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Jetzt spenden!Das große Vogelsterben
Interview mit dem Vogelschutzexperten Lars Lachmann
Kaum ein Bericht über eine interessante Vogelart, der nicht auf ihre Gefährdung hinweist. Allerdings hören wir diese Meldungen seit Jahren, und doch sehen wir draußen immer noch Vögel im Garten, manche – wie Krähen und Elstern – scheinen gar zuzunehmen. Und waren da nicht auch gelegentlich die Jubelmeldungen der Naturschutzverbände über die Bestandszunahmen von Seeadlern, Kranichen oder Wanderfalken?
Herr Lachmann, wie geht es der Vogelwelt denn nun tatsächlich?
Unsere Vögel gehören glücklicherweise zu den am besten untersuchten Gruppen von Lebewesen, und die Datenlage zu ihren Beständen und Populationsentwicklungen ist – im Vergleich zu anderen Tiergruppen wie etwa den Insekten – hervorragend. Daher eignen sich Vögel ganz besonders als Indikatoren für den Zustand unserer Natur. Alle sechs Jahre muss die Bundesregierung der EU-Kommission genau über die Lage aller Vogelarten in Deutschland Bericht erstatten, damit diese einschätzen kann, wie gut die Vogelschutzrichtlinie der EU in Deutschland umgesetzt wird. Zuletzt wurde 2013 ein entsprechender Bericht erstellt. Ein Blick in diese Daten sollte die Frage schnell beantworten, ob es ein Vogelsterben gibt oder nicht. Doch ganz so einfach ist es nicht. Auf den ersten Blick könnte man sich sogar beruhigt zurücklehnen: Für den längsten betrachteten Zeitraum, den 25-Jahres-Trend, nehmen von 242 Brutvogelarten sogar etwas mehr Arten zu als ab.
zum Vogelschutzbericht 2019
Seit 1980 sind über zehn Millionen Brutpaare der Agrarvögel verloren gegangen. Besonders stark betroffen sind Kiebitz, Rehuhn, Feldlerche und Co. Warum trifft es ausgerechnet diese Arten und wie geht es unserer Vogelwelt im Allgemeinen? Mehr →
Schaut man sich die einzelnen Arten differenziert an, zeigt sich, dass diese Zunahmen vor allem sehr seltene Vogelarten betreffen, es aber bei den Vogelarten schlecht aussieht, die man eigentlich in großer Zahl flächendeckend im Land erwarten würde. Das erklärt die gelegentlichen Jubelmeldungen: Die Bestände von besonders seltenen Arten wie Kranich, Seeadler oder Wanderfalken wieder, da wir diese durch gesetzliche Regelungen und die Einrichtung von Naturschutzgebieten schützen können. Das Vogelsterben findet aber bei den Vogelarten statt, die eigentlich überall, in der sogenannten Normallandschaft vorkommen sollten.
Das heißt, die Schutzmaßnahmen für seltene Vogelarten greifen, was erstmal positiv klingt. Aber was ist mit den anderen Arten? Sterben Amsel, Fink und Star aus?
Aussterben werden diese Arten nicht, aber ihre Bestände sind in Gefahr. Es könnte sein, dass man in Zukunft ins nächste Naturschutzgebiet fahren muss, um diese Allerweltsvögel zu Gesicht zu bekommen. Der NABU hat unlängst die vorliegenden Bestandszahlen und Trends auf Individuenebene berechnet. Hier ist der Trend höchst besorgniserregend: Während die Zahl der Vögel zwischen 1990 und 1998 offensichtlich fast stabil blieb, sind zwischen 1998 und 2009 in Deutschland 15 Prozent aller Vogelbrutpaare verschwunden – und das, obwohl sich bei dem Blick auf die Artenebene Gewinner und Verlierer in etwa die Waage halten. Innerhalb von nur zwölf Jahren haben wir also etwa 12,7 Millionen Vogelbrutpaare verloren.
2019 steht der nächste komplette Bericht der Bundesregierung zum Zustand der Vogelwelt an. Kann man schon sagen, wie die Entwicklung in den letzten Jahren weitergegangen ist?
