Podiumsdiskussion mit Dr. Karsten Sach, Herwart Wilms, Lisa Badum, Hanna Gersmann (Moderatorin), Michael Thews und Sascha Roth. - Foto: NABU/C. Held
Kreisläufe schließen – Klima schützen
Nachbericht zum parlamentarischen Abend
Mit knapp 120 teilnehmenden Personen stieß der parlamentarische Abend „Kreisläufe schließen – Klima schützen“ in der taz Kantine auf großes Interesse. Kein Wunder angesichts der tagespolitischen Relevanz des Themas: Das Kreislaufwirtschaftsgesetz befindet sich in der Novellierung und das Klimaschutzgesetz in der Erarbeitung. Dennoch werden Kreislaufwirtschaft und Klimaschutz häufig nicht zusammen gedacht, sondern getrennt diskutiert. Auftrag des parlamentarischen Abends war deshalb, die Bedeutung der Kreislaufwirtschaft für den Klimaschutz zu betonen, um dadurch beim Recycling voranzukommen und CO2-Emissionen einzusparen.
Olaf Tschimpke, NABU-Präsident,kritisierte in seinen Begrüßungsworten, dass die Kreislaufwirtschaft bei Klimaschutzmaßnahmen nicht mitgedacht werde. Alte Windkraftanlagen, die zunehmend vom Netz genommen werden, können nicht recycelt und müssen aufwendig entsorgt werden. Er plädierte für eine Stärkung der Kreislaufwirtschaft im Klimaschutzgesetz.
Herwart Wilms, Geschäftsführer von REMONDIS, wies in seiner Eröffnung auf das immense Klimaschutzpotenzial von Recycling hin. Wenn man die aktuelle Einsatzmenge von Recyclingsrohstoffen in Deutschland verdoppeln würde, ließen sich über 60 Millionen Tonnen CO2 einsparen.
In einer thematischen Einführung betonte Sascha Roth, NABU-Referent für Umweltpolitik, die Wichtigkeit der Abfallhierarchie für den Klimaschutz. Die Abfallverbrennung in Deutschland verursache jährliche Emissionen von etwa neun Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten. Das Recycling müsse deshalb gestärkt werden, indem die Getrenntsammlung von Abfällen und die Produzentenverantwortung ausgeweitet sowie Recyclingquoten erhöht werden. Zusätzlich müssten Abfälle vermieden und Produkte wiederverwendet werden.
Anschließend präsentierten Günter Dehoust vom Öko-Institut und Holger Alwast von Alwast Consulting eine neue Studie zur Rolle der Müllverbrennung in der Kreislaufwirtschaft. Diese wurde im Auftrag des NABU erstellt. Die Studie zeigt, mit welchen Maßnahmen die benötigten Verbrennungskapazitäten in Deutschland reduziert werden können. So müssten beispielsweise allein durch die Umsetzung bestehender Abfallgesetze zwanzig Prozent weniger Abfälle verbrannt werden.
Eine Zusammenfassung der Studie ist hier zu finden.
In einer anschließenden Podiumsdiskussion, moderiert von Hanna Gersmann, wurden das Zusammenspiel von Kreislaufwirtschaft und Klimaschutz sowie die NABU-Studie intensiv diskutiert.
Dr. Karsten Sach, Abteilungsleiter Klimaschutz im Bundesumweltministerium, kritisierte, dass Gesetze, die auf Bundesebene verabschiedet werden, oftmals nicht auf Länder- und kommunaler Ebene umgesetzt würden. Er forderte eine strengere Kommunalaufsicht, die für den Gesetzesvollzug beispielsweise bei der Getrenntsammlungspflicht von Bioabfällen oder der Gewerbeabfallverordnung sorgen. Durch Umsetzung bestehender Abfallgesetze lässt sich bereits ein großer Teil des Klimaschutzpotenzials der Kreislaufwirtschaft heben, wie auch die NABU-Studie belegt.
