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Jetzt informieren!Maßnahmen gegen den Vogeltod an Glas
Scheiben als Vogelkiller und was man dagegen tun kann


Es herrscht ruhiger Vormittagsbetrieb am Futterhäuschen. Doch plötzlich gibt es Alarm. Eine Kohlmeise hat den heran streichenden Sperber zuerst entdeckt und ruft hoch ihr „siiiht“. Alle Kleinvögel fliegen so rasch wie möglich ins Gebüsch. Zwei Zeisige haben die Chance verpasst und streichen zum nahen Haus. Es sieht so aus, als habe dieses in der Mitte eine Lücke. Tatsächlich kann man hier durch das Haus hindurchsehen, durch das eine Fenster hinein, durch zwei offene Türen hindurch und jenseits durch die gläserne Balkontüre hinaus. Beide Vögel knallen in voller Fahrt gegen das geschlossene Fenster und sind in Sekunden tot.
Später entdeckt der Hausbesitzer die beiden toten Zeisige, ein Männchen und ein Weibchen. Schade um die beiden. Vorgestern lag dort ein Dompfaff, auch Amseln und ein Kernbeißer haben sich schon gefunden. Sie bekommen ein würdiges Begräbnis in der Gartenecke. Wieso hier bloß immer tote Vögel liegen? Die Katze hat sich auch schon einige davon geholt und nur ein paar Federn im Keller übrig gelassen.
Tod am Wartehäuschen
Szenenwechsel: Damit die Fahrgäste nicht im Regen stehen müssen, hat sich die Regionalbahn einen Ersatz für den alten Bahnhof ausgedacht – ein Wartehäuschen, verglast und elegant. In einem Nachbarort ist sogar der Unterstand für die Fahrräder gläsern. Auch hier liegt schon eine tote Amsel daneben. Sie ist offenbar in raschem Flug gegen die unsichtbare Scheibe geprallt.
Eine Amsel, so wird man sagen, ist doch nicht tragisch. Aber wie viele Vögel fliegen über das Jahr hin gegen diese Scheiben? Und wie viele sind es an allen Glasflächen des Landes? Es sind wohl über 100 Millionen pro Jahr (mehr dazu hier). Da kann man froh sein, wenn die Scheiben schmutzig sind, denn dann können die Vögel sie besser sehen. Wenn sie aber frisch auf Hochglanz poliert sind, dann wehe dem Vogel, der aus irgendeiner Richtung unter dem Dach des Häuschens hindurch fliegt.
Glas ist nicht nur unsichtbares Hindernis, durch das Vögel glauben hindurch fliegen zu können. Es reflektiert auch noch. Dann spiegeln Fensterscheiben einem Vogel Silhouetten von Bäumen und Büschen oder den freien Himmel vor. Ein weiterer Anlass, dass fliegende Vögel in die Falle gehen. Nachts ziehende Vögel fliegen zudem häufig gegen von innen beleuchtete Fenster, vor allem an höheren Gebäuden, da das Licht sie anzieht.
Die Abhilfe ist klar: Keine gläsernen Vogelfallen bauen. Bei jedem neuen Gebäude sollte darauf geachtet werden, dass keine für Vögel gefährlichen Durchsicht-Situationen entstehen, zum Beispiel bei verglasten Hausecken oder Balkongeländern. Außerdem müssen Spiegelungen durchbrochen werden, indem Glasscheiben für Vögel sichtbar gemacht werden. Am besten geschieht dies ebenfalls direkt mit dem Neubau, aber auch Bestandsgebäude lassen sich durch Vogelschutzmarkierungen vogelfreundlich nachrüsten. Vor allem in der direkten Umgebung größerer Glasflächen sollte auf attraktive Vegetation verzichtet werden, um Vögel nicht in die Nähe der Glasfronten zu locken.
Zum Glück gibt es sowohl für Neubauten als auch für bestehende Gebäude eine Reihe von Gegenmaßnahmen, die man ergreifen kann. Die aufgeklebten Silhouetten von Greifvögeln, die man so oft findet, nützen jedoch so gut wie nichts. Die Vögel erkennen in diesen Aufklebern keine natürlichen Feinde und fliegen oft direkt neben den Aufklebern auf die Scheibe.
Welche Gläser sind wirksam gegen Vogelschlag?

