Am Unteren Niederrhein ist ein wichtiges Brutgebiet für den stark gefährdeten Kiebitz – doch auch hier lauern viele Gefahren. Bitte helfen Sie dabei, die Kinderstuben des kleinen Vogels zu schützen!
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Die Grube Messel ist Deutschlands ältestes Weltnaturerbe-Gebiet
Extras: Messel besuchen | 31 mal Welterbe
Allzu spektakulär ist der Blick von der Aussichtsplattform nicht. Ein Loch in der Landschaft eben, wie es beim Tagebau entsteht, rund 70 Meter tief und 1000 mal 700 Meter breit. Immerhin haben Pflanzen und Tiere begonnen, sich den Lebensraum Grube zurückzuerobern. Die Böschungen bewalden sich langsam, in der Sohle sind kleine Wasserflächen entstanden. Kreuzkröten und Gelbbauchunken leben hier, Königslibellen und Granataugen weiß Ingrid Hoffmann vom NABU Darmstadt aufzuzählen, die seit Stilllegung der Grube die Entwicklung der Natur beobachtet.
Explosion vor 47 Millionen Jahren
Doch der allenfalls regional bedeutsamen Kreuzkröten wegen wurde die Grube Messel - rund 20 Kilometer südlich von Frankfurt gelegen - nicht zum Weltnaturerbe gekürt. Die Naturwunder Messels liegen in der Erde, genauer im Ölschiefer. "Was Pompei für die Archäologie ist, ist Messel für die Paläntologie", schwärmen Fachleute. Nirgendwo sonst sind so viele, so vielfältige und vor allem so phantastisch erhaltene versteinerte Tiere und Pflanzen aus vergangenen Zeitaltern zu finden. "Die Skelette sind oft noch so vollständig, als ob sich die Tiere zum Schlafen auf den Seeboden gelegt hätten", beschreibt Forschungsleiter Dr. Franz-Jürgen Harms das Einzigartige der Situation.
Immerhin ist es bereits 47 Millionen Jahre her, dass sich in Messel die ersten Tiere im See schlafen legten. Lange war nicht klar, wie genau dieser Messeler See entstanden ist. Erst eine Tiefenbohrung im Jahr 2001 brachte Gewissheit: Der Messeler See war ein Vulkanmaar, ähnlich wie die bekannten Maare in der Eifel. Heißes Magma traf auf dem Weg zur Erdoberfläche auf Grundwasser, so dass eine gewaltige Dampfexplosion ein Kraterloch riss, das sich später mit Wasser füllte.
Krokodile im Tropensee
Der anfangs 190 Meter tiefe See befand sich in einer weitgehend ebenen Landschaft, die Pflanzenfunde lassen auf einen dichten tropischen Wald schließen, ähnlich wie man ihn heute in Südostasien findet. Zahlreiche Krokodile und große Wasserschildkröten lebten darin, Halbaffen und Ameisenbären, igelähnliche Insektenfresser, Fledermäuse und erstaunlich viele Vogelarten besiedelten die angrenzenden Wälder. Immerhin waren die Durchschnittstemperaturen damals rund zehn Grad Celsius höher als heute und Messel lag zudem ungefähr auf der geografischen Höhe von Sizilien. Erst im Laufe der Kontinentalverschiebung gelangte der ehemalige See so weit nach Norden.
Der Messeler See war ungewöhnlich langlebig, er existierte ohne größere Störungen mindestens eine Million Jahre lang. Mehr als genug Zeit also, um den See zu einem riesigen Tier- und Pflanzenfriedhof werden zu lassen. Unter den sauerstofffreien Bedingungen des Seegrundes wurde die organische Substanz wenig oder nur ganz langsam zersetzt, darüber lagerten sich immer wieder feine Tonpartikel und absterbende Grünalgen in dünnen Schichten ab. Unter dem steigenden Druck des Substrates entstand so schließlich der Ölschiefer.
