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Störche und Wildschafe
NABU-Projekte in der Kaukasusrepublik Armenien
von Frauke Däuble
Extra: Steckbrief Armenien
Kleines Land, große Artenvielfalt. Kaum ein Haus, Kran oder Strommast im Arax-Tal ohne mindestens ein bewohntes Storchennest. Bienenfresser und Blauracken mit ihren bunten Gefiedern sind emsig auf Nahrungssuche. Bedrohte Arten wie Weißkopfruderente, Marmelente und Seeadler sind mit ein wenig Geduld ebenfalls zu entdecken.
Direkt auf einem Knotenpunkt von Flugrouten unzähliger Zugvögel gelegen, bot ehemals das breite Arax-Tal mit seinen Altarmen, Feuchtgebieten und Steppenseen der Vogelwelt reichlich Nahrung. Doch ab den 30er Jahren wurde durch Drainagemaßnahmen Wasser abgeführt, um Malaria und Cholera einzudämmen und zusätzliche Flächen zu kultivieren. Nur noch wenige Feuchtgebiete sind seither erhalten geblieben und so sind heute Fischteiche ein wichtiger Anziehungspunkt für Vögel.
NABU-Schwerpunktregion
Der Kaukasus ist eine der Schwerpunktregionen der internationalen Arbeit des NABU. Seit 2001 engagiert sich der NABU für den Naturschutz in Armenien. In den ersten Jahren stand die Unterstützung des armenischen Naturschutzministerium bei der Umsetzung internationaler Naturschutzkonventionen im Vordergrund. 2006 konnte die Zusammenarbeit durch die Durchführung gemeinsamer Projekte erweitert werden. Seit zwei Jahren arbeitet der NABU zudem mit dem Armenischen Vogelschutzbund (ASPB) zusammen. Die erst 2002 gegründete Nichtregierungsorganisation führt kompetent Vogeluntersuchungen und Umweltbildungsmaßnahmen durch. Für die Zukunft ist eine Kooperation zum Thema Ökotourismus geplant.
In der Arax-Niederung arbeitet der NABU mit dem Armenischen Naturschutzministerium und der Hilfe des ASPB an der Unterschutzstellung von Feuchtgebieten. Außerdem wird ein Pflege- und Entwicklungsplan erstellt, um zum Beispiel Fischteichbesitzern alternative Einkommensquellen zu erschließen. Fischfressende Vögel sind unter Fischzüchtern bekanntermaßen nicht sonderlich beliebt und werden daher bejagt. Ökotourismuskonzepte sollen entworfen werden, so dass die Besitzer von Fischteichen auch einen kommerziellen Nutzen aus dem Schutz der Tierwelt ziehen können.
Arbeitstreffen mit den zuständigen Gemeindevertretern und ortskundigen Naturwissenschaftlern fanden statt, so dass Ende des Jahres die Vorbereitung zur Unterschutzstellung des Feuchtgebietes Khorvirap im Arax-Tal abgeschlossen werden kann und für zwei weitere Gebiete ein Pflege- und Entwicklungsplan erstellt sein wird.
Zikaden und alpine Wiesen
Ortswechsel, es geht in die Höhe: Schwüle Hitze liegt über dem verlassenen Dorf, von dem nur noch Mauerreste erhalten sind. Vereinzelt steht eine alte Eiche am Dorfrand. Ansonsten sind keine schattenspendenden Bäume zu sehen. Im Tal rauscht ein Wildbach. Wasseramseln tauchen nach Nahrung, Zikaden zirpen. Die Hänge mit alpinen Wildblumenwiesen reichen bis in eine Höhe von über 3000 Metern.
Ein Bartgeier zieht seine Kreise durch die Luft. Weit oben, gut getarnt am Steilhang neben einer Schneefläche, ist eine Herde Mufflons zu erkennen. Am gegenüberliegenden Hang talaufwärts sonnen sich Bezoar-Ziegen im Windschatten eines Felsens. Die Bären schlafen tagsüber in ihren Verstecken und werden erst nach Einbruch der Dämmerung auf Nahrungssuche gehen. Es scheint ein Ort der Harmonie zu sein.