Diese dezenten Punkte am Fenster des Michael-Otto-Instituts Bergenhusen vom NABU schützen Vögel vor dem Gegenfliegen. - Foto: C. Schlüter
Um den Glastod von Rotkehlchen, Singdrossel und Co zu verringern, müssen Glasflächen für sie sichtbar gemacht werden . Dafür gibt es zahlreiche Möglichkeiten, die viel Raum für Kreativität und Gestaltungsmöglichkeiten bieten. Schon in der Bauplanung können volltransparente Glasflächen durch Milchglas oder Siebdrucke entschärft oder große Glasflächen durch davor angebrachte Brise-Soleil für Vögel sichtbar gemacht werden.
An bestehenden Glasflächen können unterschiedliche Markierungen zum Einsatz kommen, die nachträglich auf die Außenseite angebracht werden, damit sie auch bei Spiegelsituationen erkannt werden. Senkrechte Linien und Punktmuster haben sich bisher besonders bewährt. Als preiswerteste Lösung bieten sich halbtransparente („milchige“) Klebestreifen an. Der Abstand zwischen den Streifen sollte zehn Zentimeter nicht überschreiten.
Die Wiener Naturschutzbehörde hat in standardisierten Flugtunnelversuchen viele Markierungen auf ihre Wirksamkeit zur Verhinderung von Vogelschlag untersucht. Das Ergebnis hat sie als „geprüfte Muster“ veröffentlicht. Als Faustregeln lassen sich festlegen:
- Die Handflächenregel besagt, dass die Abstände zwischen Markierungselementen nicht größer als eine Hand breit sein sollten, damit ein Vogel nicht durch die vermeintliche Lücke versucht hindurchzufliegen.
- Unter den Farben wird orange unter vielen Bedingungen besonders gut wahrgenommen.
- Senkrechte Linien müssen mindestens fünf Millimeter breit sein (besser sechs Millimeter), bei maximal zehn Zentimetern Kantenabstand.
- Horizontale Linien müssen mindestens drei Millimeter breit sein, bei maximal drei Zentimetern Kantenabstand oder fünf Millimeter breit bei bis zu fünf Zentimetern Kantenabstand.

Dieses auffällige Muster an den Fenstern des NABU-Bodenseezentrums dient dem Vogelschutz - Foto: C. Wittor
So kann ein Fenster auch durch eigene Muster, die sich an den oben genannten Kriterien orientieren, gestaltet werden. Oder eine Glasfassade durch Vogelschutz zur Werbeplattform werden.“ Im privaten Bereich wird man schnell feststellen, welche Glasscheiben problematisch sind – zum Beispiel wenn sich ein bestimmter Busch oder Baum spiegelt. Dort kann man dann auch punktuell vorgehen und die betreffenden Scheiben entschärfen.
Nach aktuellem Wissensstand können viele Vogelarten zwar Licht im ultravioletten Bereich wahrnehmen. Aktuelle Untersuchungen im Freiland zeigen jedoch keine, wenn überhaupt eine schwache Schutzwirkung von UV-Markierungen auf Glasscheiben. Sowohl nachträglich aufgebrachte als auch in Glasscheiben integrierte UV-Licht reflektierenden Markierungen sind aufgrund ihrer zu geringen Wirksamkeit im Vergleich mit sichtbaren Vogelschutzmarkierungen daher gegenwärtig nicht zu empfehlen. Die Forschung zu für Vögel erkennbarem aber für Menschen durchsichtigem Glas wird jedoch weitergeführt.
Aufs Fensterputzen verzichten!
Auf Durchsicht beruhendes Unfallrisiko an Scheiben kann man auch ganz einfach dadurch vermeiden, dass man die Fenster von innen mit Gardinen, Jalousien, Rollos, Lamellenvorhängen und Ähnlichem für die Vögel sichtbar macht. Die allereinfachste und kostengünstigste Methode jedoch ist: Auf das Fensterputzen verzichten!
Für Vogel-Futterstellen gilt übrigens, diese nicht in der Nähe von großen Fenstern oder verglasten Veranden aufzustellen. Gerade bei plötzlichen Angriffen eines Sperbers fliegen dann viele Vögel auf der Flucht in den sicheren Tod. Auch im öffentlichen Raum, etwa an Lärmschutzwänden, verglasten Fahrradunterständen, Bus-Wartehäuschen oder öffentlichen Gebäuden können Vögel wirksam geschützt werden. Vogelfreunde sollten daher Hausverwaltungen oder Verkehrsbetriebe über die Gefahren informieren und Schutzmaßnahmen fordern. Eine eigene Dokumentation oder gar ein systematisches Monitoring von Anprallopfern kann diese Forderungen unterstützen.
Eine informative Broschüre der Schweizerischen Vogelwarte zum Thema Vogeltod an Glasflächen können Sie sich hier als PDF herunterladen.
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