recycelt werden muss. Insbesondere im Verpackungsbereich wurde die Gesetzgebung stetig strenger.
Es haben sich inzwischen verschiedene so genannte mechanische Recyclingverfahren und Sortierverfahren für Kunststoffabfälle entwickelt, die jedoch teilweise an technologische Grenzen stoßen. Daher werden seit einigen Jahren neue Ansätze und Technologien intensiv diskutiert und in Pilotanlagen werden Verfahren des so genannten chemischen Recyclings erprobt. Unter diesen Oberbegriff fallen sehr unterschiedliche Verfahren. Sie haben üblicherweise einen hohen Energieverbrauch, der ein wirtschaftliches und ökologisches Hemmnis darstellt. Im industriellen Maßstab gibt es daher bisher kaum Anlagen für chemische Verfahren.
Mechanische Verfahren ergänzen, nicht ersetzen!
Standardmäßig werden heute für das Recycling von Kunststoffabfällen so genannte mechanische Verfahren eingesetzt. Diese benötigen weniger Energie als die chemischen Verfahren. Allerdings gibt es technische Grenzen, was beispielsweise die Qualität des Recycling-Outputs, das sogenannte Rezyklat, angeht. Auch können nicht alle Abfallfraktionen mechanisch recycelt werden. Hier könnten chemische Verfahren eine wichtige Ergänzung zum mechanischen Recycling darstellen.
Der NABU sieht beispielsweise Chancen für die Depolymerisierung von Matratzen- oder Textilabfällen. Aus ökologischer Sicht steht jedoch an erster Stelle, alle Abfälle mechanisch zu recyceln, bei denen dies möglich ist. Und auch die mechanischen Verfahren sind weiterzuentwickeln, um die Qualität der Rezyklate zu steigern.
Was macht das Recycling von Kunststoffen kompliziert?
Kunststoffe bestehen aus langen Molekülketten, so genannten Polymeren. Daher beginnt der Name von vielen Kunststoffen auch mit „Poly-“ wie etwa Polyethylen (PE), Polyurethan (PU) oder Polystyrol (PS). Verschiedene Kunststoffarten lassen sich unterschiedlich gut recyceln und auch die so genannten Additive beeinflussen die Recyclingfähigkeit, etwa Flammschutzmittel oder Farbpigmente.
Wenn die Additive nicht aufwändig entfernt werden, verbleiben sie im Rezyklat. Besonders problematisch ist das bei giftigen Zusätzen, etwa bromierten Flammhemmern in Elektrogeräten oder Weichmachern in PVC-Kabelummantelungen. Daher ist das Recycling von Kunststoffen aus Elektrogeräten anspruchsvoller als zum Beispiel von Verpackungen.
Problematisch für das Recycling sind darüber hinaus Kombinationen aus verschiedenen Kunststoffarten wie bei vielen Wurst- und Käseverpackungen oder Textilien. Oft sind auch andere Materialien wie Papier oder Metall mit den Kunststoffen verbunden.
Was meint mechanisches Recycling?
Beim mechanischen Recycling werden Kunststoffe sortiert, gereinigt und eingeschmolzen. Es entstehen so genannte Rezyklate, die Neumaterial ersetzen können. Die chemische Struktur der Kunststoffe bleiben hierbei, im Gegensatz zu chemischen Recyclingverfahren, erhalten. Problematisch ist, dass Schadstoffe und Additive oft in den Rezyklaten verbleiben, was etwa den Einsatz in Lebensmittelverpackungen verhindert. Eine Ausnahme sind hier PET-Einweggetränkeflaschen, die sortenrein in einem eigenen Pfandsystem gesammelt werden.
Es ist zudem nicht immer möglich, mit Rezyklaten vollständig Neuware zu ersetzen, etwa wenn eine Verpackung oder ein Produkt extrem stabil sein muss. Zudem können Kunststoffe nicht unendlich oft mechanisch recycelt werden.
Was soll das chemische Recycling besser machen?
Das chemische Recycling setzt an den Grenzen der mechanischen Verfahren an. Es zerlegt Polymere in seine Bestandteile auf Molekularebene. Das Ziel ist, Rezyklate in hoher Qualität zu gewinnen, die an die Eigenschaften von Neumaterial heranreichen. Langfristig versprechen die Unternehmen, auch Abfälle verarbeiten zu können, die mechanisch nicht recycelbar sind und in der Verbrennung landen, beispielweise Mischkunststoffe oder Sortierreste. Aktuell brauchen die chemischen Verfahren allerdings auch möglichst gut sortierte und saubere Abfallströme – genauso wie die mechanischen Verfahren.