Herwart Wilms forderte ein Maßnahmenbündel zur Stärkung der Kreislaufwirtschaft. Recyclingfähige Produkte und der Einsatz von Recyclaten müssten am Markt besser gestellt werden. Ein „Design for Recycling“ würde in der Produktion aktuell nicht mitgedacht werden. Beispiele hierfür sind Rotorblätter von Windrädern oder Lithium-Ionen-Batterien, die zunehmend als Abfall anfallen, jedoch entweder nicht recycelt werden können oder in die falschen Abfallfraktionen gelangen und dort Probleme verursachen. Für die Batterien forderte Wilms die Einführung einer Pfandpflicht. Um die Nachfrage nach Recyclingprodukten zu stärken, bedürfe es außerdem einer nachhaltigen öffentlichen Beschaffung. Auch sprach sich Wilms für ein Label aus, das Verbraucherinnen und Verbraucher über recyclingfähige Produkte und Produkte mit Recyclatanteil informiere. Angesprochen auf die NABU-Studie erläuterte Wilms die Notwendigkeit der Müllverbrennung, beispielsweise zur Entsorgung gefährlicher Abfälle, betonte aber, dass die Zukunftsvision von REMONDIS das Recycling sei.
Lisa Badum, Bundestagsabgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen, bestätigte, dass die Kreislaufwirtschaft bislang eine untergeordnete Rolle in der Klimapolitik spiele. Die Diskussion beschränke sich vorrangig auf Fortschritte bei der Abfalldeponierung, durch die die Emission von Deponiegasen reduziert wurde. Badum forderte, dass die stoffliche Nutzung von Rohöl, etwa zur Plastikproduktion, nicht weiter steuerfrei sein dürfe. Darüber hinaus trat sie für eine Rohstoffabgabe ein, um den Rohstoffeinsatz generell zu reduzieren und Abfälle zu vermeiden. Badum kritisierte, dass die Müllverbrennung von einigen Interessenvertretern als erneuerbarer Strom- und Wärmelieferant propagiert würde, obwohl erhebliche Anteile fossiler Energieträger dabei verbrannt werden.
Michael Thews, Bundestagsabgeordneter der SPD, räumte ein, dass das Kreislaufwirtschaftsgesetz noch zu wenige Klimaschutzaspekte enthalte. Insbesondere Plastikrecycling wiese ein großes Klimapotenzial auf. Ein Instrument, um dieses Potenzial zu heben, sei eine CO2-Bepreisung. Er betonte außerdem die Innovationskraft der deutschen Kreislauf- und Abfallwirtschaft, die sich in Weltleitmessen wie der IFAT oder der K äußere. Die deutsche Kreislaufwirtschaft habe ein großes Wertschöpfungspotenzial, schaffe Arbeitsplätze und könne sich zum Exportschlager entwickeln.
Sascha Roth wies darauf hin, dass die Produktion von Recyclingmaterial noch nicht den Kreislauf schließe, denn die Recyclate fänden oftmals keine Abnehmer auf dem Markt. Stattdessen setzten Hersteller weiterhin vorrangig Neumaterial ein. Es bedarf daher einer Recyclateinsatzquote, die einen Mindestanteil an Recyclingmaterial in Produkten vorschreibt. Auch müsse mittels verbindlicher Abfallvermeidungsziele die Gesamtmenge an Abfällen reduziert werden, um Klima und Ressourcen zu entlasten. Hierzu ergänzte Michael Thews, dass Maßnahmen zur Abfallvermeidung über einen Fonds, der sich aus den Lizenzabgaben der Verpackungshersteller speist, finanziert werden könnten.
Die Diskussion verdeutlichte, dass bei vielen Themen wie zum Beispiel der Recyclateinsatzquote oder einer stärkeren Kommunalaufsicht große Einigkeit unter den Diskutanten herrschte. Politik und Verwaltung müssen dies aufnehmen und Maßnahmen umsetzen, damit die Kreislaufwirtschaft sowohl Ressourcen als auch Klima schützen kann.
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