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Jetzt spenden!Kreislauf statt Kollaps
Online-Veranstaltung zur umweltfreundlichen öffentlichen Beschaffung
Die nachhaltige öffentliche Beschaffung ist ein mächtiges Instrument, um die Nachfrage nach umweltfreundlichen Produkten und Dienstleistungen gezielt zu stärken. Insbesondere in der Kreislaufwirtschaft kann der öffentliche Sektor eine Vorreiterrolle einnehmen und einen wirksamen Beitrag zu Klimaschutz und Ressourcenschonung leisten. Die Beschaffungspraxis sieht jedoch anders aus. Kommunen, Länder und Bund schöpfen aktuell noch nicht das ökologische Potenzial ihrer Marktmacht von jährlich über 350 Milliarden Euro aus.
Damit sich dies ändert, haben NABU und green care PROFESSIONAL zu der Online-Veranstaltung „Kreislauf statt Kollaps! Politische Klarheit für eine umweltfreundliche öffentliche Beschaffung“ am 14. April 2021 eingeladen. Auf der zweistündigen Veranstaltung, moderiert von Hanna Gersmann, berichteten Vertreter aus Wissenschaft und Praxis über die Treiber und Hürden einer besseren Beschaffung und traten in den Dialog mit Mitgliedern des Bundestags und dem Umweltbundesamt.
Thomas Ulbricht, CEO Werner & Mertz Professional/tana-Chemie GmbH, betonte in seinem Grußwort die Bedeutung eines verbindlichen rechtlichen Rahmens für die umweltfreundliche öffentliche Beschaffung. Mit dem Kreislaufwirtschaftsgesetz, das die Pflicht enthält, umweltfreundliche Produkte zu bevorzugen, sei ein wichtiger Schritt gemacht. Jedoch enthalte das Gesetz zu viele schwammige Ausnahmen, etwa dass die Beschaffung nicht zu unzumutbaren Mehrkosten führen dürfe. Der Wille sei bei vielen Beschaffer*innen da, das Wissen fehle jedoch. Notwendig hierfür seien konkrete Hilfestellungen wie Praxisbeispiele und Leitfäden.
Michael Schäfer, Fachbereichsleiter Klima-/Umweltpolitik beim NABU, formulierte vier Thesen zur Beschaffung: Zum einen müssten Angebot von und Nachfrage nach umweltfreundlichen Produkten gleichzeitig ausgebaut werden. Die Nachfrage in Form verbindlicher Vorgaben für die Beschaffung, das Angebot durch eine ambitionierte Produktpolitik, etwa mit Mindestquoten für den Rezyklateinsatz. Zweitens müsse der Fokus einer kreislauforientierten Beschaffung nicht nur auf dem Recycling, sondern auch auf langlebigen, reparierbaren und Second-Hand-Produkten liegen. Drittens müsse nicht nur die öffentliche Hand ihrer Verantwortung nachkommen, sondern auch die Beschaffung in Unternehmen und Verbänden nachhaltig ausgerichtet werden. Und viertens sollten die politischen Maßnahmen weiterentwickelt werden. So müsse die Beweislast umgekehrt werden, damit zukünftig Beschaffer*innen begründen müssen, wenn sie nicht umweltfreundlich einkaufen.
Prof. Dr. Michael Eßig und Prof. Dr. Christian von Deimling von der Universität der Bundeswehr präsentierten in ihrem Vortrag Ergebnisse von Forschungsarbeiten zur öffentlichen Beschaffung. Etwa die Hälfte aller Vergaben im Oberschwellenbereich in der EU wird nach dem Kriterium des günstigsten Angebots vergeben. Ökologische Zuschlagskriterien finden sich nur bei einem kleinen Teil der Vergaben. Ein wesentlicher Mangel ist das fehlende Berufsbild eines/einer öffentlichen Beschaffer*in. Laut Aussage der Referenten fehle es an dezidierter Ausbildung zur umweltfreundlichen Beschaffung sowie an finanziellen und personellen Ressourcen. Eine strategische ökologische Ausrichtung der öffentlichen Beschaffung sei daher elementar.
Dr. Benjamin Bongardt, Referatsleiter für umweltfreundliche Beschaffung bei der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz Berlin, stellte die Beschaffungspraxis in Berlin vor und betonte den Dreiklang von „Verlangen“, „Schulen“ und „Nachhalten“ beim umweltfreundlichen Einkauf in Behörden. Die Berliner Verwaltungsvorschrift Beschaffung und Umwelt bezieht sich auf Liefer-, Dienst-, Bau- und Planungsleistungen und enthält 65 Leistungsblätter, die der gesamten Berliner Beschaffung an die Hand gegeben werden. Benjamin Bongardt betonte die Wichtigkeit von Schulungen, um zu gewährleisten, dass die Vorgaben der Verwaltungsvorschriften auch tatsächlich umgesetzt werden.