Geburtsstunde der Säugetiere
Die Messeler Fossilien sind auch deswegen so reichhaltig, weil der See zu einem Zeitpunkt existierte, als es zu einer gewaltigen Artenzunahme kam. Nur wenige Millionen Jahre zuvor waren die Dinosaurier ausgestorben; da die Evolution ein Weilchen brauchte, darauf zu reagieren, waren genau jetzt die Säugetiere dabei, die von den Dinosauriern hinterlassenen Lücken einzunehmen und dabei zahlreiche spezialisierte Arten auszubilden. In Messel wird man praktisch Zeuge der Geburtsstunde der Säugetiere.
Star unter den Messelfossilien ist zweifellos das Urpferdchen, von dem hier bereits 70 meist vollständige Skelette gefunden wurden - darunter sogar eine Stute, die noch ein ungeborenes Fohlen im Bauch trägt. Die Urpferdchen waren nicht größer als ein Foxterrier, sie hatten noch keine Hufe, sondern Zehen - je vier an den Vorderbeinen und drei an den Hinterbeinen. Die Gebisse und die versteinerten Mageninhalte zeigen, dass die Urpferdchen Waldbewohner waren, die sich von Laub und Früchten ernährten.
Welterbe als Mülldeponie
Der Messeler Schätze wurde man erst gewahr, als Ende des 19. Jahrhunderts der Abbau des Ölschiefers begann, um daraus Teer und Paraffin, später auch Benzin, Diesel und Heizöl zu gewinnen. Zunächst ließen sich die Fossilienfunde kaum bewahren, weil der stark wasserhaltige Ölschiefer bei Austrocknung rasch zerfällt. Erst die Entwicklung eines neuen Vefahrens, bei dem die Fossilien in Kunstharz umgebettet werden, brachte gegen 1960 den Durchbruch.
Zum Ende des Ölschieferabbaus war schließlich ein 25 Millionen Kubikmeter großes Loch entstanden, was die hessischen Landespolitiker auf die grandiose Idee kommen ließ, hier eine Mülldeponie einzurichten. Dem fast 20 Jahre langen Kampf einer Bürgerinitiative unter dem Motto "Mülldepo-Nie!" ist es zu verdanken, dass die Politik von dem Vorhaben abließ. Heute erinnert daran nur noch eine große Schotterfläche am Grubenboden, die bereits als Deponiebasis eingebracht worden war, bevor Bürgerinitiative und Gerichte die Pläne stoppten. Das Land Hessen hat schließlich die Grube gekauft und der Senckenbergischen Naturforschenden Gesellschaft zur weiteren wissenschaftlichen Bearbeitung übergeben. 1995 wurde die Grube Messel dann von der UNESCO zum Weltnaturerbe erklärt.
von Helge May
Messel besuchen
Die Messeler Fossilien vom Käfer bis zum Urpferdchen sind in Dauerausstellungen im Hessischen Landesmuseum in Darmstadt, im Frankfurter Senckenberg-Museum und im Heimatmuseum Messel zu sehen. An der Grube selbst gibt es zur Zeit lediglich eine Aussichtsplattform und eine Infobox. Führungen in die Grube finden während der Saison von Anfang April bis Ende Oktober statt, entweder nach Voranmeldung oder als Kurzführung ab Infobox fest jeden Samstag und Sonntag um 15 Uhr. Genaue Infos mit allen Terminen und Kosten unter www.grube-messel.de.
31 mal Welterbe
Die Grube Messel ist eine von inzwischen 31 Welterbestätten in Deutschland, zuletzt wurden das Dresdner Elbtal und der Limes in die Welterbeliste der Vereinten Nationen aufgenommen. Die meisten deutschen Welterbestätten würdigen Kulturleistungen wie den Kölner Dom oder die Altstadt von Bamberg, Messel ist das bisher einzige deutsche Welt-Naturerbe. Allerdings spielen beim Mittelrheintal, dem Muskauer Pückler-Park und dem Wörlitzer Gartenreich vom Menschen geformte Natur und Landschaft eine zentrale Rolle. Diese Welterbestätten werden wir in loser Reihenfolge in den nächsten Ausgaben vorstellen.
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