Der Dachverband Deutscher Avifaunisten (DDA) hat die vorliegenden Daten – wiederum auf Artenebene – sehr detailliert ausgewertet, um herauszufinden, wodurch sich Vogelarten auszeichnen, deren Bestände besonders oft zurückgehen. Zusammenfassend kann man sagen, dass eine Vogelart besonders schlechte Aussichten hat, wenn es sich um einen weitverbreiteten, häufigen Singvogel handelt, der in der Agrarlandschaft brütet und sich vorwiegend von Insekten ernährt und deshalb den Winter als Zugvogel in Afrika verbringt. Bei diesen Arten haben sich die Rückgänge sicherlich in den letzten Jahren in ähnlicher Weise fortgesetzt. Bei anderen Arten wird sich der drastische Rückgang als Teil natürlicher Bestandsschwankungen herausstellen. Man darf also gespannt sein, was der nächste Vogelschutzbericht an Neuigkeiten bringt. Besonders optimistisch wäre ich nicht.
Was sind die Gründe für diesen massiven Verlust an Tieren?
Es gibt viele verschiedene Todesursachen für Vögel, wie Beutegreifer, Jagd oder Windräder. Untersuchungen zeigen allerdings, dass der dramatische Verlust der letzten Jahre weniger durch gestiegene Todeszahlen bei ausgewachsenen Vögeln zu erklären ist, als dadurch, dass nicht genug Jungvögel großgezogen werden. Das passiert, wenn Vögel keinen geeigneten Lebensraum und nicht mehr genügend Nahrung finden.
Die meisten Singvögel füttern ihre Jungen mit proteinreicher Insektennahrung, selbst wenn die Altvögel, wie bei unseren Sperlingsarten, selber vegetarische Nahrung bevorzugen. Zugvögel ernähren sich grundsätzlich vor allem von Insekten. Extrem besorgniserregend sind daher die jüngst publizierten Ergebnisse einer Langzeitstudie, die für 63 größtenteils in Nordwest-Deutschland gelegene Naturschutzgebiete einen Rückgang der Fluginsekten von 76 Prozent innerhalb von nur 27 Jahren zeigte. Weder Klimafaktoren noch andere Veränderungen in den untersuchten Gebieten konnten einen so drastischen Rückgang erklären, weshalb die Forscher vermuten, dass es sich um Einflüsse aus den umliegenden landwirtschaftlichen Feldern handeln könnte, zu denen ihnen keine auswertbaren Daten vorlagen.
Wenn die Insekten sterben, sterben auch die Insektenfresser, das ist einleuchtend. Aber Sie sagten, auch die Vögel der Agarlandschaft sind bedroht. Demnach scheint ja nicht nur das Insektensterben, sondern auch das Vogelsterben etwas mit Veränderungen in der Landwirtschaft zu tun zu haben. Was hat sich denn auf unseren Feldern und Wiesen in den letzten Jahren verändert, dass sich solche dramatischen Folgen erklären lassen?
Deutschlandweit schreitet eine Entwicklung voran, die sich unter dem Begriff „landwirtschaftliche Intensivierung“ zusammenfassen lässt. Dazu gehört neben der Verwendung neuartiger Pestizide die ansteigende mittlere Größe von landwirtschaftlichen Betrieben und eine damit zusammenhängende Vergrößerung einzelner Feldschläge, ein Rückgang von Wiesen und Weiden gegenüber Ackerflächen, erhöhte Mahdfrequenzen auf verbleibendem Grünland, die zunehmende Stallhaltung von Vieh, Entwässerung von Feuchtwiesen, erhöhte Düngergaben und eine verringerte Vielfalt bei den angebauten Ackerfrüchten mit einer zunehmenden Dominanz von lediglich drei Pflanzenarten, nämlich Winterweizen, Mais und Raps. Gleichzeitig werden bisher extensiv genutzte sogenannte Grenzertragsstandorte ganz aus der Bewirtschaftung genommen und fallen dadurch als Offenlandlebensräume weg.
Eine gerade für Feldvögel entscheidende Veränderung ist der rasante Rückgang von vorübergehend unbewirtschafteten Brachflächen, der zwischen 1994 und 2011 etwa 90 Prozent betrug und sich seitdem weiter fortsetzt. Im Gegenzug stieg die Anbaufläche von Mais, der für Vogelarten keine geeigneten Brut- oder Nahrungsmöglichkeiten bietet. Diese ausgesprochen schnelle Entwicklung eines Wegfalls von Brachflächen bei gleichzeitiger Ausbreitung des Maisanbaus fällt genau in den Zeitraum des beobachteten beschleunigten Rückgangs weitverbreiteter und häufiger Singvögel, insbesondere des Offenlandes. Veränderungen in der Art, wie wir unsere Agrarlandschaft bewirtschaften, sind daher der Schlüssel für die dringend notwendige Trendwende. Wir brauchen eine naturverträgliche neue Agrarpolitik.