Warum sieht der NABU das chemische Recycling von Verpackungsabfall kritisch?
In Pilotanlagen wird derzeit insbesondere die Pyrolyse als chemisches Recyclingverfahren getestet – vor allem mit Kunststoffverpackungen aus Polyethylen und Polypropylen. Diese Kunststoffe lassen sich auch sehr gut mechanisch recyceln, was deutlich energieeffizienter ist. Wenn Pyrolyseanlagen künftig genau diese Abfälle nutzen, könnte das dem mechanischen Recycling wichtige Materialströme entziehen. Zwar betonen Teile der Industrie, dass auf Dauer nur schwer verwertbare Abfälle chemisch recycelt werden sollen – ob das in der Praxis eingehalten wird, bleibt abzuwarten. Auch gibt es die Vorgabe der EU, ab 2030 einen bestimmten Anteil an Rezyklaten in neuen Kunststoffverpackungen zu verarbeiten – auch in Lebensmittelverpackungen. Da mechanisches Recycling dafür in der Regel nicht die nötige Qualität liefert, wird die Pyrolyse hier faktisch zur Voraussetzung.
Der NABU sieht das kritisch: Chemisches Recycling sollte gezielt dort eingesetzt werden, wo mechanische Verfahren nicht ausreichen, um möglichst viel Material im Kreislauf zu halten – etwa bei Alttextilien, Altreifen oder Matratzen. Diese Abfallströme könnten so sinnvoll vor der Verbrennung bewahrt werden. Wichtig ist bei allen Verfahren, dass nur Produkte recycelt werden, die nicht weiterverwendet bzw. repariert und wiederverwendet werden können.
Chemisches Recycling: Ein Begriff – sehr verschiedene Verfahren
Der Begriff „Chemisches Recycling“ wurde in den letzten Jahren vor allem im Zusammenhang mit Verpackungsabfällen aus Kunststoff diskutiert. Meist war damit das Verfahren der Pyrolyse gemeint. Dabei verbergen sich hinter dem Begriff noch andere Recyclingverfahren, die sich von der Pyrolyse technisch teils stark unterscheiden (eine ausführlichere Beschreibung der Verfahren ist im NABU-Factsheet zu finden):
- Pyrolyse und Verölung: Die Kunststoffe werden bei hohen Temperaturen unter Sauerstoffausschluss zersetzt. Es entsteht Pyrolyseöl, dass mit Rohöl vermischt wird, um neue Produkte herzustellen. Nebenprodukte sind Gase und Feststoffe.
- Depolymerisierung (Solvolyse): Die Polymere werden in kleinere Teile gespalten, dafür braucht es hohe Temperaturen und Katalysatoren. Aus den kleinen Teilen können neue Kunststoffe hergestellt werden.
- Lösemittelbasiertes Verfahren: Die Kunststoffe werden in Lösemittel-Bädern behandelt, so dass sich Fremdkunststoffe oder bestimmte Additive abtrennen.
- Gasifikation: Die Kunststoffe werden mit Sauerstoff bei sehr hohen Temperaturen zu Gas umgewandelt. Nach aufwendiger Reinigung können aus dem Gas neue Chemikalien hergestellt werden.
Laut einer Studie des Öko-Instituts im Auftrag des NABU wäre eine Unterscheidung zwischen werkstofflichen Verfahren (mechanische Recyclingverfahren, Depolymerisierung, lösemittelbasierte Verfahren) und rohstofflichen Verfahren (Pyrolyse und Gasifikation) sinnvoll. Die beiden Gruppen unterscheiden sich insbesondere im Recyclingprodukt: Durch werkstoffliches Recycling entstehen feste Materialien wie Flocken, Pellets, Fasern bzw. komplexere, definierte Molekülstrukturen (Polymere oder Monomere). Durch rohstoffliches Recycling erhält man flüssige Kohlenwasserstoffgemische und Synthesegase, die viele weitere Prozessschritte benötigen, bevor sie zu neuen Produkten werden.
