Der Zwergtaucher ist Vogel des Jahres 2024 in der Schweiz - Foto: Frank Derer
Von Gaukler bis Zwergtaucher
Erfolgreicher Exportartikel „Vogel des Jahres“
Ob als Oiseau de l’année, Ave del Año, Pták roku (tschechisch), Fugl ársins (isländisch) oder Gada putns (lettisch): Europaweit erfreut sich der „Vogel des Jahres“ zunehmender Beliebtheit, mehr als ein Dutzend Länder wählen jeweils ihren eigenen Jahresvogel. Selbst in den USA und in Kanada, in Neuseeland und in Südafrika gibt es inzwischen einen „Bird of the Year“.
Doch wer hat’s erfunden? Anders als bei einem bekanntem Kräuterbonbon waren es beim Vogel des Jahres nicht die Schweizer, sondern die Deutschen, genauer gesagt die Baden-Württemberger. Hier fand nämlich 1970 mit dem Graureiher ein regionaler Jahresvogel-Probelauf statt, bevor der NABU – damals noch „Deutscher Bund für Vogelschutz“ (DBV) – dann 1971 den Wanderfalken zum ersten bundesweiten Vogel des Jahres kürte.
Deutschland und Österreich lange Zeit gemeinsam
Ebenso wie die österreichischen Vogelschützer und später auch Luxemburg stieg der schweizerische BirdLife-Partner SVS allerdings schon bald mit ein und übernahm jeweils den deutschen Jahresvogel auch für die Eidgenossenschaft. Inzwischen wählt der SVS einen eigenen Jahresvogel – 2024 der Zwergtaucher – und auch BirdLife Österreich geht eigene Wege, seitdem LBV und NABU mit dem Vogel des Jahres 2021 in Deutschland eine öffentliche Abstimmung eingeführt haben. 2024 hat sich in Österreich die Grauammer durchgesetzt.
Außerhalb des deutschen Sprachraums hat sich der Vogel des Jahres vor allem im Osten zu einem ausgesprochenen Exportschlager entwickelt. Bereits kurz nach dem Fall des Eisernen Vorhangs rief der tschechische BirdLife-Partner seinen ersten „Vogel des Jahres“ aus, bald darauf folgten Slowenien, die drei baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen, schließlich auch Russland und die ehemaligen Sowjetrepubliken Weißrussland, Armenien und Kasachstan. In einigen Ländern wurde die Aktion allerdings bald wieder eingestellt, während in Deutschland mit dem Kiebitz 2024 bereits der 54. Vogel des Jahres gekürt wurde.
Als einziges skandinavisches Land kürte Norwegen bereits seit 1992 einen Vogel des Jahres, 2021 wurde erstmals auch in Island ein Jahresvogel gewählt. Im Westen dagegen gibt es den Jahresvogel nach NABU-Vorbild lediglich in Spanien, während etwa in Frankreich oder in den angelsächsischen Ländern der Begriff „Vogel des Jahres“ meist nur im Zusammenhang mit besonders seltenen Beobachtungen oder Erstbeobachtungen in einem Jahr verwendet wird.
Häufige Vögel oder „Spitzenarten“?
Die meisten Länder küren der NABU-Linie folgend inzwischen eher häufige und damit für das allgemeine Publikum gut erlebbare Arten. Der spanische BirdLife-Partner SEO dagegen setzte lange konsequent auf den Ursprungsgedanken, nämlich ein Jahr lang für ausgesprochen seltene Arten Werbung zu betreiben und für diese Artenschutzprogramme anzustoßen. So kamen in Spanien „Spitzenarten“ wie Marmelente, Balearen-Sturmtaucher und Mönchsgeier zu Jahresvogelehren.
Inzwischen gibt den „Vogel des Jahres“ auch außerhalb Europas. Während er in Südafrika nach europäischem Muster vorab bestimmt wird, lässt der neuseeländische BirdLife-Partner Royal Forest and Bird Protection Society den „Bird of the Year“ im erst im Herbst rückwirkend für das laufende Jahr küren. Dabei treten in einer offenen Abstimmung zahlreiche Vogelarten gegeneinander an. Jedenfalls im Normalfall. Für 2021 hatte man nämlich auch die endemische Neuseeland-Lappenfledermaus nominiert, die prompt gewann. Ein eigener Fledermaus-Wettbewerb würde sich in Neuseeland nicht lohnen, davon gibt es dort nur drei Arten. (elg)
Die Vögel des Jahres 2024 international
Infostand 16. Juli 2024
- Armenien: Seeadler (Haliaeetus albicilla)
- Australien: Abstimmung erst Ende des Jahres (2023: Schwalbensittich)
- Deutschland: Kiebitz (Vanellus vanellus)
- Estland: Kuckuck (Cuculus canorus)
- Island: N.N. (2022: Bachstelze)
- Kasachstan: N.N. (2023: Purpur-Pfeifdrossel)
- Kirgistan: N.N. (2023: Haussperling)
- Kroatien: Saatkrähe (Corvus frugilegus)
- Lettland: Zwergseeschwalbe (Sternula albifrons)
- Neuseeland: Abstimmung erst Ende des Jahres (2023: Australasiatischer Haubentaucher)
- Norwegen: Silbermöwe (Larus argentatus)
- Österreich: Grauammer (Emberiza calandra)
- Rumänien: Rostgans (Tadorna ferruginea)
- Russland: Erlenzeisig (Spinus spinus)
- Schweiz: Zwergtaucher (Tachybaptus ruficollis)
- Spanien: Rohrdommel (Botaurus stellaris)
- Südafrika: Gaukler (Poicephalus robustus)
- Tanzania: Sekretär (Sagittarius serpentarius)
- Tschechien: Hausrotschwanz (Phoenicurus ochruros)
- Ungarn: Sakerfalke (Falco cherrug)
- USA und Kanada: Goldflügel-Waldsänger (Vermivora chrysoptera)
- Weißrussland: Nebelkrähe (Corvus cornix)
Vögel des Jahres 2023
Europaweit und vereinzelt bis nach Zentralasien, Afrika, Ozeanien und Nordamerika erfreut sich der „Vogel des Jahres“ zunehmender Beliebtheit. 2023 wurde unter anderem für die Schweiz der Sumpfrohrsänger gewählt und in Österreich ist es wie in Deutschland das Braunkehlchen geworden. Mehr →
Sein Wahlslogan „Wasser marsch!“ bringt zum Ausdruck, woran es dem Kiebitz besonders fehlt: Entwässerung und intensive Landwirtschaft sorgen dafür, dass der Vogel des Jahres 2024 seinen natürlichen Lebensraum verliert. Mehr →