Vielen Dank für dieses Gespräch! (2018)
Weitere tödliche Gefahren für die heimische Vogelwelt
Der Einfluss von Hauskatzen (20 bis 100 Millionen Opfer pro Jahr)
Hauskatzen fressen Vögel, so viel steht fest. Eine gesicherte Schätzung der Anzahl von Vögeln, die im Laufe eines Jahres Opfer von Hauskatzen werden, existiert derzeit für Deutschland aber nicht. Bei etwa 12,9 Millionen gefütterten Hauskatzen und zusätzlich vielleicht eine bis zwei Millionen gänzlich unabhängigen verwilderten Hauskatzen, hält der NABU eine Zahl von 20 bis 100 Millionen toten Vögeln pro Jahr für realistisch, wobei der obere Bereich dieses Spektrums wahrscheinlicher erscheint.
Das klingt erst einmal viel. Diese Zahl muss aber in Relation zu den insgesamt jedes Jahr sterbenden Vögeln gesehen werden. Dann verursachen Hauskatzen lediglich 4 bis 20 Prozent aller Vogeltodesfälle. Das ist immer noch viel, aber unter anderem die Ergebnisse der NABU-Zählaktion „Stunde der Gartenvögel“ seit 2005 zeigen, dass die generellen Artenbestände im Siedlungsraum, also dort, wo Hauskatzen jagen, stabil sind. Zudem gibt es bei der „Stunde der Gartenvögel“ keinerlei Unterschiede in der Vogelhäufigkeit zwischen Gärten mit oder ohne Katzen. Es nehmen also eher andere Arten in Lebensräumen ab, die von Katzen weniger besucht werden. Das entscheidende Argument gegen die Katze als Hauptverursacher des Vogelsterbens ist jedoch, dass die Ursache ein Faktor sein muss, der aktuell neu hinzugekommen ist oder in deutlich verstärktem Maße wirkt. Die Zahl der Katzen steigt aber seit Jahren nur sehr leicht an und scheidet daher als Ursache des beobachteten deutlichen Bestandsknicks nach 1998 aus. Dies heißt natürlich nicht im Umkehrschluss, dass Katzen keine negativen Auswirkungen auf Vogelbestände haben. Es ist gut denkbar, dass Vogelbestände in unseren Siedlungsräumen ohne den Einfluss von Katzen deutlich höher sein könnten.
Der Einfluss von Rabenvögeln
Bei Rabenvögel, also Elstern, Eichelhäher oder Raben- und Nebelkrähen, handelt es sich im Gegensatz zu Katzen um natürliche Prädatoren, für die insbesondere Jungvögel regelmäßig auf dem Speiseplan stehen. Auch die Bestände dieser häufigen Rabenvogelarten haben im Betrachtungszeitraum nicht oder nur sehr leicht zugenommen, auch wenn eine Verlagerung der Bestände weg vom Offenland in die Siedlungsbereiche in manchen Gärten eine Zunahme suggeriert. Jeder Vogelfreund, der eine Elster beim Plündern eines Vogelnestes beobachtet hat, wird schnell dazu verleitet, in solchen Überfällen den Grund des Vogelsterbens zu vermuten. Übersehen wird dabei, dass solche Prädationen von Nestern schon immer stattgefunden haben und auch heute nicht häufiger auftreten als früher. Bei der „Stunde der Gartenvögel“ ergab sich keinerlei Effekt der Häufigkeit von Elstern in einem Garten auf die Häufigkeit anderer Vögel. Auch die Rabenvögel scheiden also aus Ursache für das gegenwärtige Vogelsterben aus.
Der Einfluss von Kollisionen an Glasscheiben (100 bis 115 Millionen Opfer pro Jahr)
Zahlenmäßig zu den wichtigsten Todesursachen von Vögeln gehört zweifellos die Kollision mit Glasscheiben. Die Länderarbeitsgemeinschaft der staatlichen Vogelschutzwarten hat 2017 eine Schätzung von 100 bis 115 Millionen Glasanflugopfern in Deutschland veröffentlicht. Betroffen sind vor allem Vögel im Siedlungsraum, aber auch Zugvögel auf ihren Wanderungen. Meist handelt es sich um kleine häufige Vogelarten, aber auch seltenere Arten wie Waldschnepfe, Eisvogel oder Habicht erscheinen überproportional betroffen. Zudem nimmt die Zahl der Glasbauwerke in Deutschland definitiv zu, während die Anwendung von Vermeidungsmaßnahmen, wie bestimmter aufgedruckter Muster auf den Glasscheiben, bisher noch nicht zum Standard gehört. Damit kann der Vogeltod an Glasscheiben durchaus einen Anteil am Rückgang der Singvögel haben. Als Hauptursache scheidet er jedoch wiederum aus, da der langsame Anstieg an Glasbauwerken nicht mit den plötzlichen Bestandsrückgängen der Vögel korreliert, und weil wiederum die Vögel des Siedlungsraums überproportional betroffen sein müssten.
