Aus Afrika und Spanien machen sich die Weißstörche auf den Weg zu uns. Doch manche Nester bleiben leer. Kümmern wir uns gemeinsam darum, die Zugvögel auf ihrer weiten Reise zu schützen.
Mehr Informationen zur Patenschaft!Eine Verbindung der besonderen Art
Zum Verhältnis von Storch und Mensch
Der Mensch ist vom Storch über Jahrhunderte fasziniert. Der große und wie kaum ein anderes Wildtier sein Leben der menschlichen Aufmerksamkeit offen aussetzende Vogel bot sich an, ihm und seinem Verhaltensweisen Bedeutungsgehalt zuzuschreiben.
Einen tiefen psychologischen Einblick geben in der heutigen Zeit nicht zuletzt die unzähligen Werbeanzeigen, in denen der Storch genutzt wird, die angepriesene Ware „positiv aufzuladen“. Die Produktpalette, für die der Storch wirbt, ist unglaublich vielfältig: von Backwaren bis Bier, vom Familienauto bis zur Bausparkasse, vom Fensterhersteller über den Winzer bis hin zur Apotheke. Emotionale Anklänge von Fruchtbarkeit, Freude, Reinheit, Ursprünglichkeit, Natürlichkeit, Traditionsverbundenheit, Wärme und Liebenswürdigkeit sind es, die eingesetzt werden und uns durch Umgehung rationaler Prüfung auf direktem Wege unter die Haut gehen. Mit dem Kauf des Produktes erwerben wir ein Stück dieser positiven Eigenschaften.
Storchenland dank Waldrodung
Der Weißstorch lebte keineswegs schon immer bei uns. Sein Nahrungsgebiet, das möglichst feuchte offene Grünland, existiert als vom Menschen geschaffener Lebensraum erst kurze Zeit. Die Rodung der feuchten Au- und Bruchwälder in Flussnähe setzte im großen Stil zwischen 1000 und 1350 nach Christus ein. Nun konnte der Weißstorch richtig Fuß fassen und die damals noch nicht entwässerten Wiesen und Lebensräume der Niederungen nahrungssuchend durchschreiten. Der Weißstorch wanderte aus dem Südwesten und dem Osten ein, wo er als Baum- und Felsbrüter vorkam und einen vom Menschen weitgehend unbeeinflussten Lebensraum besiedelte, auf den ihn die Evolution ausgerichtet hatte.
Als für den Storch großflächig in unseren Breiten Nahrungsgebiete entstanden, besiedelte er nach vorsichtigen Erfahrungen „Kunstfelsen“, nämlich die Behausungen der Menschen. Diese ragten wie Felsen hoch aus der Landschaft heraus, konnten gut angeflogen werden und vermittelten dem Storch offenbar Sicherheit. Das war nur möglich, weil der Storch in unseren Breiten von Anfang an nicht bejagt wurde. Es fällt heute noch auf, dass der Storch mit seiner Brut zwar die Nähe des Menschen bis auf wenige Meter Abstand toleriert, ja sogar sucht, in der freien Landschaft weiterhin jedoch auf große Distanz flüchtet. Trotz der Nähe Storch-Mensch kann man nicht von einer Domestikation sprechen.
Frühlingsbote ohne Absicht
Beim Storch beginnt diese Vermenschlichung bereits, indem ihm als Frühlingsverkünder eine Botschafterrolle zugeschrieben wird, während er doch nur aus ureigenem Interesse im Frühling bei uns erscheint. Der Storch verkündet die länger und heller werdenden Tage, die neue Vegetationsperiode, aufs Engste verbunden mit dem „neuen Leben“, Geburt und Kindern.
Dieses Motiv scheint die Bedeutung eines weitreichenden und leicht verständlichen Naturgesetzes zu haben, Nachwuchs zum Frühling zu bekommen. Fast allein der Mensch als Art hat sich von bestimmten Zeiten des Gebärens und damit verbunden praktizierter Sexualität gelöst. Im Mythos vom Storch als dem Kinderbringer könnte sich der alte Rhythmus der Natur verbergen. Vordergründig wird der Storch dabei gern „missbraucht“: Der intime Zeugungsakt lässt sich dem fragenden Kind mit dem Storch bestens verleugnen.
Exhibitionist auf dem Dach
Aus einem Aufklärungsbuch mit Storch auf der Titelseite aus dem Jahre 1954 stammt das folgende, heute wie aus ferner Vorzeit wirkende Zitat: „Ein Sexualwissen der Jugend ist grundsätzlich unerwünscht, ja unnötig und nicht ungefährlich. Je weniger die Jugend vom Sexuellen im eigentlichen Sinne weiß, davon bewegt und umgetrieben wird, desto besser für sie und uns als Erzieher.“
Hintergründig wird im Bild vom Storch die Thematik der Sexualität ausgeblendet. Dem Bild vom Kinderbringer ist im Wesentlichen eigen, dass der männliche Erzeuger des gelieferten Babys – jedenfalls in sexueller Hinsicht – fehlt. Das Motiv der asexuellen Zeugung und Geburt findet sich in vielfältigen Varianten in der Kulturgeschichte. Unser Kulturkreis hält ein besonders berühmtes Beispiel bereit: Vor 2000 Jahren wurde im fernen Bethlehem ein solches Kind geboren, dessen Adoptivvater Josef wie eine nicht erforderliche Beigabe wirkt.
Storchentreue hat Grenzen
Im Gegenzug wurden Vorstellungen von Einehe und Treue auf den Storch übertragen. Man war überzeugt, er pflege eine lebenslange Partnerschaft, Monogamie nach höchsten moralischen und kirchlichen Ansprüchen. Vielerorts entstanden Fabeln, dass Störche einen „untreuen“ Artgenossen – auffälligerweise ist es dann immer die Störchin – in einem Storchengericht aburteilen und letztendlich töten.
Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, dass viele Menschen immer noch felsenfest meinen, jedes Jahr erscheine das gleiche, dem Haus und sich selbst treue Storchenpaar auf dem Dach. Trennung und Tod scheinen keine Rolle zu spielen, das individuelle Storchenpaar lebt ewig. Dagegen wissen wir aufgrund von Beringungsuntersuchungen heute, dass Störche häufig brutorttreu, jedoch keineswegs partnertreu sind.
Alfons R. Bense
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