Hausschafe verdrängen Mufflons
Wir sind in Südarmenien unweit der Grenze zu Nachitschewan. Vor 100 Jahren waren hier an steilen Hängen Armenische Mufflons keine Seltenheit. Doch inzwischen ist das Wildschaf vom Aussterben bedroht. Wohl weniger als 200 Tiere haben überlebt. Schuld ist vor allem die landwirtschaftliche Nutzung der Lebensräume. Auf Flächen, in denen sich Mufflons bevorzugt aufhalten, weiden heute unzählige Hausschafherden. Wilderei stellt den zweiten bedeutenden Grund dar. Schon 1949 wurde zwar ein ganzjähriges Jagdverbot eingeführt. Doch was nutzt den Mufflons das Verbot, das in der Praxis so gut wie nicht kontrolliert wird. Ohne konkrete Schutzmaßnahmen werden die Wildschafe nicht überleben können.
Der NABU hat in Kooperation mit dem Armenischen Naturschutzministerium daher letztes Jahr ein Projekt zur Wildereibekämpfung gestartet, das von der Ursula-Merz-Stiftung finanziert wird. Eine Anti-Wilderer-Einheit, die mit der örtlichen Bevölkerung und der Polizei zusammenarbeitet, wurde bereits aufgebaut. Die Ranger wurden mit Ferngläsern ausgestattet und mehrmals in der Woche werden die Täler nun kontrolliert. Ein erfahrener Biologe führt regelmäßige Untersuchungen durch und informiert die Ranger über die aktuellen Standorte der Mufflons. Zudem wurden für die Kontrollrunden im Gelände Pferde angeschafft. Für die Zukunft plant der NABU das Projekt länderübergreifend fortzuführen, denn langfristig ist das Mufflon als wandernde Tierart nur durch grenzüberschreitende Maßnahmen zu schützen.
Steckbrief Armenien
Der Kaukasus zwischen Kaspischem und Schwarzem Meer ist das bedeutendste Zentrum für Artenvielfalt innerhalb Europas und West-Asiens. Im "Kleinen Kaukasus" liegt Armenien. Vulkankegel und Bergrücken wechseln sich mit Hochebenen und Flußauen ab. Im Norden grenzt das Land an Georgien, im Osten an Aserbaidschan, im Süden an den Iran und im Westen an die Türkei. Mit einer 29.800 Quadratkilometern ist Armenien nur etwa so groß wie Brandenburg. Von den 3,2 Millionen Armenien lebt rund die Hälfte in der Hauptstadt Eriwan.
Das christliche Armenien ist reich an kulturhistorischen und natürlichen Schätzen. Der Anbau von Kulturpflanzen blickt auf eine jahrtausendwährende Geschichte zurück. So ist es nicht verwunderlich, dass gerade in Armenien eine weltweit einzigartige Vielfalt von Kulturpflanzen-Wildformen zu finden ist. Birne, Pflaume, Weintraube, Walnuss, Pistazie, Linse, Weizen und Zwiebeln haben ihre Urheimat in Armenien.
Mit Lagen bis knapp 4000 Meter über Meereshöhe verfügt Armenien über eine ausgesprochen hohe Pflanzenvielfalt. Auf begrenztem Raum treffen arktische Tundren in den Hochgebirgen und Elemente mittelasiatischer Wüsten auf eurosibirische Steppen und sommergrüne Laubwälder. Über 6000 Gefäßpflanzenarten und 17.500 Tierarten wurden beschrieben. In entlegenen Hochgebirgsregionen konnten sich zudem einige seltene und vom Aussterben bedrohte Säugetierarten erhalten, darunter das Armenische Mufflon und der Kaukasus-Leopard.
Wirtschaftlich und sozial ist die Lage in Armenien sehr angespannt. Über die Hälfte der Menschen leben unterhalb der Armutsgrenze. Wälder wurden wegen Brennstoffmangels radikal abgeholzt. Zusätzlich zerstört intensive Weidewirtschaft natürliche Lebensräume. Auch Wilderei ist heute eine ernstzunehmendes Problem für die Artenvielfalt.