Der Einfluss von Kollisionen im Straßen- und Bahnverkehr (70 Milionen Opfer pro Jahr)
Todesopfer durch Kollisionen von Vögeln im Straßen- und Bahnverkehr werden für Deutschland auf etwa 70 Millionen geschätzt. Die Gefährdung steigt mit steigendem Verkehrsaufkommen kontinuierlich an. Betroffen sind sowohl Vögel des Siedlungsraums als auch des Offenlandes oder des Waldes. Überproportional gefährdet sind durch Fahrzeugkollisionen jedoch größere Vogelarten wie Greifvögel oder nachts jagende Eulen. Bei diesen Arten könnte dieser Faktor daher durchaus zu Bestandsrückgängen führen oder laufende Bestandserholungen gefährden. Das aktuelle Vogelsterben betrifft jedoch vor allem kleinere Arten, zudem passt das kontinuierliche langsame Anwachsen des Verkehrs nicht zum festgestellten deutlichen Bestandsknick bei den Vögeln.
Der Einfluss von Stromleitungen (1,5 bis 2,8 Millionen Opfer pro Jahr)
Auch mit Stromleitungen kollidieren regelmäßig Vögel. Eine NABU-Studie von 2017 schätzt jährlich 1,5 bis 2,8 Millionen Vögel, die durch den Anflug gegen eine Stromleitung zu Tode kommen. Mit dem Ausbau des Übertragungsnetzes im Zuge der Energiewende könnte diese Zahl weiter steigen, wenn keine geeigneten Gegenmaßnahmen getroffen würden. Von dieser Todesursache sind jedoch selektiv vor allem größere und im Flug weniger wendige Vogelarten betroffen, insbesondere Wasservögel. Als wesentliche Ursache für den Rückgang kleinerer, weitverbreiteter Vogelarten scheidet aber auch dieser Faktor aus.
Mehr zu der Gefährdung durch Stromleitungen
Stromleitungen können Vögel auch durch Stromschlag töten, wenn ein Vogel eine Leitung durch Kontakt mit dem Mast erdet. Dieses Problem tritt selektiv nur bei großen Vögeln wie Störchen, Eulen oder Greifvögeln auf und ist für diese Arten nachgewiesenermaßen ein bestandsbedrohender Faktor. Eine Schätzung geht von etwa einer Million toter Großvögel pro Jahr in Deutschland aus. Erfreulicherweise geht diese Zahl hierzulande deutlich zurück, da dank einer gesetzlichen Vorschrift alle Strommasten bis Ende 2012 gegen Vogelschlag gesichert werden mussten. Noch ist das Problem jedoch nicht gänzlich gelöst, da die Umsetzung noch nicht vollständig erfolgt ist und auch zum Beispiel die Oberleitungen der Bahn bisher ausgenommen sind. Das aktuell beobachtete Vogelsterben ist jedoch von diesem Faktor unabhängig, da der Stromtod ein anderes Artenspektrum betrifft und in seiner Bedeutung stark abnimmt.
Der Einfluss von Windkraftanlagen (100.000 Opfer pro Jahr)
Die Gefahr der Kollision von Vögeln mit Windkraftanlagen nimmt deutlich zu, da auch die Windräder zunehmen. Man muss von über 100.000 von Windkraftanlagen pro Jahr getöteten Vögeln ausgehen, darunter etwa 12.000 Mäusebussarde und 1500 Rotmilane. In absoluten Zahlen gesehen sind das Wenige im Vergleich zu den Millionen Vögeln, die Katzen, Glasscheiben oder dem Verkehr zum Opfer fallen. Betroffen sind jedoch vor allem größere Vogelarten, insbesondere Greifvögel. Für einige dieser Arten können Windkraftanlagen daher bereits heute bestandswirksame Auswirkungen haben, für die Masse der meist kleineren und häufigen, aber abnehmenden Vogelarten sind Windkraftanlagen jedoch nicht relevant.
