8 Hektar junger Eichenwald stehen am Tollensesee zum Verkauf. Genau jetzt zum Fest. Wenn wir sie gemeinsam erwerben, kann er sich zum für alle Zeit ungestörten, artenreichen Urwald entwickeln.
Jetzt spenden!Kunststoff im Kreislauf – Die Reise geht weiter
Nachbericht zum NABU-Dialogforum Kreislaufwirtschaft 2019
Knapp ein Dreivierteljahr nach Inkrafttreten des Verpackungsgesetzes und vor dem Hintergrund der öffentlichen Debatte über die ökologischen Folgen von Plastikkonsum und -verschmutzung diskutierten etwa 100 interessierte Teilnehmer*innen am 25. September 2019 in Berlin das Thema „Kunststoff im Kreislauf – Die Reise geht weiter“. Trotz vieler Steine, die in jüngster Zeit ins Rollen gebracht wurden, um ein hochwertiges Recycling und einen ökologischeren Umgang mit Ressourcen anzustoßen, zeigte die Veranstaltung, woran es noch mangelt. Neben der konsequenten recyclingfähigen Gestaltung von Verpackungen und Produkten wurden weitere politische Handlungsvorgaben – etwa in Form einer Rezyklateinsatzquote – gefordert, um Kunststoffe zukünftig ressourcen- und klimaschonend im Kreislauf zu führen. Betont wurden die Rolle der Kreislaufwirtschaft bei der Erreichung des 1,5-Grad-Ziels und das Versäumnis der Bundesregierung, dies im gerade vorgestellten Klimaschutzpaket zu berücksichtigen.
In seinen Begrüßungsworten machte NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller deutlich, dass für mehr Abfallvermeidung und Kunststoffrecycling besseres Ordnungsrecht von Nöten sei. Michael Wiener vom Grünen Punkt begrüßte das Publikum mit dem Hinweis auf das enorme Potential zur CO2-Einsparung, das in der Kreislaufwirtschaft allgemein und speziell im Kunststoffrecycling liege. In seiner Keynote betonte Prof. Dr. Tilman Santarius, Professor an der TU Berlin mit dem Forschungsschwerpunkt Digitalisierung und Nachhaltigkeit, neben den Chancen der Digitalisierung für eine Kreislaufwirtschaft auch die Schwierigkeiten für das Recycling, die mit der steigenden Komplexität digitaler Geräte einhergehen.
Was müssen die Hersteller tun?
Im folgenden Veranstaltungsblock zeigte Dr. Joachim Christiani, Geschäftsführer des Institutes cyclos-HTP, anhand einiger Beispiele aus der Praxis, wie Verpackungen gemäß §21 des Verpackungsgesetzes nachhaltiger gestaltet werden können. Gleichzeitig mahnte er, ohne Änderungen beim Verpackungsdesign hin zu einer besseren Recyclingfähigkeit könnten die gesetzlichen Quoten nicht erreicht werden.
Dr. Helge Wendenburg, Vorsitzender des Beirates des NAGUS im DIN und Ministerialdirektor a.D., brachte dem Publikum anschließend die Bedeutung von Standards im Markt der Kunststoffrezyklate näher. Neben deren Rolle bei der öffentlichen Beschaffung und der Qualifizierung von Rezyklaten für den Einsatz als Lebensmittelkontaktmaterial brachte er die oft unterschätzten Potentiale des untergesetzlichen Bereichs an.
Welche Maßnahmen ergreift die Politik?
Die Sicht des Umweltministeriums legte im nächsten Block Dr. Christoph Epping, Unterabteilungsleiter Ressourcenschutz und Kreislaufwirtschaft im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit, dar. Dabei betonte er die Vielschichtigkeit des Problems und die Notwendigkeit, dieses mit einem Bündel verschiedener Maßnahmen sowohl auf internationaler, nationaler und kommunaler Ebene anzugehen. In diesem Zusammenhang wies er auf die bisherigen Aktivitäten des Umweltministeriums hin und forderte die Erarbeitung einer globalen, völkerrechtlich bindenden Plastikkonvention. Die Einführung einer Rezyklateinsatzquote auf nationaler Ebene sei hingegen schwierig umzusetzen, da dies im europäischen Kontext als protektionistisch bewertet werden würde.
Welche Rolle spielen Verbraucher*innen?
Nach der Mittagspause diskutierten Elke Salzmann, Referentin für Ressourcenschutz vom Verbraucherzentrale Bundesverband, Dr. Torsten Mertins, Referent für Kreislaufwirtschaft vom Deutschen Landkreistag, und Martina Lützeler-Pauli, Leiterin Werbung vom Grünen Punkt, über die Rolle der Verbraucherinnen und Verbraucher auf dem Weg zur Kreislaufwirtschaft.
Elke Salzmann bekräftigte die Verantwortung der Hersteller, des Handels und des Gesetzgebers, für die Verfügbarkeit umweltfreundlicherer Verpackungen zu sorgen. Sie betonte die aktuelle Sensibilität der Verbraucher*innen für das Thema. Ehrgeizige Recyclingziele und mehr Produkte mit höherem Rezyklatanteil müssten die Bürger*innen motivieren mitzuhelfen und ordnungsgemäß zu trennen. Als großes Hindernis bei der Abfalltrennung nannte Torsten Mertins deren Komplexität und stellte diesbezüglich die Wichtigkeit der Abfallberatung in den Vordergrund. Eine Steuerung über kommunale Abgaben sei hingegen vergleichsweise schwierig, urteilte er. Martina Lützeler-Pauli verdeutlichte ebenfalls die Wirkung von Informationskampagnen und stellte in einem kurzen Vortrag das Pilotprojekt der Dualen Systeme in Euskirchen vor, wo durch eine mediale Werbekampagne die Trennung von Verpackungsabfällen deutlich verbessert werden konnte.