Viele der chemischen Verfahren sind allerdings gar nicht so neu: Bereits vor Jahrzehnten wurden Pyrolyse und Gasifizierung als mögliche Alternativen zur Verbrennung von Kunststoffen erforscht. Durch den sehr hohen Energieaufwand waren die Verfahren allerdings unwirtschaftlich und konnten sich nicht am Markt etablieren. Aktuell gibt es wieder viele Pilotanlagen und Forschungsprojekte zum Thema.
Die folgende Grafik zeigt das Verfahren der Depolymerisierung am Beispiel von Polyurethan aus Matratzen. Das Verfahren hat laut einer NABU-Studie zum Matratzenrecycling das Potenzial, Altmatratzen zu recyceln, statt zu verbrennen. Auch für Textilien ist es laut einer weiteren NABU-Studie zum Textilrecycling zukünftig eine wichtige Recyclingtechnologie.
Priorität: Abfallvermeidung und ökologisches Produktdesign
Für die Umwelt ist Abfallvermeidung immer besser als Recycling. Innerhalb der Recyclingtechnologien sind mechanische Verfahren den chemischen vorzuziehen, da sie sehr viel weniger Energie und Chemikalien benötigen. Über das Design lässt sich beeinflussen, wie leicht man ein Produkt am Ende recyceln kann (Design for Recycling). Dabei geht es beispielsweise um die Wahl der Materialien, Inhaltsstoffe, Druckfarben etc. Produkte und Verpackungen sollten so gestaltet werden, dass sie mit einem mechanischen Verfahren recycelt werden können.
Die Versprechen aus Teilen der Industrie, dass chemische Recyclingverfahren zukünftig unterschiedlichste Kunststoffe sowie Reste aus dem mechanischen Recycling verarbeiten können, sind mit Vorsicht zu genießen. Auch chemische Verfahren brauchen vorsortierte Materialien, die gewaschen, getrocknet und zerkleinert werden müssen.
Aufgrund des erheblichen energetischen und technischen Aufwands benötigen chemische Recyclingverfahren, insbesondere die Gasifikation, große Mengen an Kunststoffabfällen, um wirtschaftlich arbeiten zu können. Es besteht die Gefahr, dass hier nicht nur, wie von den Befürwortenden behauptet, bisher nicht recyclingfähige Kunststoffe eingesetzt werden. Eine Konkurrenz zum mechanischen Recycling ist daher nicht auszuschließen und aufgrund der schlechteren Umweltbilanz nicht gewünscht.
Differenzierung der Recyclingverfahren in der Abfallhierarchie
Damit chemische Verfahren ihre Vorteile bei der Schließung von Kunststoffkreisläufen dort ausspielen, wo mechanische Verfahren an ihre Grenzen kommen, bedarf es eines geeigneten politischen Rahmens und einer ökologisch gut gelenkten Führung der Stoffströme. In der Hierarchie der Recyclingverfahren haben mechanische Verfahren beim Kunststoffrecycling für den NABU Priorität. Chemische Verfahren sollten nur dort zum Einsatz kommen, wo mechanische Verfahren keine Option sind. Die EU-Abfallhierarchie sollte um eine Differenzierung der Recyclingverfahren ergänzt werden:
NABU-Forderungen
- Chemisches Recycling nur als Teil eines Gesamtkonzepts – Priorität: Abfallvermeidung und Wiederverwendung.
- Design-for-Recycling-Kriterien an mechanischem Recycling ausrichten – Fokus auf Schadstoffvermeidung.
- Mechanisches Recycling und Sortierung weiterentwickeln – besonders für kontaktsensible Anwendungen.
- Depolymerisierung ist ökologisch vorteilhafter als Pyrolyse/Gasifikation – sollte in EU-Abfallhierarchie berücksichtigt werden.
- Depolymerisierung gezielt fördern bei schwer mechanisch recycelbaren Abfällen (z. B. Textilien, Matratzen).
- Rezyklatgehalt realistisch berechnen – „Rolling Average“-Methode für Pyrolyse/Gasifikation, keine Anrechnung bei Kraftstoffnutzung.
- Klare Kennzeichnung des Rezyklatgehalts zur Vermeidung von Greenwashing.
- Leicht werkstofflich recycelbare Kunststoffe (z. B. Polyolefine) vorrangig mechanisch recyceln – keine Konkurrenz durch chemisches Recycling.
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