Der Einfluss der Jagd ( 1,2 Millionen Opfer pro Jahr)
Durch die legale Jagd sterben in Deutschland derzeit jährlich etwa 1,2 Millionen Vögel von 30 jagdbaren Vogelarten, EU-weit 53 Millionen Vögel von 82 Arten. Hinzu kommen deutschlandweit geschätzt 50.000 bis 150.000 illegal getötete Vögel, für ganz Europa und den Mittelmeerraum werden 12 bis 38 Millionen Opfer illegaler Verfolgung geschätzt. Insgesamt ist zumindest die Zahl der legal gejagten Vögel deutlich abnehmend, da auch die Zahl der aktiven Jäger abnimmt.
In Deutschland beschränkt sich die Jagd vor allem auf Enten und Gänse, die derzeit meist gute Bestandsentwicklungen vorweisen. Eine Ausnahme bildet die immer noch stattfindende Jagd auf Rebhühner, die mit einem Bestandsrückgang um 94 Prozent in nur zwölf Jahren zu den größten Sorgenkindern des aktuellen Vogelsterbens gehören. Europaweit wurde kürzlich nachgewiesen, dass der Abschuss von jährlich 1,5 Millionen Turteltauben mehr ist als diese ohnehin stark abnehmende Art verkraften kann. Die Wilderei bedroht in Deutschland vor allem geschützte Greifvögel wie Seeadler, Rotmilan oder Habicht, von denen pro Jahr geschätzt zwischen 1.200 und 12.000 getötet werden. Jagd und Wilderei sind daher bei einigen besonders betroffenen Arten wie Rebhuhn, Kiebitz oder Greifvögeln mögliche bestandswirksame Faktoren. Sie betreffen aber die meisten derzeit abnehmenden Vogelarten nicht.
Der Einfluss von neuen Krankheiten wie Usutu und Trichomoniasis
Gerne wird bei der Suche nach möglichen Ursachen für das Verschwinden von Vögeln auch auf neuartige Krankheiten verwiesen. In der Tat gibt es in den letzten Jahren zwei neuartige Krankheiten, die sich bei zwei Vogelarten deutlich bemerkbar machen. Seit 2011 beobachten wir in Deutschland ein Amselsterben, das durch das in Deutschland neue Usutu-Virus ausgelöst wird. Es tritt jedoch bisher nur in klimatisch begünstigten Regionen auf, vor allem entlang des Rheintals. Pro Jahr starben seitdem geschätzt 160.000 Amseln an dieser Krankheit. In den vom Usutu-Virus betroffenen Gebieten ist zudem der Bestandstrend der Amsel deutlich negativer als in Gebieten ohne Usutu, aber bei anderen Vogelarten konnten keine Auswirkungen nachgewiesen werden. Es ist unklar, ob sich die regional dezimierten Amselbestände in der Zukunft wieder normalisieren werden. Bisher lässt sich jedoch noch kein Effekt dieser regionalen Abnahmen auf den nationalen Bestandstrend der Amsel oder irgendeiner anderen Vogelart nachweisen. Aufgrund der zu erwartenden Ausbreitung des Virus in weitere Gebiete des Landes, sind zumindest für die Amsel längerfristige Bestandsgefährdungen durch das Virus denkbar.
Das sogenannte Grünfinkensterben wird dagegen durch einen einzelligen Parasiten namens Trichomonas gallinae ausgelöst, von dem eine besonders aggressive Variante in Deutschland seit etwa 2009 kursiert. Grünfinken infizieren sich meist an sommerlichen Futter- oder Badestellen und Tränken. Auch andere Vogelarten wie Turteltauben oder Habichte leiden an dieser sogenannten Trichomoniasis, aber gerade bei Grünfinken scheint eine Infektion häufiger tödlich zu verlaufen. Seit 2013 haben die Zahlen des Grünfinken bei der „Stunde der Gartenvögel“ ziemlich plötzlich um 43 Prozent abgenommen, auch das Monitoring des Dachverbandes Deutscher Avifaunisten (DDA) zeigt seitdem eine deutliche Bestandsabnahme, die vermutlich auf diese Erkrankung zurückzuführen ist. Damit ist diese neuartige Krankheit bei bestimmten Arten durchaus ein möglicher Grund für plötzliche Bestandsrückgänge. In diesem Fall liegt jedoch der Beginn der Epidemie erst nach dem Referenzzeitraum für das festgestellte Vogelsterben.
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Noch ausführlicher behandelt Lars Lachmann das Thema im Artikel „Das große Vogelsterben: Faktum oder Fake?“, der in den Loccumer Protokollen erschienen ist. Hier finden Sie die Publikation als Download. Das ganze Heft kann auch bei der Evangelischen Akademie Loccum bestellt werden.
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