Welche Verantwortung trägt die Entsorgungswirtschaft?
Im nächsten Tagungsblock setzte sich Thomas Obermeier, CEO von TOM M+C und Ehrenpräsident der Deutschen Gesellschaft für Abfallwirtschaft, mit der Frage „Schaffen wir in Deutschland die europäischen Recyclingziele?“ auseinander. Seiner Einschätzung nach werde Deutschland mit dem neuen Berechnungsverfahren eine Recyclingquote bei Siedlungsabfällen von rund 50 Prozent erreichen und das Recyclingziel von 55 Prozent im Jahr 2025 verfehlen. Chancen, die Recyclingquoten zu erhöhen sehe er durch ein gesteigertes Recycling von Gewerbeabfällen und Verpackungsabfällen sowie durch die Erhöhung der getrennten Bioabfallerfassung.
Sascha Roth, Referent für Umweltpolitik beim NABU, diskutierte anhand einer kürzlich vom NABU veröffentlichten Studie die Zukunft der Müllverbrennung in einer Kreislaufwirtschaft. Allein durch den Vollzug der geltenden Abfallgesetze könne die Menge verbrannter Abfälle um fünf Millionen Tonnen reduziert werden, das entspricht einem Fünftel der Verbrennungskapazitäten. Im Weiteren plädierte er für ambitionierte politische Rahmensetzungen, zum Beispiel in Form verbindlicher Abfallreduktionsziele oder Rezyklateinsatzquoten.
Wohin geht die Reise?
Am Nachmittag sprach Timothy Glaz, Leiter Corporate Affairs bei Werner & Mertz, über die wirtschaftlichen und ökologischen Vorteile werkstofflicher Ressourcennutzung und betonte wiederum die Notwendigkeit von Kreislaufwirtschaft für die Erreichung des 1,5-Grad-Ziels. An die Politik stellte er die Forderung den §21 des Verpackungsgesetzes zu überarbeiten. Unter anderem müssten Begriffe wie „Rezyklat“ und „hochwertiges Recycling“ eindeutig definiert werden.
Dr. Andreas Mäurer, Abteilungsleiter Polymer-Recycling beim Fraunhofer IVV, stellte das lösemittelbasierte Recyclingverfahren CreaSolv® vor, welches das Recycling von Verbundfolien ermöglicht. Der Prozess erzeuge geruchs- und störstofffreie, sortenreine und hochqualitative Kunststoffrezyklate und könne zum Beispiel im Bereich Verpackungsabfälle oder Elektroaltgeräte Anwendung finden.
Für den letzten Programmpunkt des Tages kamen neben den beiden vorherigen Rednern außerdem Dr. Ina-Maria Becker, Leiterin Produktmanagement beim Grünen Punkt, Günter Dehoust, Senior Researcher im Bereich Ressourcen & Mobilität am Öko-Institut, und Sascha Roth vom NABU zu einer Podiumsdiskussion zusammen. Es wurde intensiv über aktuelle und zukünftige Ansätze für eine Kreislaufwirtschaft von Kunststoffen debattiert und insbesondere werkstoffliche und chemische Recyclingansätze thematisiert. Dr. Ina-Maria Becker plädierte für eine klare Begriffsdefinition für Rezyklate. Dr. Andreas Mäurer rief die Dualen Systeme zu mehr Transparenz bei der Quotenberechnung auf. Timothy Glaz betonte, Verpackungen müssten simplifiziert werden, um mehr hochwertiges Recycling zu ermöglichen, während Günter Dehoust die Wichtigkeit des Vollzugs bereits geltender Gesetze bekräftigte und die Einführung einer Ressourcensteuer vorschlug. Sascha Roth stellte neben der Abfallvermeidung auch die Verantwortung der Inverkehrbringer in Ländern ohne ausreichende Entsorgungsstrukturen in den Vordergrund.
Das Dialogforum machte deutlich, dass viele Ideen für eine bessere Kreislaufwirtschaft auf dem Tisch liegen. Es bedarf jedoch ambitionierter politischer Vorgaben, damit diese ihr Potenzial für mehr Ressourcen- und Klimaschutz entfalten können. Dabei geht es nicht nur darum, das Recycling von Kunststoffabfällen auszubauen, sondern auch Abfallvermeidung und Wiederverwendung zu stärken.
DOWNLOAD DER PRÄSENTATIONEN
Produkte wiederverwenden sowie Abfälle vermeiden und recyceln – das sind die Schlüssel für Ressourcen- und Klimaschutz. Mit der Novellierung des Kreislaufwirtschaftsgesetzes hat es die Bundesregierung in der Hand, hierfür den politischen Rahmen zu setzen. Der bisherige Entwurf geht jedoch nicht weit genug. Mehr →
In Deutschland werden jährlich mehr als 26 Millionen Tonnen Abfälle in Müllverbrennungsanlagen und Ersatzbrennstoff-Kraftwerken verbrannt. Bis zu einer echten Kreislaufwirtschaft ist es noch ein weiter Weg. Mehr →
Unsere Plastikabfälle werden nicht nur innerhalb Deutschlands entsorgt und verwertet. Ein beträchtlicher Teil wird exportiert. Insbesondere Ausfuhren in Länder wie Malaysia oder die Türkei sind problematisch und müssen dringend reguliert werden. Mehr →