In der anschließenden Diskussionsrunde unter dem Titel „Problem gelöst? Der Weg vom Kreislaufwirtschaftsgesetz in die Beschaffungspraxis“ erläuterte Michael Thews, Mitglied des Bundestags (SPD), dass er im Zuge der Novellierung des Kreislaufwirtschaftsgesetzes unterlegenen Bietern gerne ein Klagerecht eingeräumt hätte, dies jedoch vom Bundeswirtschaftsministerium unterbunden wurde. Es bestehe somit weiterhin Nachbesserungsbedarf am rechtlichen Rahmen. Um das Angebot an Produkten aus Recyclingmaterial zu fördern, sei außerdem eine Rezyklateinsatzquote auf Bundes- oder EU-Ebene notwendig. Das Kreislaufwirtschaftsgesetz müsse nun in Form von Verwaltungsvorschriften und Erläuterungen für die Beschaffungspraxis konkretisiert werden.
Oliver Krischer, Mitglied des Bundestags (Bündnis 90/Die Grünen), äußerte zwei Kernforderungen. Zum einen müsse der Beschaffungsprozess vereinfacht werden, indem durch die Einführung von Produktpässen mehr Transparenz geschaffen werde. In Kombination mit Labels würde dies den Beschaffer*innen die Auswahl der umweltfreundlichsten Produkte erleichtern. Zum anderen müsse durch eine Umkehr der Beweispflicht die Pflicht zur umweltfreundlichen Beschaffung verbindlicher gemacht werden.
Für das Umweltbundesamt präsentierte Dr. Kristin Stechemesser die Hilfestellung, die den Beschaffer*innen zur Verfügung gestellt werden, um die Vorgaben des Kreislaufwirtschaftsgesetzes produktspezifisch auszubuchstabieren. Sowohl die Ausschreibungsempfehlungen des Umweltbundesamts als auch der Blaue Engel müssten stärker in die Vergabepraxis integriert werden. Sie betonte dabei, dass Themen wie Recyclingfähigkeit und Rezyklateinsatz eine zunehmend wichtige Rolle beim Blauen Engel einnehmen.
Benjamin Bongardt bestätigte in der Diskussion, dass Hilfestellungen wie der Blaue Engel oder das Bewertungssystem Nachhaltiges Bauen des Bundes für die Beschaffungspraxis sehr hilfreich seien. Er forderte außerdem, ein Augenmerk auf die Nachsorge der beschafften Produkte zu legen. So würden in Berlin die Lieferanten verpflichtet werden, die Produkte nach der Nutzungsdauer zurückzunehmen und als Second-Hand-Produkte Gebrauchtwarenhäusern oder anderen Marktplätzen für gebrauchte Waren zu übergeben. Michael Eßig betonte in diesem Kontext die Notwendigkeit von interkommunaler Zusammenarbeit, um Kompetenzen und Ressourcen zu bündeln und voneinander zu lernen. Auch könne man regionale Produkte gezielt fördern, indem die Leistungserbringung an einen definierten CO2-Fußabdruck geknüpft wird.
NABU und green care PROFESSIONAL bedanken sich bei den Referent*innen sowie allen teilnehmenden Personen im virtuellen Publikum für die gelungene Veranstaltung. Darauf aufbauend wird sich der NABU weiterhin für eine öffentliche Beschaffung zum Wohle von Umwelt, Ressourcen und Klima einsetzen.
Vorträge zum Download
NABU-Forderungen zur öffentlichen Beschaffung
- Verbindliche Umsetzung von §45 Kreislaufwirtschaftsgesetz
- Klagemöglichkeiten für unterlegene Bieter
- Umkehr der Beweislast (Begründungspflicht, wenn nicht umweltfreundlich beschafft wird)
- Vorzug von Gebraucht- gegenüber Neuwaren
- Ausweitung des nachhaltigen Produktangebots durch kreislauforientierte Produktpolitik (z. B. Rezyklateinsatzquoten)
- Strategische Ausrichtung der Behörden auf umweltfreundliche Beschaffung, inkl. Ausbildungen, Schulungen, Rechtsberatung
2019 feierte das Dialogforum Kreislaufwirtschaft seinen zehnten Geburtstag. Die gemeinsame Veranstaltung von NABU und Der Grüne Punkt nahm neben dem aktuellen Stand der Kreislaufwirtschaft vor allem die Zukunft in den Blick – wohin soll die Reise beim Kunststoffrecycling gehen und wie lassen sich Abfälle vermeiden? Mehr →
Welchen Beitrag kann die Kreislaufwirtschaft zum Klimaschutz leisten? Diese Frage wurde auf Einladung von NABU und REMONDIS diskutiert. Zusätzlich wurde eine neue NABU-Studie zur Müllverbrennung in Deutschland vorgestellt. Mehr →